Der Skandal um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) scheint noch längst nicht vorbei. Aktuell bemüht sich der Innenausschuss des Bundestags, mehr Licht in die Vorgänge in Bremen, aber auch in der Zentrale in Nürnberg zu bringen – und die politischen Verantwortlichkeiten für Missstände zu klären. Im Blickpunkt dabei steht Andrea Lindholz (47). Die CSU-Bundestagsabgeordnete aus Goldbach (Lkr. Aschaffenburg) ist Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses.
Frage: Frau Lindholz, als Vorsitzende haben Sie den Innenausschuss des Bundestags zu weiteren Sondersitzungen in Sachen Bamf eingeladen. Warum gibt es keinen Untersuchungsausschuss, der hätte doch die umfassendsten Aufklärungsmöglichkeiten?
Andrea Lindholz: Warten wir mal ab. Momentan wäre ein Untersuchungsausschuss nicht zielführend, weil er zu schwerfällig ist. Wir sorgen jetzt erst einmal im Innenausschuss für eine zügige und hoffentlich auch gründliche Aufklärung. Ich war in den vergangenen vier Jahren selbst Mitglied im NSA-Untersuchungsausschuss und kann sagen, die Arbeit dort ist ebenso zeitaufwändig wie langwierig. Es kann die ganze Legislaturperiode dauern, bis Ergebnisse vorliegen. So viel Zeit haben wir nicht. Einen Untersuchungsausschuss kann man immer noch einrichten, wenn man glaubt, die Erkenntnisse aus dem Innenausschuss reichten nicht aus.
Der Untersuchungsausschuss ist das schärfere Kontrollinstrument. Auch in der Großen Koalition werden die Stimmen lauter, dieses zu nutzen.
Lindholz: Meiner Ansicht nach ist ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorgänge in Bremen zunächst nicht geeignet. Solange noch die staatsanwaltlichen Ermittlungen laufen, kann niemand Auskünfte erteilen. Strukturelle Mängel im Bamf kann der Innenausschuss kurzfristig aufdecken, die internen Abläufe und die vielfältigen Reformen kann er jetzt schon hinterfragen und auch gesetzliche Nachsteuerungen anregen. Beispielsweise bei der Mitwirkung von Asylbewerbern im Widerrufsverfahren sehe ich dringenden Nachbesserungsbedarf.
Welche Rolle spielt das Argument, ein Untersuchungsausschuss könnte der AfD bei einem sensiblen Thema eine Plattform geben?
Lindholz: Die AfD will keinen Untersuchungsausschuss mit dem Ziel aufzuklären. Ihre Vertreter haben ja mehr oder weniger offen gesagt, sie wollten den Ausschuss für eine Art Abrechnung mit Merkel nutzen. Denen geht es um Show, nicht um Aufklärung oder systematische Verbesserungen. Lösungsorientiert ist das nicht. Das ist nicht die Zielrichtung, die wir in der Koalition verfolgen und die offenbar auch die anderen Oppositionsfraktionen nicht haben.
Für Freitag hat der Ausschuss neben Bamf-Chefin Jutta Cordt auch deren Vorgänger Frank-Jürgen Weise und Manfred Schmidt eingeladen. Was wollen Sie genau wissen?
Lindholz: Es geht einerseits um die Vorgänge in Bremen und andererseits um die strukturellen Mängel im Bamf insgesamt. Frau Cordt und Innenminister Horst Seehofer haben uns bereits in der vergangenen Woche einen detaillierten Überblick gegeben. Seehofer hat klar gesagt, dass die Rechts- und Fachaufsicht des Bundesinnenministeriums über das Bamf nicht funktioniert hat. Es müssen also interne Abläufe im Bamf und im Ministerium verbessert werden. Am Freitag wird es jetzt auch darum gehen, welche Probleme es bereits früher gab, wo es geklemmt hat. Was wussten Weise und Schmidt von den Vorgängen in Bremen? Haben Sie adäquat reagiert? Wie lief die Kommunikation mit den zuständigen Entscheidungsträgern? Alle Fraktionen werden eine Vielzahl an Fragen mitbringen und ich denke, wir werden die nötigen Auskünfte bekommen. Herr Weise hat extra für uns eine Dienstreise in die USA abgesagt. Das zeigt mir, dass alle an Aufklärung interessiert sind.
Für eine weitere Sitzung haben Sie die ehemals für das Bamf zuständigen Minister Peter Altmaier und Thomas de Maiziere eingeladen? Müssten Sie nicht eigentlich auch die Kanzlerin einladen, nachdem Herr Weise gesagt hat, er habe sie persönlich über Missstände informiert?
Lindholz: Es geht um Vorgänge im Zeitraum von 2014 bis 2017. Jetzt hören wir uns erst einmal an, was uns Altmaier und de Maiziere zu sagen haben. Dann entscheiden wir, ob wir noch weitere Sitzungen und Gesprächspartner brauchen.
Die Bayerische Staatsregierung hat jetzt einen eigenen Asylplan verabschiedet. Ist da nicht neues Chaos programmiert, wenn jedes Land in der Asylpolitik eigene Wege geht.
Lindholz: Dass Bayern jetzt sieben Ankerzentren einrichten möchte, während sich andere Länder aus der Verantwortung stehlen wollen, finde ich sehr vorbildlich. Wir haben im Koalitionsvertrag klare Vereinbarungen getroffen, die gerade SPD-Landesminister, die zum Teil mitverhandelt haben, jetzt nicht wieder infrage stellen sollten.
Und die Ankündigung eigener Abschiebeflüge?
Lindholz: Das ist im Grunde nichts Neues, das müssen die Länder tun. Die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber ist originäre Aufgabe der Länder, die Bundespolizei unterstützt sie nur dabei wie auch bei der Passersatzbeschaffung.
Ihre Parteifreunde Horst Seehofer und Alexander Dobrindt haben angekündigt, das umstrittene Dublin-Abkommen wieder konsequent umzusetzen. Und damit Asylbewerber, die in einem anderen Land in die EU eingereist sind, dorthin zurückzuschicken. Ist das richtig, die Grenzen dicht zu machen und alle Verantwortung an die Mittelmeer-Anrainer wie Griechenland, Italien und Spanien zu delegieren?
Lindholz: Wir sind uns grundsätzlich einig, dass man die europäischen Staaten an unseren gemeinsamen Außengrenzen nicht allein lassen kann. Wir brauchen endlich ein funktionierendes gemeinsames europäisches Asylsystem. Darüber wird schon zu lange verhandelt. Etwas mehr Druck von deutscher Seite kann da nicht schaden. Erweiterte Zurückweisungen an den innereuropäischen Grenzen zum Beispiel von Personen, die bereits in anderen EU-Staaten per Fingerabdruck registriert wurden, wären ein Mittel. Zum gemeinsamen Asylsystem gehören unter anderem funktionierende Hot-Spots an den EU-Außengrenzen, effektive Ausweisungen, eine faire Lastenverteilung und gleiche Leistungen in allen Mitgliedsstaaten.