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EBRACH
Lehren aus dem Aufstand im Jugendknast
Hinter den Mauern der wegen der räumlichen Enge problematischen, aus den Jahren 1964 und 1972 stammenden alten Zellenbauten 2 und 3 kam es im Mai 2017 in der Justizvollzugsanstalt Ebrach wie schon zuletzt im November 2003 zu einer Gefangenenrevolte.
Foto: Norbert Vollmann | Hinter den Mauern der wegen der räumlichen Enge problematischen, aus den Jahren 1964 und 1972 stammenden alten Zellenbauten 2 und 3 kam es im Mai 2017 in der Justizvollzugsanstalt Ebrach wie schon zuletzt im November ...
Norbert Vollmann
Norbert Vollmann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:57 Uhr

Die Gefangenenmeuterei vom 9. auf den 10. Mai dieses Jahres hat in der Justizvollzugsanstalt Ebrach (JVA) zu einer intensiven Aufarbeitung in enger Zusammenarbeit mit der Polizei geführt. Im Ergebnis soll ein umfangreicher Maßnahmenkatalog künftig die Sicherheit in Bayerns größtem Jugendknast erhöhen und Aggressionen möglichst erst gar nicht aufkommen lassen.

Vom Mörder bis zum Vergewaltiger

In dem alten Zisterzienserkloster in Ebrach (Lkr. Bamberg) verbüßen die nach Jugendstrafrecht verurteilten ganz schweren Jungs ihre Haftstrafen. Oder wie Gefängnisleiter Gerhard Weigand gerne zu sagen pflegt: „In Ebrach sitzen die 300 schwierigsten jungen Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ein, die der Freistaat zu bieten hat.“ Die Bandbreite reicht vom Mörder und U-Bahn-Totschläger bis hin zum Drogendealer und Vergewaltiger.

Nach der Häftlingsrevolte vom 9./10. Mai soll nun fürs Erste eine Reihe kurz- und mittelfristiger Maßnahmen dazu beitragen, die Sicherheit zu erhöhen und Vorfällen wie im Mai vorzubeugen. Dazu hat es in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche im eigenen Haus und mit der Polizei gegeben.

Wichtig für JVA-Chef Gerhard Weigand ist zunächst die Erkenntnis, dass kein organisierter Hintergrund, etwa zur Durchsetzung von Forderungen hinsichtlich Unterbringung, Versorgung oder Verpflegung zum Beispiel, für die Ausschreitungen vorgelegen hat – nach derzeitigem Stand der Ermittlungen.

„Spontaner Ausbruch“

Es habe sich vielmehr „um einen spontanen Ausbruch von Vandalismus im Sinne destruktiven Zeitvertreibs aus Lust am Zerstören, aus aggressiver Abreaktion von Wut oder als Form von Imponiergehabe ohne darüber hinausgehenden Sinn“ gehandelt. Einer der Rädelsführer habe zum Beispiel bei seiner Vernehmung private Gründe für seinen Frust angegeben. Die Taten seien auch nicht vorher geplant worden, sagte er aus.

Die Lage hatte sich an jenem Dienstagabend während des sogenannten Freizeit-Aufschlusses aufgeschaukelt. Hierzu werden die Hafträume etwa ab 18 Uhr mit zeitlicher Versetzung auf den einzelnen Stationen aufgesperrt, damit sich die Gefangenen in dieser Zeit dort frei bewegen können.

Der Aufstand selbst begann kurz vor 21 Uhr, als 19 vor ihren Zellentüren stehende und rauchende Gefangene auf der Station aufgefordert wurden, sich wieder einschließen zu lassen. Innerhalb von 20 Minuten eskalierte die Situation. Fünf Gefangene taten sich besonders hervor. Sie rasteten ohne erkennbaren Grund und ohne irgendwelche Forderungen zu stellen komplett aus. Mit ihren Feuerzeugen zündeten sie Matratzen, Textilien und Klopapierrollen an. Obendrein setzten sie den Gang unter Wasser, indem sie die Duschen aufdrehten und die Abflüsse verstopften. Dazu kamen weitere Sachbeschädigungen und Verwüstungen im Zellentrakt.

Gegen 1 Uhr hatten die letzten aufsässigen Häftlinge aufgegeben und eingelenkt. So musste am Ende das in Ebrach zusammengezogene Großaufgebot an Polizei samt SEK-Einheit, Feuerwehren und Rettungsdiensten nicht eingreifen.

Bauliche Veränderung notwendig

Mit „viel Geduld, Verhandlungsgeschick und hoher Professionalität“ sei es gelungen, die Lage zu beruhigen und die Rädelsführer zur Aufgabe zu bewegen, lobte Bayerns Justizminister Winfried Bausback im Nachhinein die JVA-Bediensteten. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat inzwischen Anklage gegen die fünf Rädelsführer wegen Gefangenenmeuterei, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung erhoben.

Im Mittelpunkt des umfangreichreichen Katalogs an kurz- und mittelfristigen Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Vorkommnisse stehen die weitere Erhöhung der Beschäftigungsquote, die Ausweitung der Plätze für das Anti-Aggressions- und Anti-Gewalttraining, eine verstärkte Personalpräsenz und besser strukturierte Freizeitangebote während der Aufschlüsse. Auch die Verbesserung der technischen Kommunikation mit den Gefangenen sowie innerhalb des Aufsichtspersonals auf der Station ist eine Konsequenz aus der Revolte. Langfristig geht es darum, die baulichen Unzulänglichkeiten im Wohngruppenvollzug in den alten Zellenbauten 2 und 3 zu beheben.

Die jüngste Revolte der Gefangenen im Mai hatte sich wie schon der vom 29. November 2003 datierende letzte Aufstand in dem baulich problematischen Bereich zugetragen. Die zwei aneinandergebauten Zellenbauten mit über 200 Haftplätzen stammen aus den Jahren 1964 und 1972. Die übliche Stockwerkshöhe war damals reduziert worden, um bei einer für drei Etagen ausgelegten Gebäudehöhe ein viertes Stockwerk „hineinzuquetschen“.

Die Stationen verfügen deshalb ausschließlich über Hafträume, aber keine Aufenthalts- und Freizeiträume zum Kochen, Karten oder Rauchen im Rahmen der angeleiteten Freizeitmöglichkeiten. Das erschwert obendrein die Übersichtlichkeit. Die einzige Freifläche außerhalb der Zellen stellt in den drei Obergeschossen lediglich die umlaufende Galerie dar. Ein Bauantrag zum Abriss und Neubau der Zellenbauten 2 und 3 ist gestellt. Allerdings müssen noch Mittel und Wege für die Finanzierung gefunden werden.

Schauplatz der Gefangenenrevolten in der JVA Ebrach waren jeweils die wegen der Enge baulich problematischen alten Zellenbauten 2 und 3. Aufenthaltsräume während des sogenannten Freizeit-Aufschlusses fehlen. Einzige Freifläche ist die umlaufende Galerie.
Foto: JVA Ebrach | Schauplatz der Gefangenenrevolten in der JVA Ebrach waren jeweils die wegen der Enge baulich problematischen alten Zellenbauten 2 und 3. Aufenthaltsräume während des sogenannten Freizeit-Aufschlusses fehlen.
Im ehemaligen Zisterzienserkloster in Ebrach ist Bayerns größtes Jugendgefängnis untergebracht. Hier verbüßen die ganz schweren nach Jugendstrafrecht verurteilen Jungs im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ihre Haftstrafen.
Foto: Norbert Vollmann | Im ehemaligen Zisterzienserkloster in Ebrach ist Bayerns größtes Jugendgefängnis untergebracht. Hier verbüßen die ganz schweren nach Jugendstrafrecht verurteilen Jungs im Alter zwischen 18 und 24 Jahren ihre Haftstrafen.
 
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