Der zweite Augsburger Polizistenmörder ist wie zuvor schon sein jüngerer Bruder zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Schwurgericht stellte zudem fest, dass die Schuld des 61-jährigen Raimund M. besonders schwer wiege. Daher kann er nicht schon nach 15 Jahren freikommen, sondern wird voraussichtlich länger als 20 Jahre im Gefängnis sitzen. Es wurde aber nicht die Sicherungsverwahrung nach der Haft angeordnet, wie dies die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger verlangt hatten. Raimund M. verfolgte das Urteil äußerlich ungerührt.
Das Gericht macht damit einen Unterschied zu M.'s jüngerem Bruder Rudolf R.. Bei ihm hatten die Richter vor gut einem Jahr die Sicherungsverwahrung verhängt, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Entscheidung vor wenigen Wochen bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die beiden Brüder haben den Polizeibeamten Mathias Vieth am 28. Oktober 2011 nach einer wilden Verfolgungsjagd im Augsburger Stadtwald mit Schnellfeuergewehren erschossen. Der 41-jährige Beamte und seine Streifenkollegin wollten die Brüder zuvor auf einem Parkplatz kontrollieren und überraschten sie wohl bei der Vorbereitung eines Raubüberfalls. Vieths Kollegin wurde angeschossen.
Der Vorsitzende Richter Christoph Wiesner nannte den Polizistenmord ein „ungeheuerliches Verbrechen“, das die Bevölkerung in einer besonderen Art bewegt habe. In dem Prozess habe sich eine Indizienkette gegen den 61-Jährigen ergeben, die „erdrückend“ gewesen sei.
Wiesner attackierte die beiden Verteidiger Adam Ahmed und Werner Ruisinger. Die hatten zuvor für einen Eklat gesorgt, als sie kein inhaltliches Plädoyer hielten, sondern von einem „unfairen und nicht rechtsstaatlichen Verfahren“ sprachen. Ihr Mandant sei bereits verurteilt gewesen, bevor der Prozess begonnen habe. Das Gericht sei befangen gewesen.
Wiesner hielt dem entgegen, die Verteidiger unterstellten dem Gericht eine Bereitschaft zur Rechtsbeugung. „Das ist ehrenrührig.“ Besonders scharf griff Wiesner Anwalt Ahmed an, der bei der Urteilsverkündung nicht mehr anwesend war: „Ich finde es schade, dass er nicht den Mumm hat, sich die Gegenworte anzuhören“, so Wiesner.
Die Plädoyers der Nebenkläger und der Verteidigung waren am Vormittag innerhalb von nur 40 Minuten vorbei. Überraschend hatte die Schwester des ermordeten Mathias Vieth das Wort ergriffen. Sie sei überzeugt von der Schuld der beiden Brüder, erklärte Erika Langner. Sie endete mit einem sehr emotionalen Satz: „Ich würde es als gerechte Strafe empfinden, wenn er zu seinem Bruder keinen Kontakt mehr hätte, kein Treffen, kein Brief, kein Telefonat – so wie ich keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder haben kann.“
Der Anwalt der Witwe, Walter Rubach, sagte, der Angeklagte habe durch seine Parkinson-Erkrankung auf besonders raffinierte Weise versucht, sich aus dem Verfahren zu stehlen. „Er wollte uns an der Nase herumführen. Dass ihm das nicht gelungen ist, beruhigt Frau Vieth.“ Die Witwe hoffe jetzt auf Ruhe. Klar ist aber, dass auch dieses Urteil vom Bundesgerichtshof überprüft wird. Raimund M.'s Verteidiger haben bereits Revision angekündigt.
Gewalttaten an Polizisten
Immer wieder werden in Deutschland Polizisten im Dienst getötet. Der Augsburger Streifenbeamte Mathias Vieth starb im Oktober 2011, als er nach einer Verfolgungsjagd niedergeschossen wurde. Einige Beispiele ähnlicher Fälle aus der Vergangenheit:
März 2010: Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) will in Anhausen (Rheinland-Pfalz) in die Wohnung eines Mitglieds der „Hells Angels“ eindringen. Der Mann feuert durch die geschlossene Tür, ein Beamter stirbt.
April 2007: In Heilbronn (Baden-Württemberg) wird die 22 Jahre alte Polizistin Michele Kiesewetter mit einem Kopfschuss tot neben ihrem Dienstwagen gefunden. Ihr Kollege überlebt schwer verletzt. Jahre später stellt sich heraus, dass sie Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) wurden.
März 2006: Ein Räuber schießt in Berlin einen Zivilfahnder nieder, der ihn kontrollieren wollte. Der 42-Jährige stirbt vier Tage später.
Juli 2002: Zwei Polizisten werden während eines Einsatzes in Bonn-Bad Godesberg niedergeschossen. Ein 40 Jahre alter Beamter stirbt, sein Kollege erleidet schwere Verletzungen.
Oktober 2000: Ein entflohener Häftling schießt in der Nähe von Erlangen auf zwei Polizisten. Ein 31-Jähriger stirbt und sein gleichaltriger Kollege wird schwer verletzt. Sie wollten das Auto des aus einem Bezirkskrankenhaus entkommenen Schwerverbrechers überprüfen. Text: dpa