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München/Berlin
Niederlagen für die FDP in Bayern und Hessen – Christian Lindner steht vor Scherbenhaufen
Die FDP erzielt bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern schlechte Ergebnisse. In Berlin hat die Parteispitze zuletzt auf Konfrontation gesetzt. Das Kalkül ist nicht aufgegangen.
Wahlkampfendspurt der Hessen-FDP.jpeg       -  Wie geht es weiter mit der FDP? Sowohl in Bayern als auch in Hessen schneidet Lindners Partei schlecht ab.
Foto: Andreas Arnold, dpa | Wie geht es weiter mit der FDP? Sowohl in Bayern als auch in Hessen schneidet Lindners Partei schlecht ab.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:19 Uhr

Das liberale Spitzenpersonal hatte mit Blick auf die Landtagswahlen in Hessen und Bayern in weiser Voraussicht erst gar nicht zu einem Wahlabend in die Berliner Parteizentrale geladen. Schon Wochen vor dem Wahlsonntag sagten die Umfragen eine heftige Klatsche für die FDP voraus, und so kam es dann auch: Die Partei ist mindestens im bayerischen Landtag nicht mehr vertreten, weil sie an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Für Wiesbaden könnte es der ersten Hochrechnung zufolge vielleicht noch gerade so reichen – aber auch hier ist das Ergebnis nach 7,5 Prozent bei der letzten Wahl eine schallende Ohrfeige. Parteichef Christian Lindner steht nun vor einem Scherbenhaufen und die Frage ist, welchen Klebstoff er benutzen will, um daraus wieder ein stabiles Gebilde zu machen.

Das Jahr 2023 meinte es bisher ohnehin schon nicht gut mit der FDP. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen mussten die Liberalen Federn lassen und schafften es nur so gerade über die Fünf-Prozent-Hürde. In Berlin flogen sie ganz aus dem Abgeordnetenhaus. Während Lindner diese Ergebnisse noch irgendwie wegdiskutieren konnte, hat sich das Blatt nun gedreht: Nach Hessen und Bayern ist klar, dass die Liberalen bei der Wählerschaft kaum noch punkten können.

FDP erzielt schlechtes Ergebnis in Bayern und Hessen: Lindner hatte Talfahrt befürchtet

Die Stimmung der Bundespartei hatte sich in den letzten Monaten dem Abwärtstrend angepasst. Als „nicht gut“ schätzten einige Spitzenliberale sie zuletzt ein, andere sprachen von „mies“. Dass die Nervosität bei der FDP noch größer ist als bei den anderen, ebenfalls gebeutelten Bundestagsparteien hat einen Grund: Vor zehn Jahren flog die FDP aus dem Bundestag, nachdem sie unter ihrem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle 2009 noch sagenhafte 14,6 Prozent eingefahren hatte. Sie kämpfte sich zurück, aber das Trauma wirkt noch immer nach.

Lindner hat als Reaktion auf die Talfahrt die Parole „Abgrenzung“ ausgegeben. Die FDP ging etwa beim Heizungsgesetz auf Konfrontationskurs zu den Koalitionspartnern. Gerade versucht sie, SPD und Grüne in der Asylpolitik aufzumischen. Man habe sich, klagt ein Spitzen-Liberaler, von der sachlichen Debatte weg- und zu einer Schlagzeilen-Politik hinbewegt. Die Forderung nach Prepaid-Bezahlkarten für Asylsuchende ist ein gutes Beispiel dafür: Die Idee mag gut gemeint sein, den vom Flüchtlingszuzug betroffenen Kommunen und den Menschen vor Ort hilft sie derzeit jedoch überhaupt nicht.

Gleichwohl gehen viele Verantwortliche in seiner Partei nicht davon aus, dass sich das Auftreten der FDP-Spitze ändern wird. In den Umfragen haben sich die Liberalen im Bund der unheilvollen Fünf-Prozent-Hürde angenähert. Altgediente überkommt das Gruseln, wenn sie tiefer in die Zahlen der Meinungsforschungsinstitute eindringen. Denn demnach fremdeln FDP-Anhänger deutlich stärker mit der Ampel als die Fans von Grünen und Sozialdemokraten.

Schon vor dem schlechten Abschneiden hat es an der FDP-Basis gebrodelt

Wer diesen Zustand zu Ende denkt, landet beim Wort Koalitionsbruch. Doch Lindner und seine Leute wissen, dass es nur noch schlimmer käme, wenn die FDP nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen würde. Fielen die Ministerposten weg, würden die Möglichkeiten deutlich schrumpfen, sichtbar Politik zu gestalten.

Christian Lindner wird stattdessen weiter versuchen, seine Partei sichtbarer zu machen – und bekommt es dabei mit zwei Problemen zu tun. Erstens muss er aufpassen, dass er den Bogen nicht überdehnt und es SPD und Grünen so geht wie der früheren Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die einmal stöhnte: "Gott hat die FDP vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen." Zweitens ist mit Gegenwind aus den unteren Parteigliederungen zu rechnen. Dort, das wurde beim letzten Parteitag im April bereits deutlich, brodelt es, weil die Ansagen der Parteiführung sich nicht in Stimmen auszahlen.

Lindners Ausweg könnte eine neue Strategie sein. Die Koalition stellt er nicht infrage, will aber gleichzeitig keine Aussage für künftige Bündnisse treffen. Der FDP-Vorsitzende hält sich damit den Weg für eine Deutschlandkoalition offen. Ein Bündnis aus CDU/CSU, SPD und FDP könnte eine Antwort auf das Schwächeln der Volksparteien sein, die wohl in Zukunft nicht mehr ohne einen dritten Partner auskommen können. Was übrigens auch mit dem Erstarken der AfD zu tun hat.

Zurzeit fehlt allerdings noch die Fantasie, dass Schwarz-Rot-Gelb gutgehen könnte. Zu verschieden sind die Parteien in ihren politischen Ansichten. Und dann sind da auch noch die Grünen, die als Koalitionspartner zur Verfügung stehen. Die scheinen mit der SPD eher politisch kompatibel als die FDP, und mit der Union hätte es fast schon mal eine Bundesregierung gegeben.

 
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