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München
Und schon fliegen die Fetzen zwischen Söder und Aiwanger
Der Chef der Freien Wähler fordert die CSU auf, „nicht ewig Wunden zu lecken“. Der CSU-Chef zeigt erst wenig Lust auf einen offenen Schlagabtausch, keilt dann aber giftig zurück.
Kombo.jpeg       -  Zwischen dem CSU-Chef Markus Söder und dem Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, fliegen schon einen Tag nach der Landtagswahl die Fetzen.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Zwischen dem CSU-Chef Markus Söder und dem Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, fliegen schon einen Tag nach der Landtagswahl die Fetzen.
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:18 Uhr

Die „Bayern-Koalition“ aus CSU und Freien Wählern soll Geschichte sein. Das zweite schwarz-orange Regierungsbündnis im Freistaat soll eine Große Koalition werden, eine „Bayern-Groko“. So zumindest sieht es nach dem Wahlerfolg seiner Partei der Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag, Florian Streibl. Man wolle, so formuliert er mit breiter Brust, „auf Augenhöhe, mit gesundem Selbstbewusstsein“ in die Koalitionsverhandlungen mit der CSU gehen. 

Sachgespräche, aber sofort, fordert Hubert Aiwanger

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger stößt ins selbe Horn. Der Chef der Freien Wähler verkündet den einstimmigen Beschluss des Landesvorstands, „dass wir unverzüglich Koalitionsverhandlungen mit der CSU aufnehmen wollen“, und sagt: „Wir appellieren also an die CSU, sehr schnell jetzt gesprächsbereit zu sein, keine größeren Personal- oder sonstigen Strukturdebatten zu führen, nicht ewig Wunden zu lecken, sondern ab sofort in Sachgespräche einzutreten.“ Der Unmut in der CSU über sein Verhalten im Wahlkampf und in der Flugblatt-Affäre juckt ihn nicht. „Ich würde der CSU empfehlen“, so sagt Aiwanger auf Nachfragen, „jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten.“

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Und Susann Enders, die Generalsekretärin der Freien Wähler, bringt sich nebenbei gleich einmal für das Amt der Gesundheitsministerin ins Gespräch. Sie fordert eine eigene bayerische Krankenhausplanung und sagt: „Diese Planungen müssen wir jetzt endlich in bayerische Hände nehmen. Das lassen wir uns nicht vom Bund vorschreiben.“ 

Es sind Kampfansagen, die die Freien Wähler an diesem Montag nach der Landtagswahl bei ihrer Pressekonferenz im Nobelhotel „Sofitel“ in München formulieren. Die Adressaten dieser selbstbewussten Botschaften sind, na klar, die CSU und ihr Chef, Ministerpräsident Markus Söder. 

Söder: Bitte, keine Selbstüberschätzung betreiben

Söder tritt – wie üblich in der CSU-Landesleitung – zwei Stunden später vor die Presse. Er zeigt zunächst erkennbar wenig Lust, sich gleich am Tag nach der Wahl auf einen offenen Schlagabtausch mit seinem einzigen Wunschkoalitionspartner einzulassen. Söder kündigt zwar an, in Zukunft kritischer mit den Freien umzugehen. Doch er bekennt sich erneut zur Fortsetzung der Koalition und sagt nur: „Aber Achtung, seriös. Ich rate allen, auf dem Teppich zu bleiben, keine Selbstüberschätzung zu betreiben, sondern schon vernünftig zu sein und die Größenverhältnisse zu realisieren.“ Als ihm dann der Aiwanger-Satz mit dem mädchenhaften Auftreten vorgehalten wird, kontert er allerdings nicht weniger giftig. „Ich rate umgekehrt, nicht pubertär zu agieren. Als Landesvater hat man auch eine Integrationsleistung gegenüber denen zu leisten, die sich schwer tun, sich selbst zu integrieren“, sagt Söder. 

Dass der Haussegen zwischen den Koalitionspartnern schon vor Beginn der Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung einigermaßen schief hängt, wird aus weiteren Bemerkungen Söders deutlich. Bisher, so sagt er, seien die Freien nicht rechts von der CSU zu verorten gewesen. Seit der Anti-Heizungsgesetz-Demonstration in Erding, bei der Aiwanger gefordert hatte, dass die Leute sich die „Demokratie zurückholen“ müssten, allerdings hätten sich die Freien Wähler „Stück für Stück“ verändert. „Somit ändert sich auch die Zusammenarbeit“, sagt Söder. Dementsprechend wolle er zu Beginn der Verhandlungen erst einmal über „Grundsatzfragen“ reden. Söder spricht es nicht offen aus, aber es ist klar, was er meint: Er will wissen, ob Aiwanger seinen Rechtskurs beibehalten will.

Bereits am Wahlabend waren, wie berichtet, entsprechende Forderungen laut geworden, ebenso am Morgen nach der Wahl. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: „Es braucht einen Wettbewerb mit den Freien Wählern, es braucht eine gesunde Konkurrenzsituation.“ Das heißt, dass man einen Wettbewerb auch annehmen muss, dass man den auch sportlich begleiten muss. Das kann man sicher für die Zukunft auch erwarten, dass das stärker der Fall ist. Da muss die Sportlichkeit und der sportliche Wettbewerb mehr in den Vordergrund kommen.“ Die Freien Wähler seien in erster Linie Wettbewerber. „Und ich rate der CSU dringend, diesen Wettbewerb auch stärker anzunehmen, stärker zu führen.“ Ähnlich äußerte sich auch der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel. Er sieht die „Schonzeit“ für die Freien abgelaufen. Man könne es sich auf Dauer nicht gefallen lassen, dass jemand „im Jagdgebiet der CSU wildert“.

Die CSU blickt bereits auf die Europawahl

Die Sorge, die in mehreren ähnlichen Äußerungen zum Ausdruck kommt, ist wohl begründet. Bereits kommendes Jahr steht die Europawahl an und da hat die CSU sich zuletzt schweres Gepäck aufgeladen. Mit der Spitzenkandidatur des CSU-Europapolitikers Manfred Weber für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten war es der CSU bei der vergangenen Europawahl gelungen, mehr Wähler als sonst zu mobilisieren. Es war die einzige Wahl unter der Regie Söders als CSU-Chef, bei der die Partei zulegen konnte. Doch dann machte der französische Staatspräsident Emanuel Macron den Konservativen im Europaparlament einen Strich durch die Rechnung. Nicht der Wahlsieger Weber wurde Präsident, sondern die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen. Weil es als unwahrscheinlich gilt, dass die CSU ihre Wähler noch einmal in ähnlicher Weise mobilisieren könnte, sind Stimmenverluste bereits jetzt eingepreist. Nach dem Auftreten Aiwangers in diesem Landtagswahlkampf besteht nun in der CSU die zusätzliche Befürchtung, dass er mit einem Anti-Brüssel-Wahlkampf der Partei weitere Wähler abjagt.

Söder gibt sich zwar zuversichtlich. Er sagt, die Freien Wähler hätten „in internationalen Fragen keinen Anspruch und kein Profil“. Doch in der Partei wachsen die Zweifel, ob Aiwanger bei der Europawahl nicht vielleicht doch mehr Erfolg haben könnte, als der CSU lieb sein kann. Und was für die Europawahl gilt, das gilt auch für die Bundestagswahl in zwei Jahren. Söder wählt dieselbe Formulierung „keinen Anspruch und kein Profil“. Doch alle im CSU-Vorstand wissen, dass Aiwanger mit seiner Partei unbedingt in den Bundestag will, und dass, wenn ihm das gelänge, es mit dem CSU-Alleinvertretungsanspruch für Bayern wohl endgültig vorbei wäre. Der Freie-Wähler-Chef wiederum macht aus seinen bundespolitischen Ambitionen keinen Hehl: „Wir werden deutschlandweit zeigen, dass wir Bund können.“ Eine verlässliche Politik, wie die Freien sie machten, sei „dringend nötig auch in Berlin“. 

Der Streit um ein mögliches viertes Ministerium für die Freien Wähler in der neuen Staatsregierung mutet da fast schon als Nebensache an. Doch auch dieser Streit wird bereits geführt. Schon vor der Wahl hatte Aiwanger Interesse am Landwirtschaftsministerium bekundet. Söder hatte auf dem CSU-Parteitag gekontert, dass Michaela Kaniber (CSU) auf jeden Fall Landwirtschaftsministerin bleibe.

Am ersten Tag nach der Wahl setzt sich dieser Streit nahtlos fort. Das Ergebnis als zweitstärkste Kraft im bayerischen Landtag müsse sich auch in der Regierungsbildung widerspiegeln, sagt FW-Fraktionschef am Montagmorgen im Bayerischen Rundfunk. Daher würden die Freien Wähler auch ein weiteres Ministerium fordern. „Wir zielen schon auf ein großes Ministerium“, betont Streibl und setzt gleich noch einen drauf: „Jetzt könnte ich sagen: Wir nehmen auch das Finanzministerium oder das Innenministerium. Aber darüber werden wir dann mit unserem Koalitionspartner reden und wir werden da sicher eine gute Lösung finden.“ Heftiger Widerspruch aus der CSU lässt nicht lange auf sich warten. Die Absage kommt von CSU-Generalsekretär Martin Huber: „Das Ergebnis gibt nicht den Anspruch her, seitens der Freien Wähler ein weiteres Ministerium zu fordern.“

Streit um weiteres Ministeramt für die Freien Wähler

Im Fernduell zwischen Aiwanger und Söder am Montagmittag setzt sich das fort. „Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, glaube ich, dass jeder sich ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen“, sagt Aiwanger. „Das kann jeder Grundschüler ausrechnen, wer wie viel bekommt.“ Seine Partei sei der Wahlsieger dieser Landtagswahl in der Bayern-Koalition. Söder dagegen verweist darauf, dass die Freien schon bei der Bildung der ersten Koalition mit der CSU mehr Kabinettsposten bekommen hätten, als ihnen rechnerisch zustünden. 

Unüberwindlich aber dürften diese Gegensätze nicht sein. In der ersten gemeinsamen Regierung stellten die Freien Wähler drei Minister und zwei Staatssekretäre, die CSU den Ministerpräsidenten, elf Minister und einen Staatssekretär. Eine Kompromisslinie könnte sein, den Freien ein Ministerium mehr, aber einen Staatssekretär weniger zu geben.

Weitaus schwerer allerdings wiegen offenkundig atmosphärische Fragen. Das persönliche Verhältnis zwischen Aiwanger und Söder war nie besonders gut. Sie verstanden ihrer Partnerschaft von Anfang an als Zweckgemeinschaft. Seit der Demo in Erding, wo Aiwanger gefeiert und Söder ausgepfiffen wurde, gilt das Verhältnis als gestört. Und die Affäre um das antisemitische Flugblatt in Aiwangers Schultasche sorgte für weitere Vertrauensverluste zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter und Wirtschaftsminister. 

Kurioserweise bringt das in erster Linie Söder in Bedrängnis. Ex-CSU-Chef Erwin Huber gibt Söder eine Mitschuld an der Situation. „Ich glaube, dass es strategisch ein Fehler war, einen Koalitionswahlkampf zu führen“, sagt Huber am Montag im Deutschlandfunk. Aiwanger habe die Zusage der CSU für eine Fortsetzung der Koalition „schamlos ausgenutzt, die Beinfreiheit genutzt für Populismus und Propaganda“. Dies sei zulasten der CSU gegangen. Es könne nicht so weitergehen, dass die einen in der Regierung arbeiten und die anderen Propaganda machen. 

Manfred Weber: "Wir müssen die Samthandschuhe ablegen"

Auch CSU-Vize Manfred Weber plädiert für eine härtere Auseinandersetzung seiner Partei mit den Freien Wählern. „Für die CSU war es immer ein Grundpfeiler, dass rechts neben uns keine demokratisch legitimierte Partei stehen soll. Das ist mit den Freien Wählern heute der Fall“, sagt Weber vor Beginn der Sitzung des CSU-Vorstands. „Deswegen müssen wir die Samthandschuhe ablegen“, betont Weber und erneuert seine Forderung nach einer stärkeren Abgrenzung von den Freien. 

Aiwanger hat dazu wiederum seine ganz eigene Meinung. „Da wünsche ich viel Spaß dabei. Eine Abgrenzung von uns würde bedeuten, dem gesunden Menschenverstand ade zu sagen.“ Die CSU solle sich, so wie die Freien, lieber um mehr Bürgernähe kümmern.

 
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