
In Bayern ist die Sache beinahe schon klar: CSU, die Grünen, Freie Wähler, AfD und SPD dürften sich bei der Landtagswahl voraussichtlich die meisten Wählerstimmen teilen. Insgesamt stehen am 8. Oktober aber 15 Parteien zur Wahl, von denen etliche nicht ins Parlament einziehen werden. Was treibt Kleinparteien trotz geringer Chancen an? Und sind Stimmen für Kleinparteien zugleich verlorene Stimmen? Wir klären die wichtigen Fragen.
Bei welchen Wahlen haben kleine Parteien die besten Chancen?
Auf kommunaler Ebene oder bei Europawahlen haben kleine Parteien bessere Chancen, denn: Es gibt keine Fünf-Prozent-Hürde. "Dieser Umstand trägt dazu bei, dass Wählerinnen und Wähler auch bei Landes- und Bundeswahlen häufiger als früher Parteien wählen, die bislang nicht in den Parlamenten vertreten sind", sagt Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Sie beobachtet, dass die Parteibindung geringer geworden ist und die Bereitschaft, etwas auszuprobieren, größer. So hätten auch kleine Parteien immer wieder Zulauf. "Und das, obwohl die meisten wissen, dass die Stimme dann vermutlich verloren geht", sagt Münch. Verloren im Sinne von keiner direkten Auswirkung auf die Regierungsparteien.
Die einzelnen Kleinparteien hoffen aber auch auf die Bezirkstagswahlen, in denen sie nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommen müssen. Zudem wirken sich die Stimmen auf die Parteifinanzierung aus: Je mehr Stimmen, desto mehr Gelder stehen ihnen zur Verfügung.
Welche Chancen haben diese Kleinparteien bei der Landtagswahl 2023 in Bayern?
"Eigentlich keine", sagt Münch. Sogar die Linke scheitert in Bayern an der Fünf-Prozent-Hürde. Es sei denn, es gäbe große Veränderungen im Wahlverhalten, schätzt die Wissenschaftlerin. Zumindest in Bezug auf etablierte Parteien. Grüne und AfD hätten in ihren Anfängen eine Nische gefunden und Themen besetzt, die auf Bundesebene noch nicht besetzt waren. Dadurch bekamen sie hohe Aufmerksamkeit und konnten sich etablieren. Eine Partei, die seit Jahren existiert, könne das nicht plötzlich schaffen.
Warum machen sie trotz geringer Chancen Wahlkampf?
Für die paneuropäische Partei Volt hat das nach Einschätzung von Ursula Münch viel mit der Bekanntheit zu tun und den Vorbereitungen auf die Europawahl, dort habe die Partei bessere Chancen. In diese Richtung blickt auch die Tierschutzpartei: "Eine Vervierfachung der Mandate würde uns sicher einen großen Motivationsschub für den bevorstehenden EU-Wahlkampf geben." Die Partei der Humanisten setzt darauf: "Bekanntheit erhöhen, Mitglieder gewinnen und (Wahlkampf-)Erfahrung sammeln." Einige der Parteien wollen die 1,25-Prozent-Hürde überspringen, damit sie im nächsten Wahlkampf keine Unterstützungsunterschriften mehr sammeln müssen. "Unsere Motivation ist natürlich unser Programm", sagt die Bayernpartei. Die Basis sieht die Motivation in ihrem Idealismus: "Wir möchten ganz nach Gandhi selbst die Veränderung sein, die wir uns für die Welt wünschen."
Live-Ticker zur Landtagswahl 2023 in Bayern
Was spricht dafür oder dagegen, eine Kleinpartei zu wählen?
"Es fällt mit Blick auf die Gefahr der Zersplitterung von Parlamenten schwer, dafür zu argumentieren", sagt Münch. Man setze allerdings ein Zeichen, welche Themen bei etablierten Parteien fehlen. "Und es ist allemal besser, als nicht zu wählen", betont die Politikexpertin. "Auch wer eine Kleinpartei wählt, trägt normalerweise zur Legitimation unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung bei." Allerdings sei ein Parlament durch mehr Parteien und mehr Fraktionen nicht arbeitsfähiger. Die Wahl einer Kleinpartei könne auch eine Protestwahl sein, sagt Münch: "Man will den Unmut über die Regierungsparteien kundtun, aber trotzdem wählen. Dabei aber keine extremistische Partei."
Haben Kleinparteien also keinen Einfluss auf die Demokratie?
Obwohl kleine Parteien keine parlamentarische Rolle spielen, gebe es immer wieder erfolgreiche Parteigründungen. Kleinparteien seien laut Münch also nicht irrelevant. Zudem veränderten sie in Teilen das Programm der etablierten Parteien: "Für Regierungs- und Oppositionsparteien schmerzt es, wenn sie ihre Wählerschaft nicht erreichen können." Sie prägen zudem den öffentlichen Diskurs, wie das Beispiel der ÖDP zeigt: "Sie war noch nie bei Wahlen erfolgreich, hat aber durch das Thema Volksbegehren in Bayern immer wieder sowohl den Freistaat als auch die öffentlichen Debatten geprägt", sagt Münch.
Hier die Antworten der Kleinparteien in alphabetischer Reihenfolge: