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München
Holocaust-Gedenken im Landtag: Ein Zeitzeuge stärkt Aigner den Rücken
Beim Gedenkakt für die Opfer des NS-Regimes stellt sich Abba Naor an die Seite der Landtagspräsidentin, nachdem sie mit der AfD hart ins Gericht gegangen war.
Gedenkakt des bayerischen Landtags.jpeg       -  Der 95 Jahre alte Abba Naor ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden, der als Zeitzeuge noch von den Nazi–Gräueln erzählen kann.
Foto: Peter Kneffel, dpa | Der 95 Jahre alte Abba Naor ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden, der als Zeitzeuge noch von den Nazi–Gräueln erzählen kann.
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:20 Uhr

Politik kann auch eine Herzensangelegenheit sein. Für den 95 Jahre alten Abba Naor – einen der letzten Holocaust-Überlebenden, die als Zeitzeugen der Nazi–Gräuel in Deutschland zur Verfügung stehen – galt das am Mittwochvormittag im Landtag gleich in zweifacher Weise. Er dankte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) für ihre Rede mit einem außergewöhnlichen Kompliment. Sie wisse, sagte Naor im voll besetzten Plenarsaal, "welch großen Platz Sie in meinem alten Herzen einnehmen".

Aigner: "Wer Teil unseres Landes sein will, muss Teil unserer Erinnerungskultur sein"

Und dann legte der alte Herr, der für die Holocaust-Gedenkveranstaltung aus Israel nach München gekommen war, dem Auditorium auch noch seine Zukunftspläne offen: "Mein Kardiologe in Israel hat mir kürzlich bei einer Routine-Untersuchung erklärt, er werde mir zu meinem 100. Geburtstag einen neuen Herzschrittmacher geben. Das lasse ich mir nicht entgehen." So freundlich dieser Austausch war, so ernsthaft ging es vorher in der Rede Aigners zur Sache. Sie erinnerte an die Millionen Opfer des Nazi-Regimes, verurteilte den mörderischen Überfall der Hamas auf Israel und stellte klar: "Wer Teil unseres Landes sein will, muss Teil unserer Erinnerungskultur sein, unseres Kampfes gegen jeden Antisemitismus und unseres Bekenntnisses zu Israel."

Bis zu diesem Moment konnten auch die Abgeordneten der AfD noch applaudieren. Damit war es dann schnell vorbei. Aigner kritisierte das Geheimtreffen in Potsdam, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen hatten. "Wenn radikale Kräfte Pläne zur Deportation ganzer Bevölkerungsgruppen schmieden, wird Geschichte zu Schablone", sagte sie und ging auf jenen Vorgang ein, der an diesem Plenartag ein weiteres Nachspiel haben sollte – den nicht vollendeten Versuch von AfD-Fraktionsvize Martin Böhm, vergangenes Jahr im Landtag die Verhaftung des jungen AfD-Abgeordneten Daniel Halemba zu inszenieren, gegen den die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. 

Martin Böhm und seine Parteifreunde von der AfD nehmen Aigners Worte demonstrativ ungerührt zur Kenntnis

Böhm und weitere 13 AfD-Abgeordnete saßen im Saal, als Aigner sagte: "Sie hätten gerne die Festnahme Ihres Kollegen hier im Haus provoziert, vermutlich wegen der Bilder und wegen der Empörung und des Hasses, den Sie dann hätten säen können auf Ihren Kanälen in den sozialen Netzwerken." Und weiter: "Nachdem Ihr Kollege jüngst an dieser Stelle bereits von 'Ermächtigungsgesetz' schwadroniert hat, treiben Sie damit die Täter-Opfer-Umkehr auf die Spitze. Sie wagen die Parallele zu denen, die in der NS-Zeit weggesperrt, gefoltert und ermordet wurden. Sie stellen sich mit ihnen auf eine Stufe." Das sei "ungeheuerlich".

Böhm und seine Parteifreunde nahmen Aigners Worte demonstrativ ungerührt zur Kenntnis. Die Mitglieder der anderen Fraktionen und die übrigen Gäste der Gedenkveranstaltung quittierten Aigners Aussagen mit lang anhaltendem Applaus. 

Nicht einig waren sich CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD am Nachmittag, als es in der regulären Plenarsitzung um die Wahl von 15 ehrenamtlichen Richtern beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ging. Für die Wahl, die eigentlich eine Formalie ist, hatten alle Fraktionen das Recht, Kandidaten zu benennen. Abgestimmt werden musste im Block. Nach längeren Diskussionen stimmten CSU und Freie Wähler für die Liste, auf der auch zwei AfD-Kandidaten plus zwei Stellvertreter stehen – trotz einiger Bedenken letztlich aus rechtlichen Erwägungen. Die AfD stimmte ebenfalls dafür. Grüne und SPD dagegen votierten anders als vor fünf Jahren mit Nein. Sie machten geltend "keine Verfassungsfeinde im Verfassungsgericht" zu wollen.

Scharfe Kritik im bayerischen Landtag an der AfD

Am Abend dann ging es noch einmal heftig zur Sache, als CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD per Dringlichkeitsantrag eine Entschließung zur Abstimmung stellten, in der die AfD wegen der Causa Böhm/Halemba scharf kritisiert wurde. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek nannte den Versuch "schäbig" und forderte Böhm auf, sich bei Aigner "hier und jetzt" zu entschuldigen. Dieser antwortete mit einem knappen "Nö". In einer Erklärung vertrat Böhm die Auffassung, dass eine Verhaftung Halembas im Landtag "ein bezeichnendes Licht auf die immer wahrscheinlichere Beeinflussung der bayerischen Justiz durch die Kartellparteien geworfen" hätte. Sein Kollege Graupner sprach von einer "Anti-Rechts-Hysterie" und warf den anderen Parteien in der Debatte vor: "Es ist skandalös, wie viel Niedertracht und Skrupellosigkeit sie hier an den Tag legen."

Landtagsvizepräsident Alexander Hold (Freie Wähler) warf der AfD im Gegenzug vor, sie verachte Freiheit und Demokratie. Am Vormittag, so Holds Resümee, habe man einen Mann zu Gast gehabt, der die Deportation erlebt und dessen Mutter und Brüder durch die Nazis getötet wurden, und am Abend müsse man sich mit Deportationsträumen einer Rechtsauslegerpartei beschäftigen.

Der Dringlichkeitsantrag wurde mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD schließlich verabschiedet. 

 
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