Der Fund eines kleinen Mädchens auf der Damentoilette eines Krankenhauses im Landkreis Neu-Ulm vor genau 20 Jahren brachte eines der schlimmsten Verbrechen in der Region zutage. Zunächst wusste niemand, wer die kahl geschorene Dreijährige war, deren Körper von Verletzungen übersät war. Zwei Tage später starb das Mädchen in der Kinderklinik in Memmingen. Nachdem die kleine Karolina identifiziert war, dauerte es nicht mehr lange, bis der Mann, der sie regelrecht zu Tode gefoltert hatte, und ihre Mutter, die ihn dabei unterstützt hatte, von der Polizei festgenommen wurden. Kommissar Zufall und viel Glück hätten dabei geholfen, sagt die Frau, die damals im Alter von 33 Jahren die Ermittlungen leitete.
Annemarie Manlig, Kriminalhauptkommissarin bei der Kripo Neu-Ulm, hat noch zwei Aktenordner in ihrem Büro stehen mit Unterlagen zu ihrem bislang spektakulärsten Fall. Sie hofft, dass so etwas in ihrer Karriere nicht noch einmal kommt. Unabhängig voneinander begleitete sie die Mutter von Karolina, die Polin Zaneta C., und deren damaligen türkischen Lebensgefährten Mehmet A. auf dem Weg von Süditalien nach Bayern. Das Paar hatte das nach einer Gewaltorgie bewusstlos geprügelte Mädchen am 5. Januar 2004 in eine Tasche gepackt und sich unter einem Vorwand zur Stiftungsklinik nach Weißenhorn fahren lassen. Dort legten sie die Tasche in einer Toilette ab und flüchteten.
Die italienischen Polizisten wussten zunächst nicht, mit wem sie es zu tun hatten
A., ein drogenabhängiger Gewohnheitsverbrecher, und C., die als Prostituierte und Tabledancerin tätig war, kamen bis in die italienische Hafenstadt Brindisi. Von dort wollten der 31- und die 24-Jährige mit der Fähre in die Türkei weiterreisen. Doch dann kam es zu einem Konflikt zwischen den beiden in einer Pension: "Er hatte ein Messer dabei und sie bedroht", erzählt Manlig. "Sie hat das dem Wirt gesagt und ihn gebeten, die Polizei zu rufen." Zunächst wussten die italienischen Beamten aber nicht, mit wem sie es zu tun hatten. "Man wollte sie nach der Anzeigenaufnahme wieder entlassen", berichtet Manlig. Doch eine Polizistin habe die beiden noch einmal befragen wollen. "In der Zwischenzeit lag der internationale Haftbefehl vor."
Die Ermittlungsgruppe der damaligen Kripo Krumbach hatte unterdessen ein retuschiertes Foto des Mädchens veröffentlicht. Über die daraufhin eingegangenen Hinweise kam die Polizei auf die Spur des Paares. Manlig ist Karolinas Mörder nur einmal persönlich begegnet: Sie nahm ihn am Flughafen in Brindisi in Empfang und flog mit ihm nach München. Übertrieben freundlich sei er gewesen, erzählt sie. Er habe sogar versucht, im Flugzeug mit der Stewardess zu flirten und mit der Polizistin über Belangloses zu plaudern.
Mit Karolinas Mutter flog Manlig von Bari nach München. Und sie vernahm die Frau mehrfach. "Sie hat viel geweint", berichtet Manlig. "Sie hat immer versucht, sich selbst als Opfer darzustellen." Doch es stellte sich heraus, dass sie ihren Partner bei seinen schlimmen Taten noch unterstützte.
Nach dem ersten Urteil war die öffentliche Empörung groß
Die Obduktion des toten Mädchens hatte ergeben, dass ein heftiger Faustschlag ins Gesicht eine Gehirnblutung ausgelöst hatte. Tagelang hatte Mehmet A. die Dreijährige gequält: Er schlug sie unter anderem gegen Möbel und Wände, duschte sie mit kochend heißem Wasser ab, stellte sie bei Eiseskälte auf die Terrasse des Wohnhauses und fügte ihr Verbrennungen mit Zigaretten und flüssigem Plastik zu. Von den schrecklichen Ereignissen in dem Haus im ländlich gelegenen Weißenhorner Stadtteil Biberachzell bekamen der Vermieter und die Nachbarschaft nichts mit.
In einem ersten Urteil am Landgericht Memmingen kamen Mehmet A. und Zaneta C. im Jahr 2005 mit einem überraschend milden Urteil davon. Sie wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung einer Schutzbefohlenen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Strafmildernd wirkte sich bei A. ein psychologisches Gutachten aus, das ihm eine schwere Persönlichkeitsstörung bescheinigte. Die öffentliche Empörung war groß, es kam zur Revision. Das Landgericht München II verurteilte Mehmet A. und Zaneta C. 2006 schließlich wegen Mordes in Tateinheit mit Misshandlung einer Schutzbefohlenen zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Bei ihm stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest.
Hinter Gittern rastete A. oft aus, was ihm zusätzliche Haftstrafen einbrachte. "Ob und wann er entlassen werden wird, ist derzeit nicht absehbar", teilt Andrea Grape, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München II, mit. Auch C., die in einem anderen Gefängnis ihre Strafe verbüßt, wird entgegen anderslautenden Gerüchten noch länger in Haft bleiben. Bei ihr ist Grape zufolge ebenfalls nicht absehbar, ob und wann sie entlassen wird.