
„Morgendliche Übelkeit, da habe ich es zuerst gemerkt, aber noch auf eine Kopfverletzung geschoben“, so beschreibt Kathrin Huber (Name von der Redaktion geändert) aus dem Landkreis Landsberg ihre Erfahrung, als sie mit 20 ungewollt schwanger wurde. Sie wollte noch nie Kinder, beschreibt sie heute nach ein paar Jahren die Situation. Sie habe mit ihrem festen Freund immer verhütet. Aber keine Verhütungsmethode verspricht 100-prozentigen Schutz, und der Zufall der Ausnahme traf Kathrin.
Ihre Frauenärztin in Landsberg wollte ihr ein schlechtes Gewissen machen
2023 wurden knapp 700.000 Geburten registriert. Laut dem Statistischen Bundesamt wurden im selben Jahr rund 106.000 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland durchgeführt. In einem ersten Artikel zum Thema Schwangerschaftsabbruch berichteten zwei Beraterinnen in Landsberg von den Gründen, die Frauen haben, wenn sie sich für eine Abtreibung entscheiden. Zwei Frauen aus dem Landkreis haben sich daraufhin bei der Redaktion gemeldet, um ihre individuellen Erfahrungen mit einer ungeplanten Schwangerschaft, dem Abbruch und dem Umgang mit dem Thema in ihrem Umfeld zu teilen.
Kathrin Huber arbeitete damals im Gastronomiebereich. „Dass ich geruchsempfindlich wurde, war dann wirklich schwierig für meinen Alltag.“ Sie ging zur Frauenärztin, um sich die Schwangerschaft bestätigen zu lassen und dann zum Beratungsgespräch zu gehen. „Die Ärztin hat versucht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden, hat gesagt, dass andere Kinder unter viel schlimmeren Umständen groß werden.“ Im Beratungsgespräch des Gesundheitsamtes sei die Beraterin neutral geblieben und habe nicht versucht, mit Kathrin zu argumentieren. Ihr Freund sei von Anfang an unterstützend gewesen: „Er hat gesagt, egal, wie du dich entscheidest, ich bin für dich da.“
Zum Abbruch sei sie nach München gefahren, in eine der Tageskliniken. „Ich empfinde es als Katastrophal, dass es nichts im näheren Umfeld gibt.“ Ihre Eltern wissen es bis heute nicht, auch auf der Arbeit habe sie es nie jemandem gesagt. „Ich komme aus einem sehr konservativen Umfeld.“ Es sei furchtbar, wie verrufen ein Schwangerschaftsabbruch ist immer noch sei. Ihrer Meinung nach fehle es an Aufklärung, stattdessen werde Frauen gesagt: „Wenn es da ist, dann ist es anders. Das Wohl des ungeborenen Lebens wird über das der Mutter gestellt.“ Diejenigen, die ihre Schwangerschaft abbrechen, schweigen. Dabei kenne Kathrin, die mittlerweile Mitte zwanzig ist, eine Handvoll Frauen, die ebenfalls eine Abtreibung durchgemacht hatten. „Ich bereue es nicht. Für mich war es befreiend. Ich würde gerne anderen Frauen die Angst nehmen.“
Zu oft werde es Schwangeren noch sehr schwer gemacht und man würde ihnen die Entscheidung nicht zutrauen oder gesagt, es sei der „einfache Ausweg“.
„Ich wollte schon immer Kinder, aber in der Situation wäre ich dran kaputtgegangen“
Petra Müller (Name von der Redaktion geändert) war ebenfalls Anfang 20, als sie bemerkte, dass sie schwanger ist – es sind die 90er Jahre. „Ich habe damals gewissenhaft verhütet und regelmäßig die Pille genommen. Als ich meinem damaligen Freund an einem Abend sagte, dass das Antibiotikum, das ich zu einem Zeitpunkt nahm, die Wirkung der Pille aussetzen könnte, sagte er, da passiert schon nichts. Ich war naiv.“
Eigentlich wollte sie immer Kinder, eine Familie. Doch die Beziehung, in der sie sich damals befand, war toxisch.
„Es war klar, dass wir keine Zukunft zusammen haben.“ Zeitweise hatte sich Petra noch selbst eingeredet, dass das Kind vielleicht die Beziehung rette. „Mein Bauchgefühl sage mir aber sehr deutlich, dass das nur Wunschdenken war.“ Eine ältere Bekannte mit viel Lebenserfahrung sei es schließlich gewesen, die ihr klarmachte, dass es vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt sei.
Nach einem Beratungsgespräch, bei dem sie ihren damaligen Freund auch mitnahm, entschied sich Petra für den Abbruch – zu dem Zeitpunkt war sie in der siebten Woche schwanger. „Ich war selbst labil. Mit einem Kind von diesem Mann wäre die seelische Belastung so groß gewesen, daran wäre ich kaputtgegangen.“ Sie fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen. „Darunter hätte das Kind gelitten.“ Mit der Entscheidung ging dann alles ganz schnell. „Ich war nur erleichtert, ich bereue es nicht“, sagt Petra auch heute noch.
Nach der Abtreibung: „Oft wird gesagt: Irgendwie hättest du das schon geschafft“
Den Wunsch, Kinder zu bekommen, gab sie auf, bis sie Jahre später ihren jetzigen Ehemann traf. Als sie das zweite Mal in ihrem Leben feststellte, dass sie schwanger war, freute sie sich. „Ich war aufgeräumt, konnte das Kind mit Liebe großziehen. Ich habe nicht gezweifelt.“ Es sei die allerschönste Zeit gewesen, ihre Tochter aufwachsen zu sehen und liebevoll zu begleiten. Die Tochter ist mittlerweile im Teenageralter und weiß von dem Schwangerschaftsabbruch ihrer Mutter. Mit dem Thema geht Petra relativ offen um, sie bemerke dennoch, dass viele Frauen oft sagen „Irgendwie hättest du das schon geschafft.“ „Irgendwie“ sollte aus ihrer Sicht aber kein Kind aufwachsen. „Jedes Kind hat das Recht, in einem stabilen, liebevollen Umfeld aufzuwachsen. Das hätte ich damals nicht bieten können.“