Vor dem Konferenzsaal im Landtag ist mal wieder alles voll. Kameras und Mikrofone sind aufgebaut, Journalisten drängen sich, die CSU-Abgeordneten bahnen sich ihren Weg in die erste Sitzung ihrer neu gewählten Fraktion. Auch Thomas Kreuzer kommt. Der 64-jährige Kemptener kennt diesen Weg seit 29 Jahren. Er war einfacher Abgeordneter und Parlamentarischer Geschäftsführer. Er leitete Untersuchungsausschüsse und führte Verhandlungen. Später war er Staatssekretär, Staatskanzleiminister und zehn Jahre lang Vorsitzender der CSU-Fraktion – und als solcher immer ein begehrter Gesprächspartner zu aktuellen politischen Fragen. Damit ist es an diesem Tag vorbei.
Kein Journalist hält ihn auf, kein Mitarbeiter will ihn schnell noch etwas fragen. Es ist Kreuzers letzter Auftritt vor der Fraktion. Die Abgeordneten verabschieden ihn mit lange anhaltendem Applaus. Das war’s für ihn mit der Landespolitik.
Thomas Kreuzer hört aus freien Stücken auf
„Irgendwann kommt’s – wenn nicht jetzt, dann später“, sagt Kreuzer tags darauf im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Entscheidung, schon jetzt, im Alter von 64 Jahren, sein Landtagsmandat aufzugeben, habe er „aus freien Stücken“ getroffen. Wer so ein Amt übernehme, sollte es auch eine ganze Legislaturperiode ausfüllen und nicht mittendrin wieder aussteigen, sagt Kreuzer. Das gebiete der Respekt vor den Wählerinnen und Wählern. Erst mit knapp 70 aufzuhören, wäre ihm zu spät gewesen.
Ein klein wenig Wehmut empfinde er zwar schon. „Aber“, so sagt er, „ich halte meine Entscheidung nach wie vor für richtig, vor allem weil es bei der Landtagswahl in meinem Stimmkreis allen Unkenrufen zum Trotz gut gelaufen ist.“ Sechsmal hintereinander hat er in Kempten für die CSU das Direktmandat geholt. Sein Nachfolger Joachim Konrad schaffte das auch. Die Übergabe hat funktioniert. „Ich bin mit mir im Reinen“, sagt Kreuzer.
Zum Ministerpräsidenten war der Jurist stets loyal
Das gilt auch für die Landespolitik, die er jetzt hinter sich lässt. In seiner Partei galt der Jurist Kreuzer als stramm konservativ, mit der Opposition im Landtag ging er oft hart ins Gericht. Als Fraktionschef der CSU agierte er vor allem als Organisator im Hintergrund und stets loyal zum Ministerpräsidenten – was nicht immer allen Abgeordneten gefiel.
Aber er blieb sich dabei treu. Über viele Jahre hinweg hat er – erst unter Ministerpräsident Horst Seehofer, dann unter dessen Nachfolger Markus Söder – einen strengeren Kurs in der Flüchtlingspolitik angemahnt, um eine Überforderung der Gesellschaft bei der Integration zu vermeiden. Nun soll es so kommen. Stets hat er sich parteiintern gegen eine Regierungskoalition der CSU mit den Grünen ausgesprochen. Die kommt jetzt nicht.
„Ich war immer schon der Auffassung, dass eine bürgerliche Koalition besser ist für unser Land“, sagt Kreuzer. „Es geht mir dabei gar nicht darum, die Grünen abzuwerten. Aber es ist nun einmal so, dass wir mit ihnen einfach zu wenig Gemeinsamkeiten in der Sache haben.“
Ein kompletter Abschied aus der Politik ist es nicht
Komplett ist Kreuzers Abschied aus der Politik nicht. Er bleibt weiterhin Mitglied des Stadtrats in Kempten, dem er schon seit 1984 angehört, und hat eine Reihe weiterer Ehrenämter. Neue Aufgaben im Ehrenamt will er vorerst nicht übernehmen. „Ich habe etliche Angebote erhalten – wenn ich alle angenommen hätte, dann hätte ich noch mehr zu tun gehabt als zuvor. Das kann ja auch nicht Sinn der Sache sein“, sagt er.
Stattdessen plant er, ein bisschen von dem Privatleben nachzuholen, das in den vergangenen Jahrzehnten häufig zu kurz gekommen ist. „Ich will jetzt öfter mal wieder auf die Jagd und zum Fischen gehen, im Sommer mehr Golf spielen und im Winter Skilaufen.“ Außerdem plane er Reisen in jene Ecken der Welt, von denen er bisher zu wenig gesehen habe – Südamerika, Australien, Neuseeland.