Künftig dürfen in Bayern potenzielle „Gefährder“ auch ohne Verurteilung oder konkreten Tatverdacht deutlich länger in sogenannten Präventivgewahrsam genommen werden.
Eine Gesetzesänderung, die der Landtag nun mit der Stimmenmehrheit der CSU verabschiedet hat, sieht nach einer richterlichen Anordnung eine Höchstdauer von zunächst drei Monaten vor. Eine Verlängerung um jeweils weitere drei Monate ist möglich. Bislang galten maximal zwei Wochen.
Die „drohende Gefahr“ dürfe erst gar nicht entstehen
„Für Gefährder muss gelten: Wegsperren vor Überwachen“, erklärte der CSU-Innenexperte Florian Herrmann im Landtag: „Die effizienteste Abwehr von Gefahr ist es nämlich, diese gar nicht erst entstehen zu lassen.“ Aus diesem Grund wird mit dem neuen Gesetz auch die neue Gefahrenkategorie der „drohenden Gefahr“ eingeführt. Damit soll für freiheitseinschränkende Maßnahmen künftig schon ein bislang juristisch nicht näher definierter „konkretisierter Verdacht“ einer möglichen Straftat ausreichen.
Verschärfung hat nicht nur Terroristen im Blick
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) machte im Landtag deutlich, dass er bei diesen Gesetzesverschärfungen nicht nur mögliche islamistische Terroristen im Blick hat: Wenn es stimme, dass Linksextreme in Hamburg schon lange vor dem G20-Gipfel „Vorbereitungen für ihre Straftaten getroffen haben, wäre dies in der Tat ein typisches Beispiel dafür, dass wir, wenn wir eine potenzielle Gefährdung erkennen, nicht zuschauen dürfen, bis tatsächlich etwas passiert“, erklärte Herrmann.
Opposition kritisiert: Das Gesetz richte sich gegen jeden Bürger
Die Opposition warnte dagegen vor möglichen Eingriffen in Freiheitsrechte auch von „Normalbürgern“: Das Gesetz richte sich ausdrücklich „nicht nur gegen terroristische Gefährder, sondern letztlich gegen jeden Bürger“, warnte etwa die Freie-Wähler-MdL Eva Gottstein: So, wie die Regelungen formuliert seien, könnten sie nämlich auch „gegen jeden gewöhnlichen Alltagsstörer angewendet werden“.
„Wir möchten keine Schutzhaft in Bayern haben“, sagte auch die Grüne Katharina Schulze. Weil zudem Befugnisse in das sogenannte „Gefahrenvorfeld“ ausgedehnt werden, übernehme die Polizei künftig auch Aufgaben, die in Deutschland aus gutem Grund bislang scharf getrennt bei Verfassungsschutz und Nachrichtendiensten liegen.
„Das ist für einen Rechtsstaat unzumutbar“
In einer Fachanhörung im Landtag im Mai hatten auch juristische Praktiker sowohl mit Blick auf die Umsetzbarkeit wie auch auf die Verfassungsmäßigkeit Kritik an den neuen Regeln geäußert: Eine Haft ohne Straftat und Verurteilung könne in Bayern künftig zwei Wochen, zwei Monate oder zwei Jahre dauern – je nachdem, welches Gericht entscheide, hatte der Rechtsanwalt Hartmut Wächtler kritisiert: „Das ist für einen Rechtsstaat unzumutbar.“
Die OLG-Richterin Barbara Stockinger kritisierte den Begriff der „drohenden Gefahr“ als „zu schwammig“. Auch sei ein Richter in der Regel nicht in der Lage, vor einer möglichen Verlängerung der Präventivhaft zu beurteilen, „ob eine drohende Gefahr noch besteht“.
Fußfesseln gegen Verbrechen?
Ebenfalls in dem nun beschlossenen Paket sind die Einführung einer elektronischen Fußfessel für Terrorverdächtige, dazu bei „drohender Gefahr“ Aufenthaltsgebote etwa fernab großer Städte oder Kontaktverbote zu anderen Personen. Geregelt wird zudem nach der Änderung entsprechender bundesrechtlicher Vorgaben die Überwachung von Kommunikation mit Hilfe von Internetdiensten wie WhatsApp oder Skype nach richterlicher Anordnung.
Während SPD, Freie Wähler und Grüne davor warnten, zu viele bürgerliche Freiheitsrechte auf dem Altar vermeintlicher Sicherheit zu opfern, verteidigte Innenminister Herrmann das Paket gegen Kritik: „Die Bürgerrechte werden in diesem Land doch nicht vom Staat bedroht, sondern von Extremisten und Chaoten.“