Eine V-Mann-Affäre, über die diese Redaktion schon mehrfach berichtete, hat zu strafrechtlichen Ermittlungen im bayerischen Landeskriminalamt (LKA) geführt. Mehrere LKA–Beamte stehen im Verdacht der Strafvereitelung im Amt. Es geht um schwere Straftaten, die vom Amt nicht verfolgt wurden. Es geht um die mögliche Beeinflussung eines Strafprozesses in Würzburg. Und offenbar führte das LKA in diesem Fall auch den Bayerischen Landtag an der Nase herum.
Die Ermittlungen gegen das LKA bestätigt Oberstaatsanwältin Anita Traud von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf Anfrage. In Nürnberg ermittelt eine Spezialdienststelle der Kripo gegen Kollegen des LKA-Sachgebietes 614, das zuständig ist für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität in Nordbayern. Oberstaatsanwältin Traud erklärte, die Ermittlungen seien noch nicht ganz abgeschlossen.
Sie bestätigt auch, dass die Ermittlungen auf Behauptungen zurückgehen, die ein ehemaliger V-Mann des LKA als Angeklagter vor dem Landgericht in Würzburg in einem Prozess gemacht hatte, der an 35 Prozesstagen vom September 2012 bis zum August 2013 verhandelt worden war.
Der heute 48-jährige Mario F., damals wegen Drogenhandels angeklagt, hatte ausgesagt, er habe mit Wissen und im Auftrag des LKA mit Rauschgift gehandelt. Mario F. offenbarte, dass er zwischen Januar und Dezember 2011 als V-Mann in die kriminelle Rockergruppierung „Bandidos“ in Regensburg eingeschleust war und dem LKA von einer Reihe schwerer Straftaten durch die „Bandidos“ berichtet habe, ohne dass die Beamten etwas unternommen hätten.
Das Würzburger Gericht wollte die Behauptungen überprüfen – die V-Mann-Akte von Mario F. wurde jedoch nicht freigegeben. Mario F. wurde zu sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Der Verteidiger von Mario F., der Bayreuther Anwalt Alexander Schmidtgall, kennt mittlerweile die ehemals streng geheimen V-Mann-Akten. Das bestätigt Oberstaatsanwältin Traud auf Anfrage: Der Verteidiger von Mario F. habe Einsicht in die Ermittlungsakte gegen die LKA-Beamten bekommen.
Schmidtgall: „In der Akte stehen kriminelle Machenschaften des LKA, dass man zum Schluss kommen muss: Die führen sich auf wie ein Staat im Staat.“ Alle Behauptungen seines Mandanten aus dem Prozess seien bewiesen: Dass LKA-Beamte im Prozess in Würzburg als Zeugen falsch ausgesagt hatten. Dass die mittlerweile beschlagnahmten V-Mann-Akten manipuliert und nachträglich gefälscht wurden, um „eine eigene Tatbeteiligung und Involvierung in Straftaten zu verdecken und zu verschleiern.“ Schmidtgall sagt, sein Mandant habe aufgrund der LKA-Machenschaften in Würzburg kein rechtsstaatliches Verfahren erhalten: „Für mich war das Verfolgung Unschuldiger und Freiheitsberaubung.“
In einem Gespräch mit dieser Redaktion sagt Mario F.: „Ich habe Angst vor der Rache der Bandidos. Man hat mich als Lügner verunglimpft. Ich will, dass die Justiz in Würzburg begreift, dass sie vom LKA belogen worden ist.“
Die Ermittlungen richten sich vor allem gegen den ehemaligen V-Mann-Führer von Mario F., einen 51-jährigen Kriminalhauptkommissar im LKA-Sachgebiet 614. Laut Ermittlungsakte hat er die Aussage verweigert. Sein Verteidiger Jan Bockemühl erklärte auf Anfrage: „Die Vorwürfe gegen meinen Mandanten sind völlig aus der Luft gegriffen. Ich habe die Einstellung des Verfahrens beantragt.“
Der 51-jährige Kriminalhauptkommissar ist laut Anwalt Schmidtgall mit einer unterfränkischen CSU-Politikerin verheiratet. Die wiederum ist Parteifreundin von Innenstaatssekretär Gerhard Eck, dem Bezirksvorsitzenden der CSU Unterfranken. Eck hatte die Sperrerklärung des Innenministeriums gezeichnet, mit der dem Gericht in Würzburg die V-Mann-Akten von Mario F. vorenthalten wurden.
Sperrerklärungen dienen dazu, verdeckte Ermittlungstätigkeiten des Staates geheim zu halten, damit staatliche Sicherheitsinteressen nicht gefährdet werden. Vom Kurier befragt, ob er sich wegen der auf möglicherweise falschen Informationen beruhenden Sperrerklärung vom LKA getäuscht fühle, erklärte Eck, er wolle er zu den Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben. Eck räumte ein, dass ihm der Name des beschuldigten V-Mann-Führers bekannt sei.
Eck hatte im Februar 2013 auch eine „streng vertrauliche“ Stellungnahme an die Landtagspräsidentin Barbara Stamm abgegeben. Hintergrund war eine Eingabe von Mario F. an den Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz, in der Ex-V-Mann bat, in ein Zeugenschutzprogramm zu kommen. In Ecks Stellungnahme sind laut Anwalt Schmidtgall sämtliche LKA-Manipulationen enthalten, die Mario F. zum „Kollateralschaden“ machen sollten.
Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Ausschusses, erklärte: „Sollte sich herausstellen, dass der Ausschuss tatsächlich belogen wurde, dann ist das ein Skandal . Dann wird der Landtag sich das nicht gefallen lassen“.