Gefälschte Stellenanzeigen, unseriöse Gewinnspiele oder die Lüge von der großen Liebe: Das Internet ist ein Tummelplatz für Betrüger. Die Zahl der Fälle in Bayern hat eine Rekordhöhe erreicht, jetzt warnt das Justizministerium vor einer neuen Masche. Ziel der Kriminellen sind meist beruflich erfolgreiche Männer mittleren Alters, die um Zehntausende Euro gebracht werden. Die Behörden sind machtlos.
Internet-Betrug: Die Masche heißt Schweine schlachten
„Schweine schlachten“ heißt die Masche im Jargon der Kriminellen. Die „Schlächter“ sind in diesem Falle Verbrecher-Syndikate in Südostasien. Ihre Opfer sitzen in Europa, Kanada, den USA – und in gefängnisähnlichen Sklavenfabriken in Myanmar, Laos oder Kambodscha. Denn auch die Betrüger im Netz sind großenteils selbst Opfer und werden als Zwangsarbeiter zum Betrug gezwungen. Weltweit geht der Schaden in die Milliarden. In Bayern wurden in den vergangenen drei Jahren 370 Fälle aktenkundig, dabei verschwanden 29 Millionen Euro. In diesem Jahr liefen bei der Zentralstelle für Cyberkriminalität in Bamberg bereits knapp 50 Anzeigen auf. Oberstaatsanwalt Nino Goldbeck geht von wesentlich mehr Fällen aus. „Es liegt auf der Hand, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist.“ Viele Opfer schwiegen aus Scham.
Das Verhängnis beginnt meist über einen Kontakt in einem Dating-Portal im Internet. Zum Teil über Monate hinweg wird den Opfern Liebe oder Freundschaft vorgegaukelt, dann mit vermeintlich attraktiven Investments in Kryptowährungen oder Künstliche Intelligenz gelockt. Im Schnitt haben die Betrugsopfer in Bayern 80.000 Euro verloren, in einem Fall waren es sogar 1,5 Millionen. Meist gingen beruflich erfolgreiche Männer mittleren Alters den Betrügern auf den Leim, so Oberstaatsanwalt Goldbeck. „Da waren auch Top-Manager darunter.“ Die Betroffenen seien teilweise regelrecht in den Ruin getrieben worden. Zwei nahmen sich laut Justizminister Georg Eisenreich (CSU) das Leben.
Die Verbrecher haben wenig zu befürchten
Von Polizei und Justiz haben die Verbrecher offenbar wenig zu befürchten. Hiesige Ermittler können nur mit Mühe nachvollziehen, in welchen Kanälen das Geld versickert, sogenannte Rechtshilfeersuchen nötigen den Behörden in den südostasiatischen Ländern oft nicht einmal eine Reaktion ab, erzählt der Ermittler Goldberg. „Das ist eine gewaltige Herausforderung.“ Die Cyberabteilung in Bamberg habe schon etlichen Internet-Kriminellen das Handwerk gelegt. Beim Trading-Scam, wie diese Betrugsmethode offiziell heißt, habe es aber noch keine einzige Verurteilung in Bayern gegeben.
Das wundert Mina Chiang nicht. Die Direktorin der Menschenrechtsorganisation HRC kennt die Macht der Syndikate, die hinter diesem weltweiten Betrug stecken. Lokale Behörden würden geschmiert, damit sie wegsehen und auf die Hilferufe der Zwangsarbeiter nicht reagieren. Diese werden mit lukrativen Stellenangeboten angelockt und dann zum Betrug gezwungen. Eingesperrt sind die Zwangsarbeiter in gefängnisähnlichen Lagern. Zu Tausenden müssten sie dort an Computern nach Opfern auf der anderen Seite des Globus suchen. Mitunter werden die Menschen sogar verkauft.
Internet-Betrug: Opfer nehmen sich das Leben
Von moderner „Sklaverei und Sklavenfabriken“ sprach Justizminister Eisenreich am Mittwoch in München. Das Handwerk legen könne man den international agierenden Syndikaten nur, wenn viele Staaten zusammenarbeiten. Zudem riet Eisenreich zu besonderer Vorsicht im Netz. So sei es ein Alarmzeichen, wenn neue Internet-Bekanntschaften nicht zu einem Videotelefonat bereit seien. Wenn es um Geld geht, sollte man noch vorsichtiger sein. Oberstaatsanwalt Goldbeck: „Wenn ein Investment-Angebot zu gut ist, um wahr zu sein, dann ist es das in aller Regel auch nicht.“
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