Beleidigt wurde, wer gerade nicht ins Schema passte: Angela Merkel, Xavier Naidoo, gerne auch kritische Journalisten. Dazu gab es das immer gleiche Mantra aus pauschaler Hetze und Verleumdungen. Gegen „Homo-Gestörte“ und „Protestunten“, „Kirchenhasser“ und die „Zensur-Medien“. Jeden Tag. In unzähligen Artikeln, Bildern und Kommentaren.
Seit Sonntag ist damit jedoch Schluss. Die selbst ernannte katholische Nachrichtenseite kreuz.net ist offline – das heißt, sie ist im Internet nicht mehr erreichbar. Über die Hintergründe wird seither spekuliert. Wurde die Seite bewusst vom Netz genommen? Oder sind technische Probleme – etwa aufgrund eines erneuten Serverwechsels oder eines Hackerangriffs – die Ursache? Fest steht lediglich: Der Druck auf die anonymen Hintermänner war zuletzt massiv gestiegen.
In den Fokus der breiten Öffentlichkeit war kreuz.net mit einem Artikel nach dem Tod des Komikers Dirk Bach gerückt, der eine Welle der Empörung auslöste. Der Titel: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle.“ Der Bruno-Gmünder-Verlag, der Medien für Homosexuelle vertreibt, setzte daraufhin ein „Kopfgeld“ von 15 000 Euro für Informationen über die Macher aus und erhielt nach eigenen Angaben Hunderte Hinweise. Die Folge: Während der Verfassungsschutz jahrelang lediglich ein Auge auf die Seite hatte, ermitteln inzwischen die Staatsanwaltschaften Berlin und Wien – unter anderem wegen Volksverhetzung.
Daneben deckten auch Medien immer mehr Details im Geflecht von kreuz.net auf. Es stellte sich heraus: Wo katholisch draufstand, schien oft auch katholisch drinzustecken. In einem Dossier, das der Bruno-Gmünder-Verlag der Berliner Staatsanwaltschaft übergeben hat, stehen angeblich unter anderem die Namen von vier Priestern aus Deutschland, Niederösterreich und der Schweiz, die den harten Kern der Website bilden sollen.
Vergangene Woche folgten auch erste personelle Konsequenzen: Der hessische Pfarrer Hendrick Jolie legte sein Amt als Sprecher des ultrakonservativen, rund 500 Mitglieder starken Netzwerks katholischer Priester nieder, nachdem bekannt geworden war, dass er Artikel und Kommentare auf kreuz.net veröffentlicht hat. Das Bistum Mainz hatte Jolie deshalb öffentlich gerügt.
Wie eine Auswertung der E-Mail-Protokolle von kreuz.net ergeben hat, schien die Website bei zahlreichen Internetnutzern im Bistum Augsburg regen Zuspruch zu finden. Themen aus der Diözese wurden auch auffallend häufig in Artikeln aufgegriffen – und das, wie in der Affäre Mixa häufig auch mit überraschend gutem Hintergrundwissen. Die Diözese Augsburg hat sich zuletzt jedoch entschieden von dem Portal distanziert und erklärt, dass keine Fälle bekannt sind, in denen kirchliche Mitarbeiter für kreuz.net tätig sind.
Konkrete Verbindungen in die Region finden sich aber. Unter anderem schrieb ein ehemaliger Religionslehrer aus Augsburg für die Seite. Zudem soll laut der Kampagne „Stoppt kreuz.net“ unter anderem ein leitender Geistlicher der Diözese Eichstätt, der in der Jugendarbeit tätig ist, mehrfach Kontakt mit der Website gehabt haben. Der Priester dementierte das auf Nachfrage.
Gleichzeitig war zuletzt aber auch der Druck an der katholischen Basis gewachsen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) appellierte unlängst an die deutschen Bischöfe, entschieden gegen das anonyme Internetportal vorzugehen. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich bislang lediglich immer wieder von dem Portal distanziert.
Im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“ sagte ZdK-Präsident Alois Glück, kreuz.net sei eine „unsägliche, menschenverachtende Initiative und ein erschreckendes Beispiel für einen unchristlichen Umgang untereinander“. Auch der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, rief alle Katholiken dazu auf, sich von kreuz.net zu distanzieren. Das Portal richte „großen Schaden für die Gesprächskultur der Kirche an“.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) vermutet, dass kreuz.net letztendlich aufgrund dieses Drucks innerhalb der Kirche vom Netz genommen wurde. Auch David Berger, Koordinator der Kampagne „Stoppt kreuz.net“, geht davon aus, dass jemand „kalte Füße“ bekommen habe. Der gebürtige Würzburger, der die Abschaltung der Seite als „schönen Erfolg“ bezeichnet, warnt jedoch vor voreiligem Jubel: „Es ist durchaus möglich, dass sich die Hassseite für einige Wochen ins Off zurückzieht, um dann – eventuell auch unter neuem Namen – zurückzukehren.“
David Berger wurde selbst immer wieder von kreuz.net aufs Übelste diffamiert, seit er sich vor gut zweieinhalb Jahren zu seiner Homosexualität bekannte und anschließend sein Insiderwissen in dem Buch „Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ veröffentlichte. Seine Karriere in konservativen Kirchenkreisen war daraufhin beendet. David Berger ist sich sicher: „Der gesamte kirchlich-homophobe Sumpf, dessen deutlichste Frucht bisher kreuz.net war, wird auch ohne diese Domain in seinem perfiden Treiben weitermachen.“
Man konnte zeítweise den Eindruck haben, hier würden kirchenoffizielle Ansichten verbreitet.