
Gendern– allein das Wort polarisiert wie kaum ein anderes. Alle haben eine Meinung dazu, meist eine ziemlich starke. Endlich auf Minderheiten Rücksicht nehmen, argumentieren die einen. Sich nicht von ein paar wenigen alles vorschreiben lassen, andere. Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt, dass fast drei Viertel der Deutschen vom Gendern genervt sind. In der Debatte geht es um viel mehr als ein Sternchen oder einen Doppelpunkt. Beim Gendern offenbaren sich gesellschaftliche Gräben, viele politische Stimmen arbeiten sich rund um die Uhr an dem Thema ab. Deshalb lohnt sich der Appell hier besonders: Wir alle sollten gelassener werden.
Wer im Internet gendert, bekommt häufig Hass zu spüren
Gendern, dahinter steckt die Forderung geschlechtergerechter Sprache. Heißt: So zu schreiben und zu sprechen, dass sich alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, mitgemeint fühlen. Und weil bei der Nennung von Mann und Frau eben nicht alle angesprochen werden, gibt es die im doppelten Sinne diversen Satzzeichenmodelle.
Wenn in den sozialen Netzwerken jemand gendert, entflammt sofort eine hitzige Debatte in der Kommentarspalte. Gender, das Wort steht exemplarisch für die Art des heutigen Umgangs miteinander. Besonders im Internet gibt es statt konstruktiver Debatten Lagerbildung, Grabenkämpfe und immer mehr Feindstellung zueinander. Ein häufiges Argument gegen das Gendern lautet: "Haben wir keine anderen Probleme?" Auch wenn solche Beiträge eine andere Intention verfolgen, stimmt der Satz. Wir haben sehr wohl andere Probleme. Denn, wenn wir alle mal Abstand von der Polemik in der Debatte nehmen und uns auf den Kern des Ganzen konzentrieren, wird das große Problem des Genderns schnell ganz klein.
Gendern oder nicht Gendern: Es geht um Respekt
Im Grunde genommen geht es um Respekt. Alle wollen respektiert werden. Von dieser Gemeinsamkeit aus lässt sich aus der Genderdebatte viel Schärfe nehmen. Denn ob dafür oder dagegen, die jeweilige Haltung sollte akzeptiert werden. Wer gendert, darf niemand anderen dazu nötigen. Das heißt aber auch: Besonders Parteien sollten bei der Wahrheit bleiben und nicht allenthalben vor einer Genderpflicht warnen, die es in Wirklichkeit nicht gibt und die auch niemand Relevantes fordert. Klar, an der ein oder anderen Uni ist ein Sternchen oder Doppelpunkt die Norm. Und bei niedersächsischen Behörden wurde zwischenzeitlich über eine geschlechtsneutrale Amtssprache nachgedacht. Zu einer Genderpflicht mit Konsequenzen bei Nichteinhaltung hat das aber nicht geführt. Dem Gegenüber stehen etliche Betriebe und Ämter, in denen das Gendern untersagt ist. An Schulen in Sachsen-Anhalt sind derartige Sonderzeichen sogar verboten. Rechtfertigen diese Fälle den Kulturkampf, den Menschen deshalb in der Nation führen? Nein.
Wenn alle ihr Gegenüber respektieren und sie so sprechen lassen, wie sie es möchten, ist das Gendern kein großes Thema mehr. Sprache ist stets im Wandel, dagegen anzukämpfen hat historisch betrachtet geringe Chancen auf Erfolg. Und wer sich darüber echauffiert, dass bei ARD oder ZDF manche Menschen gendern, sollte sich selbst in die Rolle versetzen: Von tausenden Menschen angefeindet zu werden, nur weil man spricht, wie man es für sich selbst am besten findet? Nicht sehr respektvoll.
CSU zum Gendern: "Leben und leben lassen"
"Leben und leben lassen" heißt es von der CSU, wenn es gegen das Gendern geht. Und auch wenn die Intention hier wieder eine andere ist, so stimmt auch dieser Satz. Jede und jeder macht es so, wie sie oder er es für richtig hält. Leben und leben lassen, sodass sich die Menschen endlich den wichtigeren Problemen widmen können.