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Kirche
Priester wegen Missbrauchs verurteilt: Bistum Augsburg zeigt sich erschüttert
Das Amtsgericht Pfaffenhofen an der Ilm sieht es als erwiesen an, dass der katholische Kleriker einen Ministranten sexuell missbraucht hat. Er bestreitet weiter die Vorwürfe. Es waren nicht die ersten.
Andreas Müller
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:42 Uhr

Einen Strafbefehl über vier Monate auf Bewährung wollte er nicht akzeptieren – nun hat das AmtsgerichtPfaffenhofen an der Ilm einen katholischen Priester, der zuletzt in Elchingen im Kreis Neu-Ulm tätig war, wegen Missbrauchs eines Ministranten vor 15 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Ohne Bewährung. Der Geistliche bestritt die Vorwürfe bis zuletzt. Seine Anwälte legten am Freitag noch im Gerichtssaal Berufung ein.

Richterin Katharina Laudien stützte ihr Urteil vor allem auf die Aussage des heute 30-jährigen Opfers. Der Mann hatte zum Prozessauftakt vor sechs Wochen angegeben, in der damaligen Gemeinde des Pfarrers im Kreis Pfaffenhofen auf Anregung des Angeklagten Ministrant geworden zu sein. Der Priester sei wie ein "zweiter Vater" für ihn gewesen. Dann jedoch habe er ihn im Pfarrhaus mehrfach aufgefordert, sich bis auf die Unterhose auszuziehen, damit er seine Muskeln vermessen könne. Zugleich habe er ihm verboten, darüber zu sprechen. Daran habe er sich gehalten, so der frühere Ministrant. Als ihn der Pfarrer aber eines Tages auf einer Liege gefesselt und im Bereich der Unterhose angefasst habe, sei für ihn Schluss gewesen: Er habe zu ministrieren aufgehört und den Kontakt abgebrochen.

Missbrauch: Zeugen sprechen von "Gesundheitstests", die sie über sich ergehen lassen mussten

An der Glaubhaftigkeit dieser Schilderungen habe sie "keine Zweifel", sagte Laudien. Zumal weitere Ergebnisse der Beweisaufnahme "genau dasselbe Bild zeichnen". So berichtete ein heute 45-Jähriger an einem der vier Verhandlungstage, der Angeklagte habe vor über 30 Jahren auch seinen Körper bei "Gesundheitstests" vermessen. Ebenfalls belastet haben den Priester Videos mit pornografischem Inhalt, die in seinem Haus gefunden worden waren. In ihnen gehe es um "Doktorspiele junger Männer", erklärte die Richterin.

Lange Zeit offen war in dem Prozess die Frage, ob der damalige Ministrant bei den geschilderten Übergriffen 16 Jahre alt war. In dem Fall wäre der Geistliche nach einer in diesem Fall anzuwendenden früheren Rechtslage straffrei geblieben. Seine Verteidiger argumentierten entsprechend: Der damalige Ministrant habe die Vorfälle zeitlich nur "unsicher" und "völlig durcheinander" einordnen können. Die Richterin sah das anders.

Staatsanwältin Alexandra Engel plädierte schließlich für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr mit der Begründung, dass die sexuellen Handlungen "am unteren Rand" lägen. Richterin Laudien erklärte, dass strafschärfend zu berücksichtigen sei, dass der Pfarrer als "moralische Instanz" bei dem Jungen Schuldgefühle erzeugt, ihn "gezielt an sich gebunden" und "seine herausgehobene Stellung als Vertrauensperson ausgenutzt hat". Darüber hinaus könne sie keine positive Sozialprognose erkennen. Vielmehr habe sie angesichts über Jahre hinweg eingeschliffener Verhaltensmuster "erhebliche Zweifel", dass es zu keinen weiteren Taten komme.

Schon Jahre zuvor hatte es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Priester gegeben

Ein Sprecher des BistumsAugsburg sagte auf Anfrage: "Das BistumAugsburg nimmt das Urteil des AmtsgerichtsPfaffenhofen mit Erschütterung zur Kenntnis." Eine inhaltliche Bewertung sei derzeit vor dem Hintergrund des angekündigten Berufungsverfahrens sowie der laufenden kirchenrechtlichen Untersuchungen jedoch nicht möglich. Er wies darauf hin, dass der Geistliche im Februar 2021 von allen seinen Aufgaben freigestellt wurde. Damals hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet; auch eine kirchenrechtliche Voruntersuchung wurde begonnen. 

Schon Jahre zuvor hatte es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Priester gegeben, die allerdings eingestellt wurden. Wie kirchenrechtliche Untersuchungen. Er galt als rehabilitiert – und wurde wieder in der Seelsorge eingesetzt. Unter anderem im Zuständigkeitsbereich eines Priesterkollegen, der später wegen Missbrauchsvorwürfen ebenfalls freigestellt wurde und das bis heute ist. (mit wida)

 
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