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Augsburg
Kardinal Müller kritisiert AfD-Papier der deutschen Bischöfe
Der frühere oberste Glaubenshüter der katholischen Kirche wirft seinen Mitbrüdern vor, sie seien "Wahlhelfer der Ampel". Was er noch meint – und wie eine Expertin den umstrittenen Kleriker beschreibt.
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Foto: Oliver Weiken, dpa (Archivbild) | Kardinal Gerhard Ludwig Müller irritiert immer wieder mit seinen Aussagen.
Daniel Wirsching
 |  aktualisiert: 25.03.2024 02:47 Uhr

Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller spielt innerkirchlich keine große Rolle mehr – sieht man davon ab, dass er Mitglied des höchsten kirchlichen Gerichts ist. Seitdem Papst Franziskus ihn 2017 aber nicht länger im Amt des Präfekten der mächtigen Glaubenskongregation beließ, wurde der frühere Regensburger Bischof regelrecht zu dessen Gegenspieler. Kaum eine Gelegenheit, die Müller nicht ergriffe, den eher reformorientierten Franziskus zu kritisieren. In konservativ-katholischen Kreisen erfreut sich Müller daher großer Beliebtheit – wie ebenso in rechtsgerichteten oder "alternativen" Medien. 

Diese interviewen oder zitieren gerne Müllers verschwörungsmythisches Geraune samt antisemitischen Anklängen, wie zuletzt etwa der Kanal "Epoch Times Deutsch" auf X. Der Kanal verbreitete ein X-Posting, in dem es hieß, Müller warne "vor dem ,Great Reset': Demnach wollen Eliten mit Technik einen ,neuen Menschen' erschaffen. ,Geschaffen nach dem Bild von Schwab, Gates, Soros? Nein, danke', sagt er." Sowie: "Kardinal Müller: ,Massenmigration soll nationale Identität zerstören'." Schwab (Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos), Gates (Microsoft-Gründer und Milliardär mit Engagement für die Impfstoff-Entwicklung) sowie Soros (Holocaustüberlebender und Investor mit Engagement für Bürgerrechtsbewegungen) gelten als Feindbilder für Verschwörungsgläubige oder "Querdenker".

In einem Interview mit der Tagespost wirft Müller den deutschen Bischöfen auch "Opportunismus" vor

Müllers aktuelle Aussagen aus einem "Exklusiv-Interview" mit der katholisch-konservativen Tagespost schafften es nun auch in Medien wie Spiegel oder Welt. In dem Interview kritisierte er scharf die Deutsche Bischofskonferenz, die sich auf ihrer Vollversammlung in Augsburg vor einem Monat geschlossen von der AfD distanziert und dazu aufgerufen hatte, diese nicht zu wählen. Müller sagte: "Die Deutsche Bischofskonferenz darf nicht als Wahlhelfer der Ampel auftreten." Zudem warf er den Bischöfen einen nicht zu übersehenden Opportunismus vor – mit Blick auf die jüngsten Demonstrationen "gegen rechts". An denen hatten sich in den vergangenen Wochen auch deutsche Oberhirten beteiligt, infolge vor allem des Correctiv-Berichts über das Potsdamer "Geheimtreffen" von AfD-Mitgliedern mit Rechtsextremen, bei dem dem Bericht zufolge über die "Remigration" von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurde.

Es wundere ihn auch, so Kardinal Müller weiter, "dass die wenigen guten Theologen unter den Bischöfen da nicht etwas differenziert haben. Aber man war wohl irgendwie der Meinung, die ganze Zeit immer nur geschlagen worden zu sein und jetzt endlich einmal auf der richtigen Seite zu stehen und sich von einem sanften Rückenwind umsäuseln zu lassen".

Die Publizistin Liane Bednarz, Autorin des Buches "Die Angstprediger: Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern", zeichnete unter anderem vor zwei Jahren in einer politischen Fachzeitschrift am Beispiel Müllers nach, "wie ein Kardinal sich radikalisiert". Ihr ging es damals vor allem um seine Aussagen zur Coronapandemie. Im Dezember 2021 etwa hatte Müller mit Äußerungen Schlagzeilen gemacht, die Coronamaßnahmen seien "geboren aus dem Willen, die Gelegenheit zu nutzen, die Menschen jetzt gleichzuschalten, einer totalen Kontrolle zu unterziehen, einen Überwachungsstaat zu etablieren". Ein Jahr zuvor schon distanzierte sich die Deutsche Bischofskonferenz von ihm, nachdem er einen Appell mitunterzeichnet hatte, in dem Coronamaßnahmen als "illiberale Steuerungsversuche ... zur Schaffung einer Weltregierung" dargestellt wurden. Abermals distanzierte sich die Deutsche Bischofskonferenz von Müller dann nach dessen Einlassungen vom Dezember 2021.

So lautet Gerhard Ludwig Müllers Kritik an Papst Franziskus und dessen Umgang mit der Ukraine

In dem Tagespost-Interview übte Müller zudem Kritik an Papst Franziskus. Mit Blick auf dessen viel diskutierte Äußerungen in Richtung der Ukraine, "die weiße Flagge zu schwenken und zu verhandeln", sprach er von einem problematischen diplomatischen Umgang des Papstes mit dem Aggressor Russland, den er nicht als solchen benenne. "Hier würde man sich vom Papst und von Rom doch ganz klare Stellungnahmen und mehr Solidarität wünschen", sagte Müller und erzählte von einem Aufenthalt in der Ukraine. Viele dort hätten ihm gesagt, sie erwarteten, dass Franziskus nach Butscha gehe. Butscha ist früh zum Symbol für die russischen Kriegs-Gräuel in der Ukraine geworden.

Liane Bednarz bezeichnete im Gespräch mit unserer Redaktion Müllers Interview am Donnerstag als in sich widersprüchlich. "Einerseits ist er, was ihm hoch anzurechnen ist, schonungslos gegenüber den Gräueltaten, die Putin in der Ukraine anrichtet. Er geißelt wörtlich zu Recht die 'unchristlichen Verhaltensweisen' sowie den 'überbordenden Nationalismus' des russischen Despoten. Zugleich aber bezichtigt Müller die Deutsche Bischofskonferenz, sich wegen ihrer Positionierung gegen die AfD als 'Wahlhelfer' der 'Ampel' zu positionieren." Dabei, so Bednarz, sei es ja die AfD, die Putin beständig verharmlose "und appeasen möchte. Mir ist schleierhaft, wie Kardinal Müller kognitiv so dissonant sein kann".

 
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