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Tutzing
Extremismus-Experte Neumann: "Der Rechtsruck in Europa kommt sicher"
Beim Jahresempfang der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern geht es um den Zustand Europas. Kurz vor der Europawahl sind die Sorgen groß. Auch beim Gastgeber, Landesbischof Christian Kopp.
Plakate zur Europawahl.jpeg       -  Vor der Europawahl machen Attacken gegen Politikerinnen und Politiker Schlagzeilen, eine weitere Verrohung – und ein befürchteter Rechtsruck.
Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild) | Vor der Europawahl machen Attacken gegen Politikerinnen und Politiker Schlagzeilen, eine weitere Verrohung – und ein befürchteter Rechtsruck.
Daniel Wirsching
 |  aktualisiert: 21.05.2024 02:45 Uhr

Der evangelische Landesbischof Christian Kopp hat kurz vor der Europawahl am 9. Juni eindringlich für "das Projekt Europa" geworben. Am Mittwochabend sagte er beim Jahresempfang der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im Schloss Tutzing: "Wir wollen alles dafür tun, dass dieses Projekt auch in Zukunft blüht und lebt."

Angesichts der aktuellen Krisen, vor dem Hintergrund der Attacken auf Politikerinnen und Politiker sowie mit Blick auf das Erstarken populistischer und rechtsextremer Kräfte sagte er, das Zusammenleben in vielen Ländern Europas sei fragil. Kopp stellte eine "Verrohung" fest und mahnte an, dass Politikerinnen und Politiker besser geschützt werden müssten. "Ich habe große Sorge, dass solche Übergriffe dazu führen, dass weniger Menschen bereit sind, sich zur Wahl zu stellen – auch in den Kommunen, in den Landtagen." Eine der wichtigsten Aufgaben von Religion sei es im Moment, das Miteinander-Reden zu organisieren. Viele Menschen hätten das Gefühl, Politik werde nicht für sie gemacht.

Landesbischof Kopp: Alles dafür tun, dass das Projekt Europa auch in Zukunft blüht und lebt

Kopps Befund teilten während einer Podiumsdiskussion die bekannte Schriftstellerin Nora Bossong und der Würzburger Extremismus-Experte Peter Neumann, der am King's College in London forscht und lehrt. Bossong sprach von einer "Begegnungskrise". Begegnungen blieben zunehmend aus, und es brauche etwas, auf das man sich verständigen könne. Die Kirche sei das im Unterschied zu früher nicht mehr; sie sei "nichts mehr, was wirklich der Gesellschaft einen gewissen Grundhalt" biete, bedauerte Bossong.

Neumann betonte die Wichtigkeit von Instanzen wie der Kirche: Denn Vernunft alleine mache nicht glücklich, sagte er. Zudem sehnten sich Menschen nach Identität. Kirche manage die Suche nach Identität so, "dass etwas sozial Positives für die Gesellschaft" herauskomme. In diesem Kontext erzählte Neumann auch vom katholischen damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, zu dessen "Zukunftsteam" er 2021 gehörte. "Laschet war einer, der über seinen Glauben sprach – und der jedes Mal, wenn er das getan hat, ganz schön was auf die Ohren bekam."

Peter Neumann: "Handlungsfähigkeit beweisen, wäre das Wichtigste, um der AfD Wähler abspenstig zu machen"

Am Rande der Veranstaltung sagte Peter Neumann unserer Redaktion zum Thema Europawahl: "Der Rechtsruck in Europa kommt sicher. Es gibt ja bereits einen, das sieht man jetzt unter anderem an der neuen niederländischen Regierungskoalition um Geert Wilders. Ich gehe auch davon aus, dass in einem großen europäischen Staat – vermutlich Frankreich – der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin eine solche Partei repräsentieren wird. Die Frage ist: Wird das von Dauer sein oder eine Episode bleiben?" Viele Länder Europas hätten ein Migrationsproblem oder nähmen es so wahr, und etablierte Parteien hätten noch keine Lösung hinbekommen. "Beim Thema Migration Handlungsfähigkeit zu beweisen, das wäre das Wichtigste, um der AfD und ähnlichen Parteien die Wähler abspenstig zu machen", so der Professor. Der Rechtsruck werde, glaubt Neumann, solange weitergehen, solange die großen Themen ungelöst blieben.

Unter den mehr als hundert Gästen beim Empfang der evangelischen Kirche waren unter anderem der katholische Münchner Erzbischof, Reinhard Kardinal Marx, sowie der Penzberger Imam Benjamin Idriz.

 
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