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Nördlingen
Wohlfahrtsverbände wie Diakonie und Caritas stecken in der Krise
Diakonie und Caritas leisten in Bayern viel. Doch sie haben große Probleme. Ein Schlaglicht darauf warf kürzlich die Insolvenz eines Trägers. Diakonie-Präsidentin Weingärtner findet klare Worte.
Diakonie Passau meldet Insolvenz in Eigenverwaltung an.jpeg       -  Die Diakonie Passau ist der erste Träger, der Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hat. Doch es könnten weitere folgen.
Foto: Tobias C. Köhler, dpa | Die Diakonie Passau ist der erste Träger, der Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet hat. Doch es könnten weitere folgen.
Celine Theiss
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:56 Uhr

Der Eingangsbereich der Diakonie Donau-Ries in Nördlingen ist an diesem Tag nur spärlich beleuchtet. In einem Vorraum steht ein schulterhoher Aufbau, auf dem Dutzende Informationsbroschüren ordentlich drapiert liegen. "Kirchliche allgemeine Sozialarbeit", "Obdachlosenberatung", "Suchtfachambulanz", "Flüchtlings- und Integrationsberatung" – das sind nur einige wenige Titel, die auf Flyer gedruckt sind. Diese bieten einen, längst nicht vollständigen, ersten Überblick über das Angebot der Diakonie. Als das "soziale Gesicht der evangelisch-lutherischen Kirche" beschreibt sich der freie Wohlfahrtsverband. Er ist einer der sechs großen freien Wohlfahrtsverbände in Deutschland und nicht nur er blickt düsteren Zeiten entgegen. Schon jetzt gestaltet sich die finanzielle Lage und damit die Möglichkeit, Angebote aufrechtzuerhalten, für die kirchlichen Träger schwierig.

Das zeigte sich erst kürzlich in Passau, wo der örtliche Diakonie-Träger ein Schlaglicht auf die Situation warf: Wegen finanzieller Schwierigkeiten musste er Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden. Laut Sabine Weingärtner, Präsidentin der Diakonie Bayern und Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege Bayern, wird sich die Lage in Zukunft noch weiter zuspitzen. "Es ist egal, ob es um Bayerisches Rotes Kreuz, Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, AWO, Lebenshilfe e.V. geht – wir sind alle gleichermaßen betroffen. Es werden zunehmend Einrichtungen schließen, fürchte ich." Einige Träger werden ihr zufolge allerdings versuchen zu fusionieren, um sich finanziell stabiler aufstellen zu können.

"Je kleiner der Träger, umso schwerer hat er es in der Regel"

Um die Dimension des Problems zu erahnen, hilft ein Blick auf die Zahlen: Allein das Diakonische Werk Bayern ist nach eigenen Angaben mit gut 3000 Einrichtungen und mehr als 72.000 Vollzeitstellen mit knapp 97.000 Mitarbeitenden der zweitgrößte Verband der freien Wohlfahrtspflege im Freistaat. Zudem hat er rund 28.000 erfasste Ehrenamtliche.

Johannes Beck, Geschäftsführer der Diakonie Donau-Ries, sagt: "Je kleiner der Träger ist, umso schwerer hat er es in der Regel." Sein Stellvertreter Hubert Dumberger nennt die Gründe für die angespannte Lage: Tarifsteigerungen, die nicht in allen Bereichen sofort refinanziert werden können, Inflation und immer höhere Nebenkosten.

Die Krisen der letzten Monate schlagen nun bei der Wohlfahrtspflege durch

"Was wir im Moment einfach merken, sind die Auswirkungen der verschiedenen Krisen der letzten Monate und Jahre", sagt Diakonie-Präsidentin Weingärtner. Sie spricht von den steigenden Flüchtlingszahlen, die ein größeres Angebot erfordern, oder der Energiekrise. Neben dem finanziellen Druck habe man vor allem mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. "Da sind wir im sozialen Bereich auch noch einmal anders betroffen als andere Betriebe. Wir können nicht an unseren Öffnungszeiten drehen oder nur sehr bedingt, weil ich nicht sagen kann: 'Die Pflege endet Freitagmittag um 12 Uhr und beginnt Montag früh um 8 Uhr wieder.' Das funktioniert nicht." Auch die katholische Caritas ringt mit dem Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege. "Man kann mit einer Pflegekraft keine drei Stationen betreiben", sagt Tobias Utters, Pressesprecher des Landes-Caritasverband Bayern.

Beispiel Diakonie Donau-Ries: Im Jahr 2018 habe man 280 Mitarbeitende beschäftigt, sagt Geschäftsführer Beck. Heute seien es 265. Das Problem: "Es gehen mehr Angestellte in den Ruhestand, als wir Arbeitsplätze nachbesetzen können." Das wirke sich etwa auf die Beratungsstellen aus. Hier habe man zwar immer nachbesetzen können, so Beck. Sie seien aber länger vakant als früher. Vor allem im Bereich der Pflege sei es schwierig, Personal zu finden

Personalmangel ist ein großes Problem

Laut Weingärtner müssen mittlerweile Betten in Pflegeeinrichtungen jeder Art leer bleiben, wenn nicht genügend Personal vorhanden ist. Das habe zur Folge, dass teilweise Stationen geschlossen werden müssen und die Auslastung der Einrichtung somit beispielsweise nur noch bei 80 Prozent statt 95 oder 97 Prozent liege. Dadurch entstünden Defizite, die nicht kompensiert oder refinanziert werden könnten. Zudem müsse die Diakonie bei Beratungsangeboten hohe Eigenanteile leisten, sie betrügen teils 40 bis 50 Prozent. Im schlimmsten Fall bedeutet das: Angebote müssen eingestellt, Häuser geschlossen werden. 

Die Diakonie, die freie Wohlfahrtspflege, ist dabei dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip unterstellt. Das heißt, dass der Staat Aufgaben an Träger wie die Diakonie delegiert und diese finanziert oder unterstützt. Laut der Diakonie-Präsidentin wird dabei davon ausgegangen, dass seitens der Diakonie ein Eigenmittelanteil von zehn Prozent gestemmt werden kann – aus Kirchensteuern oder etwa Spenden. Ähnlich ist es bei der Caritas. Doch die finanziellen Mittel der kirchlichen Träger werden knapper, weil die Kosten zum einen in allen Bereichen steigen. Zum anderen merke die Diakonie bereits jetzt, dass die Kirche durch sinkende Mitgliedszahlen weniger Geld zur Verfügung hat. Die Wohlfahrtsverbände sind deshalb bereits mit dem Finanzausschuss des Landtags in Gesprächen, um die Höhe des Eigenanteils abzusenken.

Soziale Wohlfahrtspflege ist auch eine Stütze der bayerischen Wirtschaft

Johannes Beck, Geschäftsführer der Diakonie Donau-Ries gGmbH, fehlt es ganz grundsätzlich an Wertschätzung vonseiten der Politik. "Wenn wir uns an Kostenträger wenden, egal auf welcher Ebene, hat man manchmal das Gefühl, dass man betteln muss, um eine Tätigkeit erbringen zu dürfen", kritisiert er. Die Wohlfahrtsverbände sind auf die Finanzierung durch Gemeinden, Kommunen, Bezirke, den Freistaat und der Bundesregierung angewiesen. Beck erklärt, dass sie für manche Leistungen jährlich drei Anträge stellen und drei Verwendungsnachweise erbringen müssen. 

Diakonie-Präsidentin Sabine Weingärtner wünscht sich, dass die Angebote der Diakonie in Zukunft "auskömmlich" finanziert werden. Sie wünscht sich auch mehr Flexibilität und schnellere Reaktionen. Als Beispiel nennt sie die Energiekrise. Bereits im Sommer vergangenen Jahres habe die Diakonie bei der Politik um finanzielle Unterstützung gebeten, Erleichterungen für die Träger seien dann erst Anfang dieses Jahres gekommen. 

 
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