
Rund 38,3 Milliarden Euro – diese unvorstellbar große Summe wurde im Jahr 2014 laut Statistischem Bundesamt vererbt. Was in der Statistik nicht auftaucht: In wie vielen Fällen das Erben konfliktfrei ablief. Oder umgekehrt: In wie vielen Fällen die Erben anschließend kein Wort mehr miteinander wechselten, weil jeder sich übervorteilt oder ungerecht behandelt fühlte.
Wenn es zum Streit unter Erben kommt, liegt das oft daran, dass der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat. Laut Notarkammer hat nicht einmal jeder vierte Bürger geregelt, was nach seinem Tod mit dem Vermögen passiert. In diesen Fällen tritt die gesetzliche Erbfolge (siehe Info-Kasten) in Kraft – egal, ob sie noch der aktuellen Lebenssituation und den emotionalen Bindungen zwischen dem Verstorbenen und den Erben entspricht oder nicht. Bundesjustizminister Heiko Maas rät deshalb in einer Info-Broschüre seines Ministeriums dazu, „rechtzeitig Vorsorge für den Todesfall zu treffen“, das heißt: ein Testament aufzusetzen, das regelt, wer welchen Teil des Vermögens erbt.
Paul Schubert und seine Frau Gisela aus Lohr (Lkr. Main-Spessart) haben das schon vor über zehn Jahren getan. Einen konkreten Anlass gab es damals nicht. „Es ist jedem zu empfehlen“, sagt Schubert. „Das Leben läuft eben nicht immer rund.“ Der 72-Jährige ist Steuerberater und kennt sich berufsbedingt gut im Erbrecht aus. Dennoch hat er für sein eigenes Testament die Beratung eines Notars in Anspruch genommen.
Denn ganz einfach ist das Formulieren des letzten Willens nicht. „Um juristisch korrekt auszudrücken, was man im Kopf hat, bedarf es einer juristischen Beratung“, bestätigt Alexander Grün, Fachanwalt für Erbrecht in Würzburg. „Sonst kann es sein, dass vieles Auslegungssache ist, was wiederum zu Schwierigkeiten und Streitigkeiten führt.“ Je komplexer die Familiensituation, desto größer ist dieser Beratungsbedarf.
Lebt der künftige „Erblasser“ – so der juristische Begriff für den Verstorbenen, der sein Erbe hinterlässt – beispielsweise in einer Patchworkfamilie mit Kindern aus erster Ehe und gemeinsamen Kindern, muss für ein Testament sehr viel mehr bedacht werden als in einer klassischen Familienkonstellation.
„Da gibt es die Überlegungen: Sollen alle Kinder gleichgestellt werden, wie kann ich den Ex-Gatten ausschließen und dafür den aktuellen Partner versorgen?“, erklärt Grün. Auch wer mit seinem Partner ohne Trauschein zusammenlebt, sollte unbedingt ein Testament haben. Denn auch nach einer jahrzehntelangen Beziehung geht der Lebenspartner leer aus, wenn er nicht explizit als Erbe eingesetzt wird.
In Paul Schuberts Fall war es relativ einfach: Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Aber als Experte weiß er, wie man durch die Gestaltung des Testaments die Erbschaftssteuer mindern kann, zum Beispiel indem man den Erben verpflichtet, das Erbe mit seinen Kindern zu teilen oder einen Teil zu spenden. „Kein Testament ist 08/15, sondern total individuell.“
Alternativ zum jederzeit widerrufbaren Testament gibt es beispielsweise noch den Erbvertrag. „Ein typischer Fall ist, wenn sich zwei Eheleute gegenseitig bindend als Erbe einsetzen und ihre Kinder als Schlusserben bestimmen“, erklärt Grün. Einen solchen Erbvertrag können nur beide einvernehmlich widerrufen oder ändern.
„Das bietet zwar mehr Sicherheit, verpflichtet den Partner jedoch auch weit über den eigenen Tod hinaus“, gibt Alexander Grün zu bedenken. Gerade der Wunsch, die Versorgung des Partners über den eigenen Tod hinaus zu sichern, ist häufig der Grund für das Testament. Nach dem sogenannten „Berliner Testament“ erbt zunächst nur der Partner, erst nach dessen Tod kommen die Kinder zum Zug.
„Vermeidet die Erbengemeinschaft!“, ist der Grundsatz von Paul Schubert. Gerade bei Immobilien sind Konflikte unter den Erben fast vorprogrammiert. „,Habt ihr schon geteilt“, fragt man oft Geschwister, die sich gut verstehen, erzählt Schubert. „Geteilt“ meint: Versteht ihr euch immer noch gut, nachdem ihr Erben geworden seid? Denn Streit gibt es nicht nur ums große Geld, sondern auch um Gegenstände mit ideellem Wert wie Instrumente, Bücher, Fotoalben.
„Diese können durch ein Vermächtnis einer bestimmten Person zugeteilt werden“, erläutert Anwalt Grün.
Warum mehr als drei Viertel der Bevölkerung noch kein Testament haben, obwohl es so viele Vorteile bietet, erklärt sich der Fachanwalt so: „Viele Leute sind unsicher, wie sie es machen sollen. Und viele scheuen die Beratungskosten – obwohl spätere Streitigkeiten oft viel höhere Kosten verursachen.“ Ein weiterer Grund für das Zögern: Man muss sich gedanklich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen. „Es hat ja nichts damit zu tun, dass man bald stirbt“, sagt Paul Schubert sachlich. „Aber es ist nun mal so: Irgendwann tritt der Erbfall ein.“ Wer zu lange wartet, kann seinen letzten Willen vielleicht nicht mehr vermitteln, denn dazu brauche es einen „klaren Kopf“.
Wer letztendlich bereit ist, sich der eigenen Sterblichkeit zu stellen und entsprechend vorzusorgen, sollte Folgendes beachten: Ein Testament muss eigenhändig, handschriftlich verfasst und – idealerweise unter Angabe von Ort und Datum – unterschrieben sein. Alternativ gibt es das „notarielle Testament“, das bei einem Notar beurkundet wird. „Wenn das Testament zu Hause am Computer getippt wurde, ist es nicht wirksam“, warnt Anwalt Grün.
Das Schriftstück kann daheim an einem bekannten Ort aufbewahrt werden. Oder aber man hinterlegt es beim zuständigen Amtsgericht. „Sonst kann es leicht mal verschwinden“, warnt Paul Schubert – zum Beispiel, wenn es ein enterbter Nachkomme findet und vernichtet.
Übrigens: Wer heute ein Testament aufsetzt, verpflichtet sich damit nicht automatisch bis ans Ende aller Tage. Es kann jederzeit widerrufen oder durch ein neues Testament ersetzt werden.
Gesetzliche Erbfolge
Ist kein Testament vorhanden, greift nach dem Tode des Erblassers die gesetzliche Erbfolge. Grundsätzlich erben nur echte Verwandte – was zählt, ist ein gemeinsamer Vorfahre. Ausnahmen von dieser Regel bilden Adoptivkinder, Ehegatten und der Partner, mit dem der Erblasser in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt. Von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind zum Beispiel verschwägerte Personen, angeheiratete Verwandte, geschiedene Ehegatten und auch Stiefkinder. Das Gesetz teilt die Verwandten in verschiedene Ordnungen ein, um festzulegen, wer nach dem Tod des Erblassers zuerst erbberechtigt ist. 1. Ordnung: direkte und indirekte Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel. Enkel erben aber nur dann, wenn das als Erbe eingesetzte Elternteil selbst schon verstorben ist.
2. Ordnung: Eltern des Erblassers, seine Geschwister und deren Kinder. Sie können jedoch nur erben, wenn es keinen einzigen Verwandten 1. Ordnung gibt.
3. und 4. Ordnung: Großeltern, Tanten, Cousins beziehungsweise Urgroßeltern und deren Nachkommen.
Ehegatten: Der überlebende Ehegatte erbt je nachdem, in welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben und ob Erben 1. oder nur 2. Ordnung vorhanden sind, zwischen einem Viertel und drei Viertel des Vermögens.