Noch jung ist der Architekturpreis des Bezirks Schwaben, er wird erst seit 2023 vergeben. Prämiert werden herausragende Baumaßnahmen, die verantwortungsvoll mit Baukultur umgehen, Ressourcen schonen und dörfliche oder städtische Strukturen verbessern. Heuer wurden drei Projekte in Illerbeuren, Bodholz und Kaufbeuren mit dem Architekturpreis gewürdigt.
Die mit 15.000 Euro am höchsten dotierte Auszeichnung ging nach Illerbeuren: an Julia und Michael Staudinger für ihr „B&B d'Kammer“. Sie haben mit Hilfe des Architekten Alexander Nägele (SoHo Architektur Memmingen) eine alte Hofstelle im Dorf in ein modernes Feriendomizil verwandelt. „Das ist eine wunderschöne Bestätigung für das, was wir während der gesamten Bauphase an Gegenwind und Zweifeln bekommen haben“, sagt eine strahlende Julia Staudinger bei einem Ortstermin auf dem ehemaligen Bauernhof ihrer Familie, der in Sichtweite zum Schwäbischen Freilichtmuseum liegt.
Der Bauernhof in Illerbeuren erfährt eine radikale Verwandlung
Gemeint sind damit vor allem die Kommentare der Mitbewohner des Dorfes, in dem Julia Staudinger aufgewachsen ist. „Mei Mädle, was machsch denn do?“ war der häufigste Spruch, den sie zu hören bekam. Denn auch wenn sich das Bauernhaus nach außen hin nur wenig verändert hat, erfuhr es im Inneren eine radikale Verwandlung mit modernen Wohnkonzepten und außergewöhnlichen Materialien.
Umgebaut wurde hauptsächlich mit Handwerkern aus der nächsten Umgebung – und die konnten sich einfach nicht vorstellen, dass „so etwas“ bei Feriengästen ankommen könnte.
Traditionelle Handwerkstechniken treffen auf modernes Design
Denn der Staudinger-Hof in Illerbeuren wurde nicht einfach entkernt und nach Schema F mit Ferienapartments wieder aufgefüllt. Es blieb erhalten, was noch zu gebrauchen war und es kamen traditionelle Handwerkstechniken zum Einsatz – bevor modernes Design Einzug hielt. Deshalb blieb zum Beispiel die Decke im Frühstücksraum so niedrig, wie es die einstige Tenne vorgab, in die er eingebaut wurde. Oder müssen die Gäste den Kopf einziehen, wenn sie durch die Originalholztür den ehemaligen Stall betreten, der sich in zwei helle, stilvolle Ferienwohnungen verwandelt hat.
Ebenso überraschendes wie auffälliges Detail ist der Treppenaufgang in den vormaligen Heustock mit zwei weiteren Ferienwohnungen: Die Stahltreppe windet sich im früheren Silo nach oben, dessen ursprünglicher Zweck unverkennbar ist, da die bitumenbeschichteten Wände nur abgebürstet wurden. Dazu kommen Unterkünfte im ehemaligen Wohnhaus.
Vieles wird erst auf der Baustelle entschieden
Nägele wollte den rohen Charakter des Bauernhofs erhalten, deshalb ließ er – immer in enger, vertrauensvoller Absprache mit der Baufamilie – Wände mit rauhem Kratzputz gestalten, eine neu hochgemauerte Ziegelwand wie früher nur kalken oder Faserzementplatten einfach sichtbar verschrauben. Vieles wurde dabei nicht am Schreibtisch entschieden, sondern hat sich erst auf der Baustelle ergeben. „So ein prozesshaftes Arbeiten wünscht sich jeder Architekt“, sagt Nägele. Da überhole einen zwar auch manchmal etwas, der rote Faden sei aber stets das „perfekt Unperfekte“ geblieben.
Denn im Gegensatz zu vielen augenfällig groben Strukturen besticht „d'Kammer“ mit einer hoch ästhetischen Ausstattung: puristisches Weiß, teils auch bei Fußböden, paart sich mit unbehandelten Fichte-Dreischichtplatten, die im maßgeschneiderten Möbelbau, aber auch für Wände verwendet wurden - alles „made im Allgäu“. Alles wirkt klar, natürlich, zeitlos und dennoch hyggelig, hat doch B&B-Betreiberin Julia Staudinger bei der Ausgestaltung größten Wert auf natürliche Materialien wie etwa Bio-Leinenbettwäsche gelegt.
Yoga unterm Dach, Sauna im Freien
„Designklassiker treffen aufs Allgäu“ nennt sie ihr Konzept, mit dem es ihr gelungen ist, drei verschiedene Gästegruppen ins Haus zu holen: Urlauber(familien), Firmengruppen zu „Workations“, also Seminaren mit ausgewähltem Freizeitprogramm (Mercedes-Benz, Airbus oder Frankfurter Startups waren schon da) sowie Yogagruppen.
Für sie wurde ein Raum unterm Dach hergerichtet, dem seine Nutzer bereits eine „Seele“ bescheinigt haben. Treffen können sich alle in einem großzügigen Gemeinschaftsraum. Oder je nach Wetter im idyllischen Außengelände mit Frühstücksterrasse, lauschigen Sitzplätzen auf der Streuobstwiese hinterm Haus, Außensauna und Kinderspielplatz.
Zur Auszeichnung "Touristikerin des Jahres" kommt der Architekturpreis des Bezirks Schwaben
Erst vor kurzem wurde Julia Staudinger vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus als "Touristikerin des Jahres" ausgezeichnet, jetzt kam der Architekturpreis des Bezirks dazu. Keine Frage, dass die ganze Familie stolz darauf ist. "Vor allem für meinen Vater ist die Welt jetzt wieder in Ordnung nach all dem Geschimpfe, das er sich anhören musste", sagt die innovative Gastgeberin lachend.