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MÖNCHBERG/BERLIN
Joachim Gauck geht, sein Nachfolger wird gewählt
Bundespräsidenten-Wahl: Dass Frank-Walter Steinmeier das neue Staatsoberhaupt wird, daran besteht kein Zweifel. Thomas Zöller, der Bürgermeister von Mönchberg, wird am Sonntag trotzdem Fernsehrichter Alexander Hold wählen.
Bundespräsident Gauck und Daniela Schadt       -  Sie machen in Schloss Bellevue im März Platz für den neuen Bundespräsidenten: Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa | Sie machen in Schloss Bellevue im März Platz für den neuen Bundespräsidenten: Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt.
Michael Czygan
 und  Martin Ferber
 |  aktualisiert: 20.02.2017 03:45 Uhr

Der Markt Mönchberg im Landkreis Miltenberg ist normalerweise kein Ort, an dem die ganz große Politik gemacht wird. Diesen Sonntag aber wählt der Bürgermeister der 2600-Einwohner-Gemeinde in Berlin den neuen Bundespräsidenten. Für Thomas Zöller ist die Nominierung als Wahlmann für die Bundesversammlung„etwas Besonderes“. Der langjährige Kommunalpolitiker der Freien Wähler (FW) freut sich auf die Reise in die Bundeshauptstadt.

Dass Zöller nach Berlin darf, verdankt er seinem Parteichef Hubert Aiwanger. Der Vorsitzende der Freien Wähler hat den 48-Jährigen gefragt, ob er diesmal in der Bundesversammlung dabei sein möchte, nachdem er vor fünf Jahren schon einmal zur Debatte stand. Damals war Zöller stellvertretender Landesvorsitzender, seit Juni 2016 ist er Bezirksvorsitzender der Freien Wähler in Unterfranken. So gehört er zu den wenigen Wahlleuten, die weder Bundestags- noch Landtagsabgeordneter sind.

Die Länderparlamente sind bei der Auswahl ihrer Vertreter weitgehend frei. Zöller, der seit 2008 Bürgermeister ist und mittlerweile auch als stellvertretender Landrat von Miltenberg amtiert, ist einer von zehn Wahlleuten der Freien Wähler. Wen er wählen wird? „Natürlich Alexander Hold.“ Die Freien Wähler bringen nämlich ihren eigenen Kandidaten mit nach Berlin. Der 54 Jahre alte (Fernseh-)Richter, der der gleichnamigen Dokusoap auf dem Sender Sat.1 seinen Namen gab, ist einer von vier (chancenlosen) Gegenkandidaten von Frank-Walter Steinmeier, dem Mann, der für SPD, CDU und CSU ins Rennen geht.

Wahlmann Zöller gibt gerne zu, dass er erst einmal „gezuckt“ habe, als er von der Berufung des TV-Stars hörte. „Doch er hat mich, so wie ich ihn erlebt habe, überzeugt.“ Richter Hold engagiert sich seit 2008 als Stadt- und Bezirksrat der Freien Wähler in seiner Heimatstadt Kempten. „Ein seriöser Kandidat“, sagt Zöller, „und leider die einzige bürgerliche Alternative zu Steinmeier“.

Der Bürgermeister von Mönchberg hat keine Zweifel, dass Frank-Walter Steinmeier ein guter Präsident sein wird. „In einem zweiten Wahlgang hätte ich ihn vermutlich auch gewählt“, bekennt er. Dazu aber wird es angesichts der Mehrheitsverhältnisse voraussichtlich nicht kommen. Gut für die Demokratie sei es jedenfalls nicht, dass staatstragende Parteien wie CDU, CSU, Grüne und FDP allesamt auf einen Gegenkandidaten gegen den SPD-Mann verzichten. Und dann sei Steinmeier auch noch vor der Wahl als Außenminister zurückgetreten, „weil er eh gewinnt“. Ein fragwürdiges Signal, findet Zöller. „Das fördert nur die Politikverdrossenheit im Volk.“

Nicht zuletzt deshalb wollen die Freien Wähler am Samstag in Berlin auf die Straße gehen, kündigt Zöller an. Man werde dort für eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk demonstrieren. Die Forderung der Freien Wähler ist nicht neu, zuletzt hatte die Landtagsfraktion in München sie bekräftigt. Österreich, wo der Präsident ähnlich repräsentative Aufgaben hat wie in Deutschland, sei ein gutes Beispiel, „dass es funktioniert“, sagt Zöller. Das Duell zwischen FPÖ-Mann Norbert Hofer und dem Grünen Alexander Van der Bellen habe zu einer leidenschaftlichen öffentlichen Debatte geführt, „die der Demokratie letztlich nutzt“.

Und am Ende stünden die Bürger dann auch hinter „ihrem Präsidenten“.

Dennoch, gut möglich, dass Frank-Walter Steinmeier der falsche Kandidat ist, um diese Debatte um mehr Bürgerbeteiligung zu führen. Seine Popularität in Umfragen ist ungebrochen. Und auch Zöller ist überzeugt, dass ein Bundespräsident Steinmeier die richtigen Worte findet, „um das Land gegen die Anfeindungen von Rechts- und Linkspopulisten zusammenzuhalten“. Da dürfe er ruhig „Kante zeigen“.

Der kürzlich verstorbene Roman Herzog, Staatsoberhaupt von 1994 bis 1999, sei da ein gutes Beispiel gewesen. „Er war öfter auch unbequem.“ Eigenschaften, die der Bürgermeister von Mönchberg auch an Joachim Gauck, dem scheidenden Präsidenten, schätzt. Gerade in der Flüchtlingsdebatte habe der ehemalige Pfarrer aus dem Osten immer wieder die richtigen Worte gefunden. „Schade, dass er nicht noch einmal kandidiert hat.“

Und so wird gewählt: „Der Bundespräsident wird ohne Aussprache von der Bundesversammlung gewählt“, heißt es in Artikel 54, Absatz 1 der Verfassung. Wählbar ist jeder Deutsche ab 40 Jahren. Die Amtszeit dauert fünf Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist zulässig. Absatz 3 bestimmt, dass die Bundesversammlung zur Hälfte aus den Mitgliedern des Deutschen Bundestages besteht – das sind derzeit 630 – und zur anderen Hälfte aus ebenso vielen Vertretern der 16 Bundesländer entsprechend der Zusammensetzung der Landtage, macht zusammen 1260 Wahlfrauen und -männer.

Nachdem die beiden letzten Bundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff (beide CDU) vorzeitig aus ihren Ämtern ausgeschieden sind und es am 30. Juni 2010 und am 18. März 2012 zu vorzeitigen Neuwahlen gekommen ist, läuft in diesem Jahr wieder alles völlig regulär ab. Am 18. März endet die fünfjährige Amtszeit von Joachim Gauck. Da nach den Vorgaben des Grundgesetzes „spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit“ ein Nachfolger gewählt werden muss, hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Dezember für diesen Sonntag, 12. Februar, die Bundesversammlung in das Berliner Reichstagsgebäude einberufen.

Zur Wahl stehen fünf Kandidaten: Die drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD haben nach langem Ringen den bisherigen Außenminister und früheren Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nominiert. Die Linke schickt den parteilosen Armutsforscher Christoph Butterwegge ins Rennen. Die Freien Wähler nominierten den Kemptener Juristen Alexander Hold. Für die AfD tritt der frühere Frankfurter Stadtkämmerer Albrecht Glaser an. Und kurzfristig geht jetzt noch Engelbert Sonneborn, Vater des Satirikers Martin Sonneborn, für die Piratenpartei ins Rennen. „Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält“, heißt es in Artikel 54, Absatz 6 des Grundgesetzes. Das wären in diesem Jahr 631. Und weiter: „Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen von keinem Bewerber erreicht, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt.“ Es reicht dann also die einfache Mehrheit.

Alles spricht dafür, dass am Sonntag Frank-Walter Steinmeier bereits im ersten Wahlgang gewählt wird. CDU und CSU (539 Stimmen) und SPD (384) kommen zusammen auf 923 Stimmen – das sind 292 mehr als zur absoluten Mehrheit erforderlich. Zudem kann Steinmeier auch auf zahlreiche Stimmen aus den Reihen der Grünen (147 Wahlleute) sowie der FDP (36) hoffen. Somit könnte er bereits auf Anhieb mehr als 1000 Stimmen hinter sich vereinen.

Die Linkspartei entsendet 95 Wahlfrauen und -männer in die Bundesversammlung, die AfD folgt mit 35 Vertretern, hinzukommen noch elf Piraten sowie elf Freie Wähler aus Bayern und Brandenburg. Eine Stimme hat der Südschleswigsche Wählerverband, die Vertretung der dänischen Minderheit im Kieler Landtag. Und auch die Mitte Januar aus der CDU ausgetretene parteilose Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach gehört der Bundesversammlung an. Foto: M. Czygan

Wer den Präsidenten wählt

1260 Mitglieder zählt die Bundesversammlung, die Hälfte davon stellt der Bundestag. Die andere Hälfte wird von den 16 Landesparlamenten gewählt, wobei die Wahlfrauen und Wahlmänner nicht unbedingt Landtagsabgeordnete sein müssen. Aus Bayern kommen zu den 91 Bundestagsabgeordneten 97 Wahlberechtigte, die der Landtag, gemessen nach Fraktionsstärke, nach Berlin schickt. Aus Unterfranken dürfen die folgenden 19 Personen den Bundespräsidenten wählen: Dorothee Bär (Ebelsbach, MdB, CSU), Winfried Bausback (Aschaffenburg, MdL, CSU), Kerstin Celina (Kürnach, MdL, Grüne), Sabine Dittmar (Maßbach, MdB, SPD), Klaus Ernst (Arnstein, MdB, Linke), Volkmar Halbleib (Ochsenfurt, MdL, SPD), Alexander Hoffmann (Zellingen, MdB, CSU), Otto Hünnerkopf (Kitzingen, MdL, CSU), Oliver Jörg (Würzburg, MdL, CSU), Paul Lehrieder (Gaukönigshofen, MdB, CSU), Andrea Lindholz (Goldbach, MdB, CSU), Petra Münzel (Erlenbach, MdL a.D., Grüne), Georg Rosenthal (Würzburg, MdL, SPD), Berthold Rüth (Eschau, MdL, CSU), Bernd Rützel (Gemünden, MdB, SPD), Barbara Stamm (Würzburg, MdL, CSU), Anja Weisgerber (Schwebheim, MdB, CSU), Peter Winter (Waldaschaff, MdL, CSU) und Thomas Zöller (Mönchberg, Bürgermeister, Freie Wähler). Die Parteien haben das Recht, auch Nicht-Politiker zu nominieren. Zu den bekanntesten Gesichtern, die am Sonntag mitwählen dürfen, gehören Joachim Löw, der Trainer der Fußball-Nationalmannschaft, der von den Grünen in Baden-Württemberg nominiert wurde, sowie die Schauspielerinnen Iris Berben (SPD/Hessen), Veronika Ferres (CDU/Nordrhein-Westfalen), Mariele Millowitsch (SPD/NRW) und Natalia Wörner (SPD/Baden-Württemberg). Bekannt sind auch die Sängerinnen Katja Ebstein (SPD/Brandenburg) und Stefanie Kloß von „Silbermond“ (SPD/Sachsen) sowie die Sänger Roland Kaiser (SPD/Mecklenburg-Vorpommern) und Peter Maffay (SPD/Saarland). Aus dem Bereich der Comedy stammen Carolin Kebekus (Grüne/NRW), Hape Kerkeling (CDU/NRW) und Volker Pispers (Piraten/NRW). Den Sport vertreten unter anderem Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann (FDP/NRW) und die Paralympics-Siegerin im Biathlon und Langlauf, Verena Bentele (SPD/Bayern), die auch Behindertenbeauftragte der Bundesregierung ist. Weitere Prominente sind der frühere CSU-Chef und Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU/Bayern) und die Verlegerin Friede Springer (CDU/Berlin). Die niedersächsischen Grünen haben Travestiekünstlerin Olivia Jones nominiert und die Linke in Thüringen Semiya Simsek Demirtas, die Tochter des ersten Opfers der rechtsextremistischen Terrorgruppe NSU. Die Wahl ist geheim, die Wahlfrauen und -männer sind in ihrer Entscheidung frei. micz/fer
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