Noch heißt ihn eine Mehrheit der Bevölkerung willkommen. Noch haben in Bayern erst einige Einzelgänger die Wälder durchstreift. Noch ist keines der Tiere im Freistaat besonders auffällig geworden. Und dennoch gehen Experten davon aus, dass sich dies schon in naher Zukunft ändern könnte. So jedenfalls das Fazit eines Symposiums des Bayerischen Jagdverbandes in Freyung, das große Beutegreifer, wie den Wolf, zum Thema hatte.
Der Blick geht nach Niedersachsen. 2012 wurde in der Lüneburger Heide erstmals wieder ein weiblicher Wolf, eine Fähe, bestätigt. Jetzt, fünf Jahre später, leben im niedersächsischen Flachland acht Rudel, zwei weitere Paare und Einzelwölfe.
Die Zuwachsraten seien beachtlich, sagt Peter Pabel, Förster in der Göhrde, dem größten zusammenhängenden Mischwaldgebiet Norddeutschlands im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Der 54-Jährige beobachtet die „faszinierende, geschützte Tierart“ seit langem. Pabel hat dabei festgestellt, dass etwa das Rotwild mit dem Wolf „recht gut klarkommt“.
Die Rotwildverbände, also die Rudel, würden größer, seien aufmerksamer, wechseln schneller den Standort und formen – kommt ihnen ein Wolf zu nahe – eine „Wagenburg“ zur Verteidigung. Pabel: „Ein starkes Alttier geht dann auf den Angreifer zu, um ihn zu vertreiben.“ Anders sehe es beim kleineren Damwild aus. Hier seien die Bestände nach der Rückkehr von Meister Isegrim gesunken. Das heißt, Damwild wird für den Wolf leichter zur Beute.
Obergrenze von 250 Tieren denkbar
Der Wolf ist scheu und geht dem Menschen aus dem Weg? Falsch, sagt Pabel. Der Wolf habe sich längst angepasst und erobere sich seine Lebensräume zurück, wenngleich es in der Göhrde bisher keine Aggression gegen Menschen gegeben habe. Der Förster hat eine weitere interessante Beobachtung gemacht. So gehe der Wolf „völlig lässig“ mit Jagdgesellschaften etwa auf Drückjagden, bei denen Rot-, Dam- oder Rehwild den Schützen zugetrieben werden, um. „Der Wolf schaut sich manchmal das ganze Spektakel in nicht einmal 20 Meter Entfernung neben einem Jäger an.“
Die Stimmung in der Bevölkerung und vor allem in Reihen der Nutztierhalter habe sich in Niedersachsen inzwischen verändert. Vor allem deshalb, weil der Wolf jede leichte Möglichkeit nutze, Beute zu machen – eben auch bei den häufig ungenügend geschützten Nutztieren wie Schafen. Vertreiben, sagt Pabel, lasse er sich dabei kaum.
Rund 500 Wölfe gebe es mittlerweile in Deutschland und die Population wachse stark, betont Axel Heider, Leiter der Abteilung Forstwirtschaft im Bundeslandwirtschaftsministerium. Er hält eine Obergrenze von 250 Tieren für denkbar. Dies setzte allerdings auch die Bereitschaft voraus, Wölfe der Wildbahn zu entnehmen, also zu erlegen. Heider: „Eine Reduzierung des Bestandes darf nicht tabuisiert werden.“ Vor allem in Wohngebieten sei der Wolf nicht zu tolerieren.
Heider weiß um die Problematik. In allen EU-Mitgliedsstaaten mit Wolfsvorkommen gebe es Konflikte zwischen Wolfsbefürwortern meist aus dem städtischen Bereich und Gegnern wie Weidetierhaltern oder Jägern. Präventionsmaßnahmen hält Heider für unverzichtbar, auch wenn sie keinen absoluten Schutz bieten würden. „Seien wir ehrlich und sagen den Bürgern, wo in etwa die Zielgröße liegt, bis zu der sich der Wolf in Deutschland ausbreiten und wieder heimisch werden soll.“
Lösungsbär statt Problembär
In Schweden gibt es bereits Ausnahmeregeln, nach denen eine streng kontrollierte Jagd auf den Wolf möglich ist. In dem skandinavischen Land beläuft sich der Bestand auf etwa 380 Tiere, sagt Michael Schneider. Der gebürtige Unterfranke ist Beamter der Bezirksregierung in der schwedischen Provinz Västerbotten und unter anderem mit den großen Beutegreifern wie Bär, Wolf oder Luchs befasst.
Eine dichte Bärenpopulation – in Schweden gibt es rund 2800 Braunbären – verlangsame die Ausbreitung des Wolfes, sagt Schneider. „Das könnte“, fügt er Augen zwinkernd hinzu, „eine Lösung für Bayern sein.“ Für Bayern? Bekanntlich war Braunbär Bruno im Juni 2006 in der Nähe der Rotwand im Spitzingseegebiet erlegt worden. Er war nach 170 Jahren der erste Braunbär, der in Deutschland wieder in freier Wildbahn auftrat und während seiner Streifzüge zum „Problembären“ wurde.
Zurück zum Wolf. Während Förster Pabel bei der Rückkehr von Meister Isegrim für Bayern eine ähnliche Entwicklung wie in Niedersachsen vorhersagt, spricht Beate Jessel von einem Erfolg für den Natur- und Artenschutz. Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz macht sich für eine stärkere Unterstützung der Weidetierhaltung stark und setzt auf eine „bessere Akzeptanz des Wolfes in der Bevölkerung“.
Bayerns Jägerpräsident Jürgen Vocke wiederum fordert einen „gesellschaftlichen Konsens“, sollte der Wolf tatsächlich nach Bayern kommen. Er hält ein Wolfsmanagement für zwingend erforderlich. Eine Willkommenskultur alleine reiche nicht. Vocke: „Wenn sich die Schäden durch den Wolf massiv häufen, müssen wir auch über jagdliche Maßnahmen nachdenken.“