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Augsburg
Wie wollen Sie Bayern digitaler machen, Herr Mehring?
Der Freie-Wähler-Abgeordnete Fabian Mehring aus Schwaben wird neuer Digitalminister. Hier spricht er über seine Pläne, seinen Ehrgeiz und sein Verhältnis zu Parteichef Aiwanger.
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Foto: Lennart Preiss, dpa | Fabian Mehring, designierter bayerischer Digitalminister, aufgenommen nach einer Sitzung der Landtagsfraktion der Freien Wähler.
Uli Bachmeier, Peter Müller, Holger Sabinsky-Wolf
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:02 Uhr

Herr Mehring, wir kennen Sie als jemand, der viel auf Twitter unterwegs ist. An diesem Mittwoch werden Sie als neuer bayerischer Digitalminister vereidigtMinister mit 34: Der Meitinger Fabian Mehring ist am ZielLandtagswahl. Was außer Ihrer Meisterschaft beim Twittern qualifiziert Sie für dieses Amt?

Fabian Mehring: Das stimmt. Ich habe schon in meiner bisherigen Rolle als Abgeordneter soziale Medien stark genutzt. Darin sehe ich die Chance, junge Menschen direkt zu erreichen und für Politik zu begeistern. Ich finde, wir dürfen – gerade auch mit Blick auf die AfD – nicht müde werden, politische Entscheidungen gut zu erklären. Soziale Medien sind für mich ein zusätzlicher Kommunikationskanal, über den das gelingen kann. Zu Ihrer Frage: Ich bin ein „digital native“ und habe mich in der letzten Legislatur vor allem in der Wirtschaftspolitik profiliert, wo Digitalisierung ein Masterthema ist. Als Parlamentarischer Geschäftsführer meiner Regierungsfraktion musste ich zudem Generalist sein und habe für unsere Bayernkoalition das Zusammenspiel zwischen dem Parlament und allen Ministerien koordiniert. Dabei konnte ich ein ressortübergreifendes Netzwerk knüpfen, das mir in der neuen Aufgabe helfen wird, weil Digitalisierung ein Querschnittsthema ist, das alle Ministerien betrifft. Für mich ist das Digitalministerium das Zukunftsministerium, weshalb es mein Wunschministerium war. 

Sie haben sich in der Flugblattaffäre für Ihren Parteichef Hubert Aiwanger in die Schlacht geworfen.Aiwanger über Berichterstattung: "Herablassend gegen mich und die Landbevölkerung"Interview Kann es sein, dass Ihre Berufung zum Minister eine Belohnung dafür ist?

Mehring: Das Gefühl habe ich nicht. Ich verstehe meine Berufung als Anerkennung für fünf Jahre erfolgreiche Arbeit als Parlamentarischer Geschäftsführer und nicht für vier Wochen Management der Flugblatt-Affäre. Umso mehr freue ich mich über das Vertrauen von Hubert Aiwanger und Markus Söder und denke, dass sie mich vor allem deshalb ausgewählt haben, weil sie mir diese Aufgabe zutrauen.

Es gibt Leute, die vergleichen Sie mit dem jungen Markus Söder – karrierebewusst und zielstrebig, mit klaren Aussagen und Mut zur Zuspitzung. Sehen Sie sich auch so?

Mehring: Grundsätzlich gibt es Schlimmeres, als mit einem der erfolgreichsten Politiker Deutschlands verglichen zu werden. Solche Vergleiche überlasse ich trotzdem gerne anderen. Für mich gilt: Ich will Fabian Mehring sein. 

Dass Sie karrierebewusst unterwegs sind, ist aber offensichtlich.

Mehring: Selbstverständlich – sonst wird man nicht mit 34 Jahren Minister. Mich wundert allerdings, warum das manchmal von Journalisten negativ bewertet wird. Wenn Sie als junger Mensch in der Wirtschaft oder Wissenschaft besonders erfolgreich sind, dann finden das alle toll. Wenn jemand in der Politik erfolgreich ist, dann bekommt das schnell einen negativen Touch. Ich sehe da nichts Negatives. Ich mache Politik nicht zum Selbstzweck, sondern, um gestalten zu können. Wenn man gestalten möchte, dann braucht man eine Funktion, aus der man gestalten kann. Wer in der Politik ist und nicht in eine Funktion möchte, in der man Einfluss hat und gestalten kann, muss sich fragen lassen, warum er überhaupt in der Politik ist. 

Allein die Aussage, gestalten zu wollen, reicht aber noch nicht als Motiv. Was wollen Sie als Digitalminister in der Sache erreichen?

Mehring: Darüber möchte ich, bevor ich das über die Medien verkünde, erst einmal mit meiner Vorgängerin, dem Amtschef des Ministeriums und meinen künftigen Mitarbeitern sprechen. Das ist für mich eine Stilfrage. Grundsätzlich gibt es beim Zukunftsthema Digitalisierung aber drei Punkte, die mir besonders am Herzen liegen. Ich möchte in enger Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben, weil wir auf diesem Feld die große Chance haben, uns schon heute die Spitzenplätze auf den Märkten von morgen zu erarbeiten. Ein weiterer Schwerpunkt ist für mich die Digitalisierung des ländlichen Raums. Wir Freie Wähler verstehen uns auch als politischer Anwalt der Landbevölkerung. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als wäre Digitalisierung nur für einige Eliten oder urbane Räume da. Zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Freistaat gehört die Alltagsdigitalisierung in allen Regionen Bayerns – auch und besonders in den ländlichen Räumen. Und drittens liegt mir besonders die Digitalisierung der Verwaltung am Herzen. Die Verwaltung ist die Schnittstelle zwischen Bürger und Staat. Dort geht es darum, durch kluge Digitalisierung Bürokratie wegzuräumen und für die Bürger transparent und direkt ansprechbar zu sein. So verstanden kann Digitalisierung auch dabei helfen, verloren gegangenes Vertrauen in den Staat zurückzugewinnen. 

Woran liegt es denn, dass der ländliche Raum immer noch nicht gut versorgt ist?

Mehring: Auch wenn es sich manchmal anders anfühlt, ist es ja so, dass die Versorgung des ländlichen Raums in Bayern schon jetzt besser als in allen anderen ländlichen Räumen des Bundesgebiets ist. Im europäischen Vergleich ist die aktuelle Situation aber natürlich noch nicht zufriedenstellend. Daran will ich mit Hochdruck arbeiten. 

Wer seinen Wohnort wechselt, muss immer noch zum Amt, um sich umzumelden. Das gilt in Stadt und Land. Wann kann man das am Computer von zu Hause aus machen?

Mehring: Dafür hat meine Amtsvorgängerin Judith Gerlach bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes exzellente Arbeit geleistet und mit dem bayerischen Digitalplan erfolgreich die Weichen gestellt. Über 86 % der förderberechtigten Kommunen beteiligen sich am betreffenden Förderprogramm. Das wird dazu führen, dass wir im Grunde alle Verwaltungsdienstleistungen bis 2025 online anbieten können. Dass wir diesen Weg entschlossen weitergehen wollen, steht auch im neuen Koalitionsvertrag.

Bei den Bürgerinnen und Bürgern ist da noch nichts angekommen.

Mehring: Selbstverständlich dauert ein solcher Systemwechsel leider einige Zeit – keine Frage. Das gilt übrigens auch für das Ministerium selbst. Das Haus wurde 2018 quasi als Start-up gegründet und ist noch im Wachsen. Und man darf nicht vergessen, dass bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes die Kommunen an Bord sein müssen. Umso erfreulicher ist es, dass fast 1700 Gemeinden, Städte und Landkreise mittlerweile auf das Förderprogramm zugegriffen haben. So ist sichergestellt, dass wir bis 2025 tatsächlich flächendeckend vorankommen werden. 

Die häufigste Kritik am Digitalministerium war in der Vergangenheit, dass es kaum eigene Kompetenzen hat und in der Umsetzung der Digitalisierungsprojekte immer auf die Fachressorts angewiesen ist. Deshalb habe es auch kaum Außenwirkung erzielt. Können Sie daran etwas ändern?

Mehring: Ich hoffe es zumindest. Entscheidend ist für mich nicht, wie viele Leute im Ministerium sitzen oder wie viel Steuergeld dort ausgegeben wird. Viel wichtiger ist, welche Bedeutung das Thema, das wir bearbeiten, für Wirtschaft und Gesellschaft hat. Nachdem meine Vorgängerin das Haus hervorragend durch die Start-up-Phase geführt hat, stelle ich mir ein Digitalministerium 2.0 vor. Ich sehe die Rolle des Digitalministeriums darin, die Digitalisierungsprozesse über alle Ressorts hinweg zu koordinieren – nicht wie eine Krake, die sich Kompetenzen krallt, sondern wie eine Spinne im Netz, bei der die Fäden zusammenlaufen. Es ist bisher kaum jemandem aufgefallen, dass dieses Rollenverständnis im Koalitionsvertrag bereits angelegt ist – zum Beispiel mit dem Digitalcheck für Gesetze. In Zukunft wird hierfür jedes neue Gesetz durch unser Ministerium laufen.

Es stört Sie also nicht, dass Ihr zukünftiges Ministerium nicht weitreichendere Kompetenzen bekommen hat?

Mehring: Das nehme ich so, wie es gekommen ist. Die Entscheidung darüber lag nicht in meiner Hand, und mein Job ist es auch nicht, darüber zu lamentieren. Ich kümmere mich darum, aus dem Paket, das mir anvertraut wird, das Beste zu machen. Markus Söder hat das Digitalministerium vor fünf Jahren ja selbst aus der Taufe gehoben und ist damit bundesweit vorangegangen. Das Haus ist also auch sein Baby, und er hat als Ministerpräsident die Richtlinienkompetenz für die gesamte Staatsregierung. Ich bin mir deshalb sicher, dass bei der Digitalisierung alle Ressorts am gleichen Strang in dieselbe Richtung ziehen werden, sodass ich die Kompetenzfragen gelassen sehe. Querschnittsaufgaben lassen sich sowieso nur gemeinsam meistern.

Sie haben die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium angesprochen. Auch das Kultusministerium ist in der Hand der Freien Wähler, und die Digitalisierung der Bildung ist ein großes Thema. Man könnte sich vorstellen, dass Sie da versuchen, möglichst viel gemeinsam zu machen.

Mehring: Genau das ist unser Plan. Ich glaube, dass wir inhaltlich und in der Außenwirkung durch den direkten Zugang in die Schlüsselressorts der Digitalisierung extrem gewinnen können. Ich setze da auf einen Drehtüreffekt und die enge Verzahnung unserer Häuser. So können wir viele Dinge gemeinsam anschieben, von der Transformation der Wirtschaft über KI bis hin zum digitalen Klassenzimmer.

Auch nach Corona herrscht in vielen Schulen noch immer digitaler Notstand."KI wird das Schulsystem stärker verändern als jede bisherige Innovation"Interview Wie wollen Sie hier Tempo machen?

Mehring: Von einem Notstand würde ich nicht sprechen, da Bayerns Schulen auch bei der Digitalisierung bundesweite Spitzenplätze in den einschlägigen Rankings belegen. Trotzdem ist natürlich Luft nach oben. Hier sehe ich vor allem Potenzial darin, die Digitalisierung bereits in der Ausbildung neuer Lehrer noch besser zu integrieren. So multipliziert sich das digitale Know-how von selbst im ganzen Schulsystem. Umso erfreulicher ist es, dass wir dafür mit dem DigiLab an unserer Augsburger Universität ein echtes Leuchtturmprojekt in unserer Heimatregion haben. 

 
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