Herr Robejsek, die Bezahlkarte für Flüchtlinge soll in Bayern in vier Modellprojekten Anfang März eingeführt werden – in der Stadt Straubing sowie in den Landkreisen Günzburg, Fürstenfeldbruck und Traunstein. Was genau werden Flüchtlinge mit der Karte tun können?
Peter Robejsek: Mit unserer Karte kann man im Prinzip erst einmal alles einkaufen, wie mit anderen Mastercards auch. Die Politik hat sich nun aber darauf verständigt, dass es verschiedene Einschränkungen geben soll. Zum Beispiel sollen keine Auslandsüberweisungen möglich sein oder keine Einkäufe im Internet. Die Abhebung von Bargeld soll auch begrenzt werden. Wie genau diese Beschränkungen aussehen, legen aber nicht wir als Mastercard fest. Das legen die Kommunen und Landkreise mit den Banken fest, die die Karten an die Flüchtlinge ausgeben. Wir stellen die dahinterliegende Infrastruktur zur Verfügung, wenn Sie so wollen das elektronische Schienennetz, auf dem die Bezahlvorgänge reisen. Welche konkrete Ausgestaltung eine Karte bekommen soll, kann sich theoretisch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden und auch von Landkreis zu Landkreis. Das hängt davon ab, wie sich die Politiker auf den verschiedenen Ebenen abstimmen.
In der Debatte um die Bezahlkarte wird immer wieder diskutiert, dass sie für den Kauf von Alkohol gesperrt werden soll…
Robejsek: Für uns ist das technisch nicht möglich. Wir können nur sehen, dass jemand Lebensmittel eingekauft hat, aber nicht, ob Brot, Butter oder Wein. Wir können nicht in den Einkaufskorb schauen und wollen das auch nicht. Die Daten der Kunden sind ja aus guten Gründen anonymisiert. Es gibt aber ein Beispiel aus einem anderen europäischen Land. In Rumänien werden Sozialleistungen über die Bezahlkarte ausgezahlt. Alkohol kann damit nicht gekauft werden. Das hat der rumänische Staat den Handelsunternehmen auferlegt. Wenn man das hierzulande auch will, müsste bei uns der Gesetzgeber aktiv werden.
In Bayern startet die Karte in den vier genannten Modellkommunen. Wie schnell könnten Sie die Bezahlkarten im gesamten Freistaat oder in anderen Bundesländern ausrollen?
Robejsek: Das würde von unserer Seite sehr schnell gehen. Letztendlich hängt es davon ab, wie rasch sich Banken, Städte und Landkreise verständigen. Unsere Hoffnung wäre natürlich, dass die Systeme in den Verwaltungen standardisiert würden, damit man eben nicht so sehr von Landkreis zu Landkreis große Anpassungen an der Technik machen muss.
Flüchtlingsverbände wie Pro Asyl meinen, dass die Bezahlkarte diskriminierend sei, weil die Flüchtlinge nicht selbst entscheiden dürfen, wofür sie das Geld ausgeben. Mastercard schreibt sich selbst auf die Fahnen, den Kampf gegen Diskriminierung sehr ernst zu nehmen. Wie passen die Karten zu Ihrem Wertekanon?
Robejsek: Ich habe immer noch nicht genau verstanden, warum es sich dabei um Diskriminierung handeln sollte. Wenn Bargeld und Sachgüter an Geflüchtete ausgegeben werden, dann ist das auch für die Verwaltungen unglaublich teuer und umständlich. Mit den Bezahlkarten wird der Aufwand deutlich reduziert, was im Interesse der Steuerzahler ist. Die Willkommenskultur soll sich mit einem möglichst effizienten Einsatz der Mittel verbinden. Außerdem kann im Laden in der Schlange anhand der Karte erst einmal niemand identifizieren, dass hier ein Flüchtling einkauft, höchstens vielleicht die Kassiererin oder der Kassierer. Bei Gutscheinen wäre das komplett anders. Die Karten sind also hochgradig inklusiv. Das wäre der abstrakte Teil einer Antwort.
Gibt es einen zweiten Teil?
Robejsek: Ich habe einen Migrationshintergrund. Meine Eltern sind aus der damaligen Tschechoslowakei nach Deutschland gekommen, sie flohen vor dem Kommunismus. Sie wurden hier willkommen geheißen, aber haben sich auch durchschlagen müssen. Dennoch sind sie immer dankbar gewesen für die Gastfreundschaft in Deutschland. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich jemals hingestellt und sich darüber beschwert hätten, dass es jetzt eine Karte gibt und kein Bargeld. Aus meiner Familiengeschichte heraus habe ich einen emotionalen Bezug zu dem Thema.
Ist die Vergabe der Bezahlkarten für Ihr Unternehmen ein lohnendes Geschäft? Lässt sich damit Geld verdienen?
Robejsek: Das haben wir gar nicht vor. Genau wie wir es bei der Kooperation mit der UN-Flüchtlingsorganisation gemacht haben, wo wir private Karten für Flüchtlingscamps bereitgestellt haben. Wir tun das, weil es das Richtige ist. Das zeigt sich jetzt auch in Deutschland bei den Konditionen, die wir gegenüber den Banken aufrufen. Alles andere wäre grundfalsch.
Die Bundesregierung und einige Ministerpräsidenten versprechen sich von den Bezahlkarten, dass weniger Schutzsuchende nach Deutschland kommen, weil es finanziell unattraktiver ist. Was halten Sie von diesem Zusammenhang?
Robejsek: Ich habe bisher noch keine Analyse gesehen, in der wissenschaftlich fundiert ein negativer Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Bezahlmethode hergestellt wird. Im Gegenteil geht der wissenschaftliche Konsens eher in die Richtung, dass es neutral ist oder überhaupt gar keinen Einfluss hat. Wenn es mir wirklich schlecht geht und ich sehe mich gezwungen, meine Heimat zu verlassen, oder weil ich mir woanders ein besseres Leben aufbauen will, dann fällt es mir sehr schwer zu glauben, dass Menschen davon Abstand nehmen, nur weil es Bezahlkarten gibt. Ein so triviales Detail hätte meine Eltern nicht von der Flucht vor dem Kommunismus abgehalten. Mit Karte, ohne Karte, das wäre ihnen völlig egal gewesen.