Herr Buchner, Sie werden nach einer längeren krankheitsbedingten Zwangspause mit Ihrer Band Haindling im Sommer wieder auf Tournee sein. Wie geht es Ihnen?
Hans-Jürgen Buchner: Ich bin wieder gut drauf.
Und Sie haben wieder Lust auf Musik?
Buchner: Klar, ich spiele jeden Tag Klavier.
So eine Tournee ist anstrengend. Was ist der Antrieb, das gemütliche heimatliche Sofa in Haindling – einem Ortsteil von Geiselhöring – zu verlassen?
Buchner: So anstrengend ist das gar nicht. Früher war das anders, als wir noch jeden Tag bis fünf Uhr früh in der Hotelbar waren. Das ist heute nicht mehr der Fall. Das am wenigsten Schöne an einer Tour ist die Fahrt auf der Autobahn. Wenn ich dann aber Musik machen kann, ist das für mich eher aufbauend.
Welche Bedeutung hat musikalischer Erfolg für Sie?
Buchner: Mei, der eine braucht einen Erfolg, der andere nicht. Wenn man ihn nicht benötigt, dann ist man als Mensch ganz schön weit. Ich bin allerdings noch so ein Mensch, der sich über Anerkennung freut. Das war schon als Schüler so, wenn ich musikalisch in den Vordergrund getreten bin. Erfolg ist ja auch ein Zeichen dafür, anerkannt zu sein. Das gefällt wohl jedem Menschen. Das ist nichts anderes als in der Politik. Doch der Politiker ist eingebettet in Strukturen wie eine Partei. Ich bin für meine Musik ganz alleine verantwortlich. Und wenn ich an einer Demonstration teilnehme, dann ist das auch ein Ausdruck meines individuellen Willens.
Waren Sie auf einer Demo gegen Rechtsextremismus?
Buchner: Es ist wohl klar, dass ich nicht für den Faschismus bin. Das muss ich nicht betonen. Aber ich war tatsächlich in Straubing auf einer solchen Demo.
Und wie werten Sie die Proteste der Landwirte vor einigen Wochen?
Buchner: Zu den Bauern muss ich sagen: Da läuft gerade etwas aus dem Ruder. Das ist inzwischen schon fast militant und gefährlich. Was mich auch wundert, ist, dass die Proteste der Bauern in der Öffentlichkeit ganz anders gesehen werden als die der Letzten Generation. Die Aktivisten haben sich an die Straße geklebt, haben ein paar Autos aufgehalten und wurden als Terroristen beschimpft. Die Bauern aber sperren mit ihren riesigen Traktorenpanzern Straßen und ganze Autobahnen. Das wirkt fast so, als wollten sie aktuell gerade die Sau rauslassen. Da hätte die deutsche Politik eine andere Haltung zeigen müssen. Denn Nötigung ist Nötigung.
Sie stehen mit Ihren Texten für die freiheitliche Demokratie. Haben Sie Angst um sie? Wir werden im Herbst Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern haben, in denen die teils als rechtsextrem eingestufte AfD die Mehrheit erringen könnte ...
Buchner: Interessant wird es, wenn gewählt worden ist. Jetzt sind viele Menschen auf der Straße, die gegen Rechtsextremismus sind. Nach den Wahlen wird klar, wie viele die anderen sind. Lustig wird das auf jeden Fall nicht.
Müssten wir mehr um die Demokratie kämpfen?
Buchner: Die Demos halte ich schon für ein gutes Mittel. Ich wundere mich aber sowieso, was politisch in der Welt aktuell abläuft. Ich hätte nicht gedacht, dass der Mensch immer noch so blöd ist. Aber es wird schon einen Grund haben, dass in so vielen Ländern Autokraten an der Macht sind. Da bekommt man fast den Eindruck, als hätten sich die abgesprochen. Ich verstehe auch die Kriege nicht, diese blinde Zerstörungswut. Worum geht es denn da? Das ist wie im Kindergarten, wo einer die Sandburg des anderen kaputt macht, nur, dass da Tausende sterben. Was hat man von einem Land, das total zerstört ist? Außerirdische würden wahrscheinlich sagen: Der Mensch kann eigentlich nicht intelligent sein, weil er sich selbst bekriegt und seine Lebensgrundlagen vernichtet.
Zurück zu Ihrer Musik. Was ist es eigentlich, das Haindling-Liedern so einen hohen Wiedererkennungswert gibt?
Buchner: Erstens habe ich ein bestimmtes Musikmuster, das ich wahrscheinlich seit meiner Kindheit im Kopf habe. Zweitens war unter meinen Verwandten mütterlicherseits ein Opernsänger dabei. Vielleicht liegt es also in den Genen, vielleicht daran, dass ich meine Stücke nicht nur selbst komponiere, sondern auch selbst instrumentiere. Im Grunde weiß ich es aber selbst nicht. Kürzlich hat mir übrigens ein Professor angeboten, ich solle ihm einige von meinen unveröffentlichten Kompositionsschnipseln, von denen ich Hunderte aufgenommen habe, überlassen, um sie mit KI weiterzuentwickeln.
Und, was tun Sie?
Buchner: Ich finde die Idee ganz interessant, vielleicht mache ich es.
Glauben Sie, dass KI, also künstliche Intelligenz, in absehbarer Zeit Komponisten und Texter ersetzen kann?
Buchner: KI kann das ja schon. Aber ich glaube, es ist noch etwas anderes, ob das dann ein Mensch schreibt oder entwirft. Das ist bei der Kunst ja auch so. Bei manchen KI-Bildern merkt man gar nicht, dass sie künstlich hergestellt sind. Am Ende aber ist der Erfinder der Mensch. Und ohne dessen Input kann die KI auch noch nichts entwickeln. Was da in Zukunft draus wird, werden wir sehen.
Sie haben erzählt, dass sie Hunderte von Liedfragmenten haben. Wie muss man sich das vorstellen?
Buchner: Die habe ich alle aufgenommen oder auf Kärtchen notiert. Da habe ich tatsächlich wahnsinnig viele davon. Manchmal höre ich da rein und denke mir: Dies oder das müsste ich umsetzen. Aber dann fällt mir wieder etwas Neues ein und dann nehme ich das auf. So geht das ewig dahin.
Darf man neue Musik von Ihnen erwarten?
Buchner: Meng dad i scho!
Aber?
Buchner: Das ist richtig Arbeit. Ich hätte genügend Material. Und meine Frau sagt auch: Bring es doch raus! Aber ich bin noch nicht zufrieden.
Schallplatten waren ja für uns als Jugendliche einst Schätze, die man besser pflegte als den eigenen Körper.
Buchner: Ja, so war das. Heute hat man nichts mehr in der Hand. Man hört die Musik und sie ist weg, flüchtig. Für mich als Musikproduzent ist das alles keine schöne Entwicklung. Ich werde aber trotzdem noch ein neues Album veröffentlichen. Ob es sich lohnt, das kann ich nicht sagen. Heute verdient man über Streamen ja nur mehr an Welthits.
Sie bezeichnen sich als einen Nachtmenschen, Ihre Aufnahmen finden meistens nachts statt ...
Buchner: ... weil es ruhig ist und weil ich weiß, dass ich nicht gestört werde. Außerdem habe ich mir schon immer einen Beruf gewünscht, bei dessen Ausübung ich in der Früh nicht aufstehen muss. Ich war ja am Internat und musste damals um sechs Uhr schon aufstehen. Und darum habe ich mir einen Beruf gesucht, bei dem das nicht der Fall sein muss. Bei der Musik ist es ja so: Wenn man gerade im Fluss ist, dann hört man nicht abends um zehn auf, sondern spielt bis in die Morgenstunden rein. Solche Momente will man auskosten.
In Ihren Liedern liefern Sie neben viel Gefühl auch politische Inhalte mit. Sie selbst sind seit Jahrzehnten im Bund Naturschutz engagiert. Was ist heute die wichtigste politische Botschaft?
Buchner: Es müsste Verbote geben, damit nicht so viel überflüssiges Konsumgut produziert wird. Oder: Wenn ich mir heute eine Leberkässemmel kaufe, dann wird die in einen halben Quadratmeter Alufolie eingepackt. Die esse ich und werfe das kostbare Aluminiumpapier achtlos weg. Da würde ich mir mehr Vernunft wünschen. Aber irgendwann wird das so kommen, spätestens, wenn die Bodenschätze alle aufgebraucht sind.
Obwohl man Sie politisch eher im linksliberalen, vielleicht im grünen Spektrum vermutet, schmücken sich auch CSU-Granden mit Ihnen. Wie gehen Sie damit um?
Buchner: Ja mei. Es ist ja nicht so, dass ich eine offene Feindschaft mit denen aus der CSU pflege. Im Gegenteil, ich habe damals mit Stoiber und Seehofer viel gesprochen, gerade was den Donauausbau betrifft. Ich rede gerne mit denen, die mir dann in bestimmten Fragen durchaus auch Recht geben.