Herr Gröblinghoff, in den vergangenen Jahren eilte Fendt von Rekord zu Rekord. Wie groß ist da die Gefahr, sich auf den Erfolgen auszuruhen?
Gröblinghoff: Unsere Einstellung ist: Wir gehen mit Bescheidenheit und Demut an die Arbeit, weil wir genau wissen: Erfolg ist kein Automatismus! Fendt ist sicher die Technologie- und Premium-Marke. Das heißt aber auch: Wir sind immer die Gejagten. Für uns bedeutet das, uns immer selbst zu hinterfragen, wie wir noch besser werden können. Im vergangenen Jahr ist uns das gelungen. Fendt hat 21.794 Traktoren produziert und ausgeliefert. Das ist das beste Absatzergebnis in der Fendt-Geschichte.
Die Ausgangslage dieses Jahr ist schwieriger: Der Fendt-Mutterkonzern AGCO rechnet mit sinkenden Umsätzen, weil die Nachfrage weltweit zurückgeht. Was heißt das für Fendt?
Gröblinghoff: Den Blick nur auf das Jahr 2023 zu werfen und daraus eine Prognose für dieses Jahr abzuleiten, greift zu kurz. In den vergangenen 20 Jahren hat es in der deutschen wie auch europäischen Landtechnik immer Zyklen von Marktabschwächungen und Auftrieben gegeben, die Veränderungen brachten. Die letzte große Delle gab es in den Jahren 2014 bis 2016. Danach stabilisierte sich der Markt in Europa wieder. Seit letztem Jahr beobachten wir wieder eine deutliche Abkühlung, die 2024 zum Tragen kommt: Die Zahl der verkauften Traktoren wird im Vergleich zum Vorjahr in Europa nochmals um etwa neun Prozent sinken. Diesem Markt müssen wir uns anpassen. Das geht allen Herstellern gleich.
Welche Ziele haben Sie unter diesen negativen Vorzeichen für dieses Jahr ausgegeben?
Gröblinghoff: Das Jahr 2024 wird ein sportliches – aber wir nehmen das als eine positive Herausforderung an. Wir wollen die gleiche Stückzahl und das gleiche Umsatzvolumen wie im Vorjahr erreichen. Das ist möglich, wenn wir es schaffen, aus dem nun kleineren Kuchen ein größeres Stück herauszuschneiden.
Aber wie soll das gelingen?
Gröblinghoff: Ich behaupte nicht, dass es einfach wird. Wir werden hart dafür arbeiten müssen. Trotzdem bin ich zuversichtlich. Wir haben eine umfangreiche und sehr attraktive Produktpalette. Des Weiteren haben wir in den vergangenen Jahren intensiv in unser Händlernetz investiert. Erfahrungen zeigen, dass professionelle Landwirtschaftsbetriebe immer investieren. Kleine Nebenerwerbslandwirte können eine Investition schon mal herauszögern. Professionelle Landwirte – und das ist die Mehrzahl unsere Kunden – tauschen ihre Maschinen, wenn die Notwendigkeit besteht. Insofern arbeiten wir mit unseren Vertriebspartnern daran, in Europa das gleiche Volumen zu verkaufen wie 2023.
AGCO hat in den vergangenen beiden Jahren 345 Millionen Euro in die deutschen Fendt-Werke investiert. Wird jetzt gespart, wenn die Umsätze sinken?
Gröblinghoff: Nein, wir werden dieses Jahr wie geplant allein am Standort Marktoberdorf 60 Millionen Euro in die Infrastruktur investieren. Das große Thema ist unser neues, 22 Meter hohes Hochregallager mit Platz für 1600 Paletten. Das brauchen wir, um Getriebekomponenten zwischenzulagern. Die Produktion von weit über 21.000 Traktoren stellt uns auch vor neue Herausforderungen. Zum Beispiel müssen wir täglich rund 80 Lkws abfertigen. Insofern ist es notwendig, Geld in die Optimierung unsere Logistik und Verladung zu investieren.
Fendt hat zuletzt viele neue Mitarbeiter eingestellt. Bleibt das so?
Gröblinghoff: Die Zahl unserer Mitarbeitenden in Deutschland hat sich in den vergangenen fünf Jahren massiv erhöht von knapp 5600 auf 7800. In der Phase eines sich abschwächenden Marktes ist unser Ziel, diesen Bestand zunächst zu festigen. Wir werden alles dafür tun, diese Stammmannschaft zu halten.
Wo liegen denn die Grenzen des Wachstums für Fendt? Im Stammwerk sind ja beispielsweise die Flächen ziemlich ausgereizt.
Gröblinghoff: Lassen Sie mich das zunächst allgemein beantworten: Wachstum ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. Industrieunternehmen schauen natürlich aufmerksam auf Niedriglohnländer, wo mittlerweile auch sehr gute Leistungen erbracht werden. Unser Mutterkonzern AGCO hat zum Beispiel gerade in Indien einen Standort mit 500 Mitarbeitern aufgebaut. Aber natürlich werfen wir jetzt in Marktoberdorf keinen Trauerflor über Fendt. Wir haben für diesen Standort ein grundsätzliches Interesse an Erweiterungsflächen und sind deswegen mit allen politischen Ebenen im Gespräch.
Anfang des Jahres waren auch viele Ihrer Kunden bei Demonstrationen auf der Straße. Wie blicken Sie auf die Bauernproteste und deren Anliegen?
Gröblinghoff: Ich kann die Landwirtinnen und Landwirte wirklich verstehen. Sie werden mit einer totalen Überbürokratisierung überfordert und gelähmt. Gleichzeitig werden aber keine langfristigen politischen Rahmenbedingungen entschieden. Damit nimmt man landwirtschaftlichen Unternehmern auch ihren Lebensgeist. Es ist in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt ausgehend von Brüssel – so viel Negatives für die Landwirte passiert, das grenzt an Bevormundung. Ich finde: So kann man mit einem Berufsstand nicht umgehen, der in Generationen denkt und sehr langfristig planen und investieren muss!
Entzündet hat sich der Protest am Agrardiesel. Damit eng verknüpft ist ja auch eine andere Frage: Wann werden alternative Antriebe denn endlich massentauglich?
Gröblinghoff: Das wird in der Landwirtschaft dauern! Denn es bedarf einer weiteren technischen Erforschung und Industrialisierung der Systeme, wie beispielsweise Wasserstoff. Ebenfalls muss die Nachfrage danach steigen, damit diese Technik auch bezahlbar wird.
Fendt fährt bei den alternativen Antrieben eine Dreier-Strategie: Hydriertes Pflanzenöl (HVO), Wasserstoff und Strom sollen es je nach Leistungsklasse richten. Wo sehen Sie die besten Erfolgsaussichten?
Gröblinghoff: Tatsächlich sehe ich die größten Chancen darin, dass wir weiterhin den klassischen Verbrennungsmotor nutzen. Deshalb auch die klare Botschaft: Wir sollten die Entwicklung der Verbrennungsmotoren nicht stoppen! Es gibt bei einer Leistung von über 200 PS noch keine Alternative. Landwirte haben für die Ernte manchmal nur ein Zeitfenster von zwei oder drei Tagen. Da muss der 500 PS-Mähdrescher oder der 700 PS-Maishäcksler durchgehend laufen. Für diesen kontinuierlichen Dauereinsatz auf dem Feld braucht es einfach die Energiedichte, die nur Treibstoffe analog zum Diesel liefern können.
Die Zukunft liegt also in Motoren, die mit Pflanzenölen (HVO) oder synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) laufen?
Gröblinghoff: Wir würden das sehr gut hinbekommen. Fendt-Motoren der neuesten Generation können mit diesen Treibstoffen fahren. Unsere Traktoren stoßen 90 Prozent weniger CO2 aus, wenn sie mit HVO oder E-Fuels betrieben werden. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und CO2-Reduzierung ist das auf jeden Fall das Beste. Die Frage ist: Schaffen wir es, diese Treibstoffe in ausreichender Menge und zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu erzeugen? Aber noch mal: Grundsätzlich ist das mit Abstand die sinnvollste Lösung. Auch weil die globale Infrastruktur mit Tankstellen bereits auf flüssige und pumpfähige Energieträger ausgelegt ist.
Wie sieht es beim Thema E-Traktoren aus? Sind die Batterien noch immer der limitierende Faktor?
Gröblinghoff: Eine Elektrifizierung ist derzeit bis etwa 130 PS technisch sinnvoll und machbar. In Zukunft sind möglicherweise auch einmal 160 PS denkbar. Bei noch größerer Leistung wirken sich aber die Größe und das Gewicht der Batterien auf die Einsatzfähigkeit der Traktoren im Verhältnis negativ aus.
Im September geht mit dem Fendt e1070 Vario der erste elektrisch angetriebene Fendt-Traktor in Serienproduktion. Mit welchen Stückzahlen planen Sie?
Gröblinghoff: Unser Ziel ist es, so schnell wie möglich eine vierstellige Zahl dieser E-Traktoren im Jahr zu verkaufen. Wirtschaftlich sind elektrisch betriebene Schlepper eine Herausforderung. Noch liegen wir etwa bei einem 1,8-fachen Preis gegenüber einem konventionellen Traktor gleicher Art mit Dieselmotor. Die Frage ist also: Welcher Kunde ist willens und in der Lage, diesen Preis zu bezahlen? Das müssen Käufer sein, die in der Lage sind, die höheren Kosten über ihre Produkte wieder hereinzubekommen. Wir sprechen also eher vom Winzer als vom Milchbauern.
Sie hatten prognostiziert, dass Wasserstofftraktoren etwa 2030 in Serie gehen könnten. Bleiben Sie dabei?
Gröblinghoff: Das Thema Wasserstoff ist eine große Herausforderung. Das zu handeln, ist schon sportlich. Wir haben tolle Erfahrungen mit unseren zwei Erprobungsmaschinen gemacht. Die laufen auf den Testbetrieben im Emsland hervorragend. Allerdings liegt die Nutzungsdauer nur bei ein paar Stunden, danach müssen sie wieder mit 700 Bar betankt werden. Da stellt sich derzeit schon noch die Frage, wie praxisnah das ist. Wenn wir also über Antriebstechnologie sprechen, bleibe ich dabei: Die größte Chance liegt im Verbrennungsmotor. Da ist noch einiges Potenzial vorhanden, wie man den optimieren kann.