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München
Bayerns SPD-Chef zum Fall Aiwanger: „Eine sehr gefährliche Entwicklung“
Bayerns SPD-Vorsitzender Florian von Brunn wirft Freie-Wähler-Chef Aiwanger Rechtspopulismus à la Trump vor. Der Wirtschaftsminister versuche, vom Versagen in der Energiepolitik abzulenken.
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Foto: Felix Hörhager, dpa (Archivbild) | Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn.
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:28 Uhr

Herr von Brunn, mit der Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat sich auch die Stimmung in Bayern geändert. Er stellt sich als Opfer einer „Schmutzkampagne“ dar und findet damit bei einigen Wählerinnen und Wählern offenbar Gehör. Die Freien Wähler legen in Umfragen kräftig zu, Ihre Partei, die SPD, verharrt unter zehn Prozent. Wie beurteilen Sie die Lage?

Florian von Brunn: Das Schlimmste war sein Umgang mit der Neonazi-Hetzschrift. Er hat versucht, zu tricksen und sich heraus zu mogeln. Das ist eines stellvertretenden Ministerpräsidenten nicht würdig. Es gibt aber noch ein großes Problem: Aiwanger hat als Wirtschaftsminister versagt. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung ist enorm wichtig für die Zukunft unserer Industrie und für unseren Wohlstand. Beim Ausbau erneuerbarer Energien und beim Leitungsbau hat er praktisch nichts erreicht. Jetzt versucht er, mit rechten Sprüchen davon abzulenken. Ich halte das für eine sehr gefährliche Entwicklung. Außerdem kann so jemand nach dieser Affäre und der Demo in Erding nicht mehr den Wirtschaftsstandort Bayern international repräsentieren.

Im Landtag sind Sie von Anfang an als scharfer Kritiker Aiwangers aufgetreten. Was hat Sie am meisten an seinem Umgang mit der Affäre um die Hetzschrift aus seiner Schulzeit gestört?

von Brunn: Jugendliche machen oft Mist. Das weiß jeder. Aber ich kennen keinen Fall, wo jemand so ein widerwärtiges, neonazistisches Flugblatt hatte. In meinem früheren Gymnasium wäre er bei allen Mitschülern unten durch gewesen und mit Sicherheit von der Schule geflogen. Man kann zwar jetzt sagen: gut, das war vor 35 Jahren. Aber darum geht es nicht. Entscheidend ist, dass er die Sache unter den Teppich kehren wollte. Er hat auch viel zu lange gebraucht für eine Entschuldigung. Die kam erst, als es nicht mehr anders möglich war. Und sie ist nichts wert, weil er gleichzeitig mit dem Finger auf andere zeigt und von einer Schmutzkampagne spricht. Er will im Nachhinein andere für sein eigenes Fehlverhalten verantwortlich machen. Ich halte das für schäbig – genauso wie seine Auftritte bei der Demo in Erding und andere Vorfälle.

Was meinen Sie damit?

von Brunn: In Erding hat er gebrüllt, die schweigende Mehrheit müsse sich die Demokratie zurückholen und die Berliner Chaoten vor sich hertreiben. Es war nicht das erste Mal, dass er so versucht hat, Stimmung zu machen. Er ist seinerzeit in der Finanzkrise auch gegen die Euro-Rettung auf die Barrikaden gegangen, hat von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen und dafür viel Beifall von der rechtsextremen NPD bekommen. Im Jahr 2012 hat er mit der späteren AfD-Politikerin Beatrix von Storch eine gemeinsame Veranstaltung in München gemacht. Der frühere CSU-Chef Erwin Huber hat ihm damals zu Recht vorgeworfen, dass er rechtsradikale Reden halte. Für mich ist klar: Aiwanger versucht, in schwierigen Zeiten mit Rechtspopulismus a la Trump politischen Profit zu machen. Damit überschreitet er rote Linien. Das geht gar nicht.

Trotzdem haben die Freien Wähler offenbar Zulauf. Wie erklären Sie sich das?

von Brunn: Die Situation ist für die Menschen schwierig. Die Klimakrise, die Pandemie, dann der Krieg und die steigenden Energiepreise, und schließlich der Druck zur Veränderung, der überall spürbar ist. Die Leute sind gestresst. Wie die AfD versucht auch Aiwanger, den Menschen weiszumachen, dass alles beim Alten bleiben könne. Und er macht es wie Donald Trump: Seht her, ich sage die Wahrheit, ich stehe auf Eurer Seite und deswegen versuchen die anderen, mich fertig zu machen. Die Wählerinnen und Wähler haben aber zum Glück am 8. Oktober die Wahl zwischen einem Rechtsruck mit falschen Versprechungen und sozialer Politik mit Anstand.

Ministerpräsident Markus Söder ist die zweite Hauptfigur in dieser Affäre. Er hat entschieden, dass Aiwanger Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident bleiben darf. Was sagen Sie zu seiner Rolle?

von Brunn: Er lässt Aiwanger alles durchgehen. Wie man in der CSU über Aiwanger denkt, wissen wir. Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann hat ihn schon im Jahr 2018 als Polit-Proleten bezeichnet, der Lichtjahre vom Niveau eines bayerischen Ministers entfernt sei und in dessen Kopf Unordnung herrsche. Söder hat Aiwanger aus wahltaktischen Gründen nicht entlassen. Er hat sich damit aber an Aiwanger und die Freien gekettet. Jetzt hat er es mit einem Partner zu tun, der ihm auf der rechten Seite Schwierigkeiten macht. Die Brandmauer gegen rechts ist damit brüchig geworden. Eine klare Entscheidung und die Entlassung wären richtig gewesen.

Sie haben die Wirtschaftspolitik in Bayern bereits angesprochen. Was würden Sie anders machen?

von Brunn: Wir wollen, dass Bayern auch in Zukunft stark ist. Ganz oben steht da für uns als SPD das Thema Energie. Die Bilanz der letzten fünf Jahre ist verheerend. Im Jahr 2022 wurden in Bayern 13 Windräder gebaut, in Nordrhein-Westfalen 98. Alle Unternehmer, mit denen ich rede, sagen mir, dass wir mehr Windkraft, mehr Leitungen und mehr Energiespeicher brauchen. Das zweite große Thema ist die Batterieproduktion. Unsere Automobilindustrie steht für ein Drittel der Wertschöpfung in Bayern. Und mittlerweile sind 40 Prozent der Wertschöpfung eines Autos von der Batterie abhängig. Das wollen wir viel stärker fördern.

Welche anderen Politikbereiche sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

von Brunn: Ganz klar die Bildungs- und die Sozialpolitik. Wir wollen kostenlose und gute Kitas. Bildung muss kostenfrei sein von der Kita bis zum Meister oder Master. Unser Ziel ist auch eine verlässliche Ganztagsbetreuung bis zum Jahr 2026. Das hat gleich zwei Vorteile: Zum einen sorgen wir für gute Bildung, zum anderen können beide Eltern arbeiten. Beide zahlen dann auch Steuern. So finanziert sich das zum Teil selbst. Und weil mehr Frauen arbeiten können, haben wir auch mehr dringend benötigte Fachkräfte.

Und in der Sozialpolitik?

von Brunn: Da geht es mir um zwei Dinge. Wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum, am besten 80.000 neue Wohnungen pro Jahr. Davon sollten 15.000 von der öffentlichen Hand gebaut werden. Und wir müssen viel mehr in eine gute Pflege investieren. Pflegeheime müssen stärker gefördert werden, um die Qualität zu verbessern und gleichzeitig die Beiträge zu senken. Wir wollen aber auch mehr Unterstützung für pflegende Angehörige. Das Versprechen des Ministerpräsidenten, für jeden Pflegefall ab Pflegegrad 2 vom ersten Januar dieses Jahres an einen Pflegeplatz zur Verfügung zu stellen, ist nicht eingelöst. Im Gegenteil: Es fehlen Fachkräfte und Pflegeheime müssen schließen.

 
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