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Augsburg
Augsburger Brustkrebsexpertin: "Die Heilungschancen bei Brustkrebs steigen"
Im Schnitt erkrankt jede achte bis zehnte Frau an einem Mammakarzinom. Die Uniklinik Augsburg ist nun Partner in einem Nationalen Spitzenverbund für Tumorerkrankungen. Was das speziell Brustkrebspatientinnen bringt.
Daniela Hungbaur
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:25 Uhr

Die Behandlung von Krebs soll nun in Bayern massiv vorangetrieben werden. Dafür will der neue Verbund von Krebszentren der Universitätskliniken Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg, kurz WERA, sorgen, denn dieser ist als eines von sechs Zentren deutschlandweit als Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) ausgezeichnet worden.Frau Prof. Ditsch, Sie leiten das Brustzentrum an der Uniklinik Augsburg und sind Mitglied des Geschäftsführenden Direktoriums NCT WERA. Was bringt der Zusammenschluss speziell für Brustkrebspatientinnen?

Prof. Dr. Nina Ditsch: Es ist eine Auszeichnung für Augsburg gemeinsam mit Würzburg, Erlangen und Regensburg als einer der vier neuen NCT-Standorte für Deutschland ausgewählt worden zu sein. Dass dieser Verbund geschlossen wurde, ermöglicht es uns, nun gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der weiteren bayerischen Unikliniken wie auch den Kooperationspartnern anderer Kliniken und aus dem Bereich der Niederlassung stärker und schneller die Forschung und die Überführung in die klinische Versorgung für Brustkrebspatientinnen voranzutreiben. Durch den Verbund steigt die Manpower an exzellenten Forschenden, es kommen innovative Ideen zusammen mit neuen Projekten und die Umsetzung in die Praxis, die Patienten in der Stadt wie auf dem Land zu Gute kommt, wird deutlich verbessert. Und zwar auf lange Sicht, nicht nur auf bayerischer und nationaler Ebene, sondern auch auf internationaler. Zum einen werden Diagnostik- und Therapiefortschritte bei Brustkrebs ganz erheblich beschleunigt. Besonders hervozuheben ist aber vor allem die Integration von Patientenvertretern als Forschungspartner, zum Beispiel in der Erstellung von Studienkonzepten, um ganz nah an den Wünschen und Nöten von Patienten zu bleiben. 

Wie muss man sich vorstellen, dass Patientinnen in den Therapiefortschritt eingebunden werden?

Ditsch: Ich bin seit vielen Jahren in sehr engem Kontakt mit Patientenvertretern. Diese werden beispielsweise in Studien von Beginn an noch stärker und direkter eingebunden. An einem konkreten Beispiel aus einer eigens am Uniklinikum Augsburg initiierten Studie bedeutet das, dass bereits in der Entwicklung von Konzepten Patientinnen angehört und ihre Ideen und Wünsche berücksichtigt werden. Patientenfragebögen können beispielsweise damit derart gestaltet werden, dass die Wortwahl und Formulierungen patientenverständlich sind, was eine Teilnahme an Studien begünstigt und die Datenqualität verbessert. So wird die Kommunikation vereinfacht und patientengerecht und kann problem-orientiert angegangen werden.

Haben Sie dafür noch ein Beispiel?

Ditsch: Zum Beispiel ist die Lebensqualität ein ganz entscheidender Punkt bei Krebspatientinnen. Nun kann ich als Ärztin oder Arzt ein ganz wunderbares neues Therapeutikum anbieten, das in Studien hervorragende Ergebnisse gebracht hat, und von dem ich weiß: das wirkt, das aber möglicherweise so stark belastend sein kann, dass es für eine Patientin das Alltagsleben zu sehr einschränkt. Ich hatte beispielsweise eine Patientin vor mir, die solch ein hochwirksames Therapeutikum gegen ihre Metastasen bekommen hat, und das auch bei ihr sehr gut gewirkt hat. Allerdings ist die junge Frau, sie war Mitte 30, während unseres Gesprächs einfach eingeschlafen. Ich habe sie dann gefragt: Wie geht es Ihnen wirklich unter dieser Therapie? Aus rein ärztlicher Sicht war klar, dass sie dieses Medikament nicht absetzen sollte. Doch die Patientin hat zu mir gesagt: So kann ich eigentlich nicht mehr leben. Sie hat kleine Kinder, mit denen sie überhaupt nichts mehr unternehmen konnte. Sie hat sich letztlich für eine Therapiepause entschieden. Das ist nur ein Beispiel, das aber gut zeigt, dass es unterschiedliche Perspektiven gibt und die Sicht der Patienten entscheidend ist. Man muss in so einem Fall gemeinsam andere Wege suchen und gehen.

Welche Fortschritte gibt es speziell bei Brustkrebs?

Ditsch: Es gab gerade in den letzten Jahren wirklich nicht nur erheblich mehr Therapien, sondern auch immer wirksamere Medikamente. Die Heilungschancen bei Brustkrebs steigen– auch, wenn die Patientin schon Metastasen hat. Als Beispiel kann ich die CDK4/6-Inhibitoren und die Checkpoint-Inhibitoren nennen, die gezielt bei bestimmten Tumoren zum Einsatz kommen. Hinzu kommt, dass heute wesentlich schneller als früher neue sogenannte Biomarker identifiziert werden, die immer zielgerichtetere Therapien ermöglichen. Das heißt, auch bei Brustkrebs wird die Therapie immer individueller auf die jeweilige Tumorerkrankung ausgerichtet und damit deutlich wirksamer.

Gleichzeitig erkranken mehr junge Frauen an Brustkrebs und haben oft aggressivere Formen.

Ditsch: Ich habe am Uniklinikum Augsburg die Spezialsprechstunde für erblichen Brust- und Eierstockkrebs etabliert und aufgrund meines Schwerpunktes, der bei erblichem Brustkrebs liegt, schon immer sehr viele junge Brustkrebspatientinnen behandelt. Wichtig ist, auch gerade für die jung erkrankte Patientin, ideale Therapieoptionen zu finden. Wir sind hier auf einem guten Weg, aber weitere Forschung ist in diesem Bereich zwingend notwendig.

Derzeit ist eine Ausweitung der Altersgrenze des Mammographie-Screenings in der Debatte. Bräuchten wir denn aus Ihrer Sicht eine frühere Brustkrebserkennung, müssten also Frauen schon unter 50 regelmäßig ins Mammographie-Screening?

Ditsch: An diesem Thema wird gerade gearbeitet, das stimmt. Derzeit gilt aber als sicheres und bewährtes Verfahren das Mammografie-Screening alle zwei Jahre ab einem Alter von 50 Jahren. Die Mammografie ist sicher eine gute Früherkennungsmethode, sie weist im Übrigen auch bei weitem nicht so eine hohe Strahlung auf, wie viele befürchten. Eine frühere Diagnostik ist bisher einer bestimmten Gruppe mit einem hohen bis sehr hohen Risiko gegenüber der Allgemeinbevölkerung vorbehalten und wird an geeigneten Zentren angeboten. In einer Risikosprechstunde, die am Uniklinikum Augsburg stattfindet, können Fragen hierzu geklärt werden. Meines Erachtens am wichtigsten ist es, dass die Frauen, die wirklich ein ernst zu nehmendes Problem oder einen Verdacht auf Brustkrebs haben, schnell einen Termin zur Diagnostik bekommen.

Was raten Sie als erfahrene Ärztin Frauen zur Vorsorge?

Ditsch: Ich finde es besonders wichtig, dass Frauen wie auch Männer die allgemein angebotenen Vorsorgeuntersuchungen annehmen. Hinsichtlich der Brustkrebsvorsorge ist diese vor allem bei den Frauenärztinnen und -ärzten empfohlen. Leider wird sie zum Teil aber nicht wahrgenommen. Und Frauen, die tatsächlich Veränderungen an ihrer Brust bemerken oder Schmerzen haben, sollten zeitnah ihren Frauenarzt informieren und einen Vorstellungstermin erhalten. Ein Ultraschall, der keine Strahlenbelastung hat, ist dort durchführbar. Aus der Untersuchung ergeben sich dann je nach Befund weitere Schritte. Am meisten rate ich aber: Seien Sie aufmerksam und achten Sie auf sich selbst. Jede Frau sollte einmal im Monat, immer in etwa zum gleichen Zeitpunkt, idealerweise in der ersten Zyklushälfte im Anschluss an die Periode, ihre Brüste abtasten. Das funktioniert am besten unter der Dusche, wenn man eingeseift ist.

Wie ursächlich ist der Lebensstil, also beispielsweise Übergewicht und Alkoholkonsum, für die Entstehung von Brustkrebs?

Ditsch: Dass der Lebensstil eine große Rolle bei Krebserkrankungen generell spielt, also nicht nur bei Brustkrebs, ist erwiesen. Und gerade eine ausgewogene Ernährung ist hier wichtig. Allerdings führt diese Erkenntnis oft dazu, dass Frauen sich dann vegan ernähren. Doch eine vegane Ernährung ist keine ausgewogene Ernährung. Unter einer ausgewogenen Ernährung versteht man eine an der Mittelmeerküche orientierte Ernährung, zu der auch immer mal wieder tierisches Eiweiß gehört. Und auch hin und wieder ein Glas Wein ist nicht verboten. Ich sage immer zu meinen Patientinnen: Das Wichtigste ist, dass man auf sich achtet. Und dazu gehört natürlich zum Beispiel, dass man nicht stark übergewichtig ist. Auf der anderen Seite muss man aber auch klar sagen: Krebserkrankungen haben oft nicht die eine Ursache, sondern sind meist multikausal.

Zur Person: Prof.Dr. Nina Ditsch, 48, hat seit 2021 die neu eingerichtete Professur für Operative und Konservative Senologie (Heilkunde der Brust) an der Uniklinik Augsburg inne und gehört u.a. auch der Leitlinienkommission der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) für den Bereich Mamma an.

 
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