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OBERNZENN
„Ich möchte niemandem vorschreiben, was er zu essen hat“
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.03.2017 03:45 Uhr

Er kommt aus Franken, genauer gesagt aus Obernzenn bei Bad Windsheim, und leitet seit 2014 das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Berlin: Christian Schmidt (CSU). Dort vertritt der 59-Jährige die Interessen der Bauern und der Verbraucher.

Frage: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein". Oder: „Zu viel Dünger, das ist Fakt, ist fürs Grundwasser beknackt.“ Sie haben die Plakatkampagne aus dem Bundesumweltministerium scharf kritisiert. Warum?

Christian Schmidt: Diese läppischen Sprüche kommen vielleicht im Prenzlauer Berg in Berlin gut an, aber nicht im ländlichen Raum. Mit dieser Kampagne wird der gesamte bäuerliche Berufsstand undifferenziert an den Pranger gestellt. 4,5 Millionen Menschen, die im Agrarsektor arbeiten, werden in den sozialen Medien und auf Plakatwänden vorgeführt und der Lächerlichkeit preisgegeben.

Aber die intensive Landwirtschaft ist die Ursache für viele Umweltprobleme, zum Beispiel das Nitrat im Grundwasser. Ende März wird eine neue Düngeverordnung verabschiedet. Warum brauchen wir diese?

Schmidt: Mit der Dünge-Verordnung ist uns ein ausgewogener Kompromiss zwischen den Umweltinteressen und einer praxistauglichen Lösung für unsere Bauern gelungen. Der Dünger muss bei den Pflanzen ankommen, aber nicht im Grundwasser. Wir müssen erreichen, dass Nährstoffe dort auf den Boden ausgebracht werden, wo sie benötigt werden und nicht immer nur dort, wo sie anfallen. Der Bedarf ist da, zum Beispiel in zahlreichen Ackerbauregionen mit wenig Viehbesatz. Deshalb müssen wir auch die Anstrengungen verstärken, die Aufbereitung von Gülle zu optimieren, um diese dann als Dünger leichter transportieren zu können.

Ein Liter Milch kostet weniger als eine Flasche Mineralwasser, auch Fleisch ist so billig wie nie. Die Folge ist, dass viele Bauern aufgeben. Die Landwirtschaft wird immer mehr zum Nebenjob oder zur Agrarfabrik. Wie steuern Sie gegen?

Schmidt: Das Prinzip „Wachse oder Weiche“ darf in der Landwirtschaft nicht gelten. Wir brauchen in Deutschland auch die Vielfalt der kleinen Betriebe. Das kann gelingen, indem sich die Erzeuger gut organisieren und wir auf einen Qualitäts- und nicht auf einen Preiswettbewerb setzen, da sind aber auch die Verbraucher gefragt. Ich möchte, dass wir in Zukunft den aktiven, in der Region verwurzelten Landwirt stärker in den Fokus der Fördermaßnahmen rücken.

War die Aufhebung der Milchquote vor knapp einem Jahr eine gute Strategie?

Schmidt: Die Strategie wurde schon vor zehn Jahren beschlossen und hat niemanden überrascht. Dennoch waren die Erzeuger nicht ausreichend gut auf den Markt vorbereitet. Sie haben angefangen, immer mehr zu produzieren. Doch wir brauchen weniger Milch zu einem besseren Preis. Deshalb haben wir festgelegt, dass wir nur die Bauern unterstützen, die nicht mehr produzieren.

Welche Steuerungselemente sind jetzt sinnvoll?

Schmidt: Wir müssen das Risiko in der Kette vom Bauern bis zum Supermarkt gerechter verteilen. Gerade den Molkereien kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Mit dem Branchendialog Milch habe ich einen Prozess angestoßen, der jetzt aber von den Beteiligten fortgesetzt werden muss. Eine kleinere Molkerei im Südosten Bayerns, die Milchwerke Berchtesgadener Land, macht derzeit Furore. Sie hat es geschafft, die Erzeuger von einer freiwilligen Mengendisziplin zu überzeugen und zahlt deswegen den Bauern zwischen 35 und 37 Cent. (Zur Einordnung: Bauern erhalten zeitweise weniger als 20 Cent für einen Liter Milch; Anmerkung der Redaktion) Es muss der Teufelskreis durchbrochen werden, dass die Bauern gar nicht anders können, als mehr zu produzieren, wenn der Preis nach unten geht.

Auf der Grünen Woche haben Sie Ihr Tierwohl-Label vorgestellt. Doch es gab Kritik von allen Seiten, weil das Label freiwillig ist. Hat Sie das geärgert?

Schmidt: Mit dem staatlichen Tierwohllabel, das ich im übrigen mit dem Bauernverband, dem Deutschen Tierschutzbund und der Verbraucherzentrale Bundesverband vorgestellt habe, möchte ich die Qualität in den Vordergrund stellen. Es geht jetzt darum, Tierwohl in mehr Ställe und damit auf mehr Teller zu bekommen. Umfragen, auch der jüngste Ernährungsreport zeigen, dass ein Großteil der Verbraucher bereit ist, mehr Geld für Fleisch zu zahlen, wenn die Tiere besser gehalten werden. Dieses Potenzial will ich nutzen. Und das kann nur mit einer klaren Kennzeichnung gelingen. Immer mehr Menschen möchten heute auch wissen, wie die Produkte erzeugt werden.

Gibt es bereits Betriebe, die sich für das Label interessieren?

Schmidt: Das Label kommt voraussichtlich 2018 auf den Markt. Ziel ist eine breite Marktdurchdringung. Das Label soll nicht in der Nische bleiben. Mit dem Biosiegel gibt es bereits ein staatliches Siegel, das viele Verbraucher erreicht. Das nationale Biosiegel tragen inzwischen mehr als 75 000 Produkte. Diese Entwicklung will ich mit dem Tierwohllabel auch erreichen.

Wird es in der Kantine Ihres Ministeriums dann nur noch Fleisch mit dem Tierwohl-Label geben?

Schmidt: Ich möchte niemandem vorschreiben, was er zu essen hat. Ich bin sogar dezidiert dagegen, dass der Staat vorschreibt, was bei den Bürgern auf dem Teller landet. Ich engagiere mich für Information, Transparenz, Ernährungsbildung und Qualität.

Aber Sie wollen das vegetarische Schnitzel verbieten.

Schmidt: Nein, das will ich nicht. Vor fünf Jahren haben wir eine ähnliche Diskussion zum Analogkäse geführt. Damals waren sich alle einig, dass dieses Produkt nicht als Käse bezeichnet werden darf. Genauso ist beispielsweise eine vegetarische Currywurst eine Irrführung für den Verbraucher. In Wurst muss Fleisch enthalten sein. Der Begriff „Wurst“ bedeutet für mich immer noch, dass Fleisch enthalten ist.

Gerade erleben wir die schlimmste Geflügelpest, die in Deutschland je auftrat. Ist denn ein Impfstoff in Planung?

Schmidt: Es gibt bereits Impfstoffe gegen unterschiedliche Vogelgrippe-Viren. Allerdings würde eine Impfung nur dann Sinn machen, wenn man eine Infektionskette unterbrechen will, die derzeit nicht vorliegt. In der aktuellen Situation bleiben also die umfangreichen Vorsorge- und Hygienemaßnahmen mit dem Ziel, einen Eintrag der Vogelgrippe in die Betriebe zu verhindern. Ziel der staatlichen Tierseuchenbekämpfung ist der Schutz der Tierbestände und wenn nötig auch der Menschen vor Krankheiten.

Zur Person

Christian Schmidt, Jahrgang 1957, stammt aus dem mittelfränkischen Obernzenn (Lkr. Neustadt a. d. Aisch), er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bereits mit 17 Jahren trat er in die Junge Union, zwei Jahre später in die CSU ein. Seit 1990 ist Schmidt Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2013 war er Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, 2013 bis 2014 beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Seit Februar 2014 ist der Christsoziale Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. clk/Foto: Stefan Pompetzki
 
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