Mal nicht von GroKo oder von internen Personalquerelen reden: Die SPD sehnt sich nach dem Landtagswahlkampf und damit nach einem Stück politischer Normalität. Möglichst mit einem Happy-End wie im Märchen. Das wurde beim Bezirksparteitag der Genossen in der Schneewittchen-Stadt Lohr (Lkr. Main-Spessart) deutlich.
„Heimatbegriff mit Leben füllen“
Im Mittelpunkt des Delegiertentreffens stand die Nominierung der Landtagsliste für Unterfranken. Vier Abgeordnete aus der Region stellt die SPD derzeit. Glaubt man den Umfragen, könnte es allem Zweckoptimismus zum Trotz knapp werden, das Ergebnis zu halten. Entsprechend begehrt sind die Spitzenplätze, auch wenn das bayerische Wahlrecht es den Wählern ermöglicht, die Kandidaten-Reihung durch den Parteitag mit entsprechenden Kreuzchen durcheinanderzuwirbeln.
Volkmar Halbleib führt die Liste an. 48 von 49 Delegierten stimmten für ihn. Der 53-Jährige aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) hat sich als Finanzpolitiker in München einen Namen gemacht. Die SPD müsse den „Heimatbegriff mit Leben füllen“, sagte Halbleib. Für ihn gehören da vor allem bessere Angebote bei der Kinderbetreuung, beim ÖPNV und beim Breitbandausbau dazu.
Um Platz zwei stritten sehr sachlich die Abgeordneten Martina Fehlner (57) und Aschaffenburg und Kathi Petersen (61) aus Schweinfurt. Letztere empfahl sich als Sozialpolitikerin („Kinderarmut ist eine Schande für ein so reiches Land wie Bayern“), Kultur-Expertin Fehler betonte vor den Delegierten ihren Einsatz für einen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie kulturelle Vielfalt auch auf dem flachen Land. Von dem vielen Geld, das der Freistaat hier investiere, sollte Unterfranken mehr abbekommen. Am Ende setzte sich Fehlner mit 28:20 Stimmen durch. Petersen wurde später ohne Gegenkandidat auf Platz vier gewählt.
„Auseinanderreißen der Gesellschaft“ verhindern
Position drei nimmt Georg Rosenthal (71) ein. In einer kämpferischen Rede forderte der frühere Würzburger Oberbürgermeister seine Partei zu Geschlossenheit auf. „Wir brauchen Euch alle“, rief er den Parteifreunden zu. Die Genossen sollten nicht immer nur das Haar in der Suppe suchen, sondern lieber erst mal von der Suppe kosten. Ein „aufrechter Gang“ sei schließlich die „beste Botschaft“, so Rosenthal, der auf 42 Stimmen kam.
Für Verjüngung stehen die Bewerber auf Platz fünf und sechs. René van Eckert (30) aus Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) landete bei der Abstimmung denkbar knapp mit 25:23 vor Sven Gottschalk (42) aus Lohr. Für beide dürfte es aber schwer werden, an den Platzhirschen der Unterfranken-SPD vorbeizuziehen.
Mit einer nachdenklichen Rede stimmte SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen die Delegierten auf den Wahlkampf ein. Es gelte ein „Auseinanderreißen der Gesellschaft“ zu verhindern, wenn sich Familien, Alleinerziehende oder Rentner die Mieten, Kinderbetreuung oder Pflege nicht mehr leisten können, wenn Beschäftigte durch die Digitalisierung ihre „Heimat in der Arbeitswelt“ verlieren. Sozialdemokraten werden „den Menschen mit ganz viel Herzblut zuhören“, versprach Kohnen. Der „Kraftmeierei“ der CSU und der „Verrohung“ der Auseinandersetzung in den sozialen Netzwerken“ wolle sie mit Sachlichkeit und Anstand begegnen.
Regionalkonferenz in Würzburg
Ganz ohne GroKo-Debatte vergeht bei der SPD derzeit aber kein Tag, schließlich müssen die Mitglieder bis Mitte der Woche per Brief entscheiden. Bei einer (nichtöffentlichen) Regionalkonferenz am Samstagabend in Würzburg diskutierten rund 80 Genossen aus ganz Franken mit Kohnen und Hessen-SPD-Chef Thorsten Schäfer Gümbel das Für und Wider. Es sei die „intensivste und offenste Aussprache“ gewesen, die er in über 30 Jahren SPD-Mitgliedschaft erlebt habe, sagt Volkmar Halbleib, ein GroKo-Befürworter. Michael Reitmair, der Bezirkschef der Jungsozialisten und erklärte Gegner der Zusammenarbeit mit der Union, spricht von einer „harten, aber fairen Debatte“. Zustimmung und Ablehnung gegenüber der GroKo hätten sich die Wage gehalten. Alle in der Partei rechnen mit einem knappen Ausgang des Mitgliedervotums.
Die Argumente auf beiden Seiten seien nicht neu gewesen, bestätigen Halbleib und Reitmair, Den Austausch habe aber der Wille geprägt, unabhängig vom Basisvotum die inhaltliche Erneuerung der SPD als linke Volkspartei gemeinsam voranzutreiben. Da mache es Mut, sagt Halbleib, dass auch in Unterfranken seit Silvester 300 Frauen und Männer neu in die Partei eingetreten sind. Insgesamt zählt die SPD auf Bezirksebene jetzt knapp 7000 Mitglieder.