Wer hustet, schnieft und keucht, wer sich beim Sport verletzt oder über Bauchschmerzen klagt, geht in aller Regel erst mal zu einer Person: zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Sie sind integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung, erste Anlaufstelle bei Krankheiten und persönliche Begleiterinnen und Begleiter für ihre Patienten – oft über viele Jahre hinweg. Aber auf dem Land bröckelt dieses System, es fehlen Ärztinnen und Ärzte. Wir haben mit zwei jungen Ärztinnen aus Thierhaupten gesprochen. Sie erzählen, warum sie sich entschieden haben, auf dem Land zu praktizieren und wie man junge Menschen für den Beruf motivieren könnte. Außerdem erzählt ein Medizinstudent aus dem Landkreis Dillingen, warum er später als Landarzt arbeiten möchte.
Stefanie Berger, Allgemeinmedizinerin in Thierhaupten:
Als ich studiert habe, vor zehn Jahren, da wirkte die Allgemeinmedizin noch sehr verstaubt. Man hatte das Bild von alten Herren, die in kleinen Praxen sitzen und den ganzen Tag Rezepte ausstellen. Das wurde damals an den Unis so vermittelt.
Heute ist das anders – zum Glück. Junge Menschen machen häufiger ein Praktikum auf dem Land. Und merken: Die Arbeit ist vielseitig. Anders als in Kliniken haben wir engen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten. Wir können uns Zeit für sie nehmen. Teilweise begleiten wir sie von der Geburt bis ins Erwachsenenalter hinein. Manche bis zum Tod. Man kann etwas bewegen im Leben der Menschen hier. Und das merken auch die Studierenden, die zu uns kommen.
Es fehlt trotzdem noch einiges, um die Landarzt-Lücken auf dem Land zu schließen. Man müsste zunächst einmal die Zahl der Medizin-Studienplätze erhöhen. Mehr Studentinnen und Studenten heißt dann auch, mehr Landärztinnen und Landärzte. Und dann müsste man stärker dafür werben, Praktika in einer Landarztpraxis zu machen. Das würde viel helfen.
Ich persönlich habe diese Entscheidung nie bereut. Ich stamme nicht aus der Region. Studiert habe ich in Düsseldorf. Aber mein Mann kommt aus Meitingen. Im Jahr 2015 habe ich die Praxis übernommen.Ich wurde in Thierhaupten sehr herzlich aufgenommen.
Etwa 400 Arztstellen sind laut bayerischem Gesundheitsministerium im Freistaat unbesetzt. Die Versorgungsquote liegt bei 94 Prozent. Zu niedrig also. Und das Problem könnte sich in den kommenden Jahren verschärfen. Das Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte liegt bei 56 Jahren. Viele gehen bald in Rente. Und die Jüngeren wollen oft keine eigene Praxis leiten. Ihnen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Und sie wollen deshalb eher als Angestellte arbeiten, weniger als Selbstständige. Maria Stich sagt: Familie und eigene Praxis muss kein Gegensatz sein.
Maria Stich, Allgemeinmedizinerin in Thierhaupten:
Es ist mir persönlich wichtig, dass Menschen wohnortnah versorgt sind. Und dazu gehört nicht nur, eine Klinik in der Nähe zu haben. Es braucht Arztpraxen. Denn: Wer krank ist, geht erstmal zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Aber viele Landkreise in Deutschland sind unterversorgt. Deshalb werben wir gezielt bei Studierenden, auf dem Land zu praktizieren.
Für mich kam eine Stadtpraxis nie infrage. Ich komme aus einer Arztfamilie, schon mein Vater hatte ein Praxis auf dem Land. Aber der Weg dahin war nicht leicht. Die Allgemeinmedizin kam im Studium kaum vor. Teilweise hatten die Unis nicht mal entsprechende Lehrstühle. Dabei sind genau die wichtig, um dem Ärztemangel vorzubeugen. In Augsburg beispielsweise gibt es das Fach erst seit 2019. Dafür ist dieser Lehrstuhl heute mit jungen Professorinnen und Professoren besetzt. Das finde ich gut. Es ist wichtig, die Studierenden zu motivieren, um langfristig die Gesundheitsversorgung auf dem Land sicherzustellen.
Und der Job bringt im Gegensatz zur Arbeit in der Klinik viele Vorzüge mit sich. In der Allgemeinmedizin gibt es eine hohe Work-Life-Balance. Das ist in unserem Beruf nicht selbstverständlich. Ich bin meine eigene Chefin und kann mir meine Zeit relativ frei einteilen. Wenn ich beispielsweise Mittags mein Kind aus der Schule holen muss oder in der Mittagspause laufen gehen möchte, dann ist das kein Problem. In einer Klinik wäre das nicht ohne weiteres möglich.
Der Freistaat hat das Problem erkannt. Und will gegensteuern. Beispielsweise mit der Landarztquote. Wer keinen ausreichenden Abitur-Schnitt hat, kann über die Landarztquote einen Studienplatz bekommen. Die Studierenden verpflichten sich dann aber, zehn Jahre lang auf dem Land zu praktizieren. Michael Ruoff ist einer von ihnen.
Michael Ruoff, Medizinstudent in Augsburg:
Ich möchte später in einer Landarztpraxis arbeiten. Aktuell studiere ich im ersten Semester Medizin. Das war immer mein Traum. 2018 habe ich Abitur gemacht. Meine Note war allerdings nicht gut genug, um direkt einen Studienplatz zu bekommen. Über die Landarztquote hat es geklappt. Die gibt es in Bayern seit 2020. Eingeführt wurde sie, um die Gesundheitsversorgung auf dem Land zu sichern.
Stark vereinfacht heißt das: Wenn Studierende sich verpflichten, nach dem Studium in einer Landarztpraxis zu arbeiten, erhalten sie erleichtert einen Studienplatz. Also auch dann, wenn der Schnitt nicht ausreicht. Für die Vergabe gibt es maßgeblich drei Kriterien: eine Berufsausbildung im medizinischen Bereich, ein aktiv ausgeübtes Ehrenamt und einen Medizinertest. Man muss nicht jedes Kriterium erfüllen. Aber je mehr man vorweisen kann, desto höher ist die Chance, angenommen zu werden. Mir kam das sehr entgegen: Beim Roten Kreuz engagiere ich mich seit Schulzeiten. Außerdem habe ich nach der Schulzeit erst mal eine Ausbildung gemacht – zum Gesundheits- und Krankenpfleger. Das hat meine Chancen erhöht. Und ich habe dadurch Einblicke in das Berufsleben bekommen.
Aber die Quote ist nicht der einzige Grund, warum ich aufs Land möchte. Ich bin in Dillingen aufgewachsen, mir gefällt es hier. Warum so viele unbedingt in die Stadt wollen, verstehe ich nicht. Und ich mag die Allgemeinmedizin. Man ist nah an den Menschen und die Abwechslung ist groß. Das habe ich schon in der Ausbildung gemerkt.