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Gesundheit
Augsburger hat Riesenglück und erhält eine Niere
Matthias Futterknecht ist 40 Jahre alt, als er erfährt, dass seine Nieren zerstört sind. Wie viele Schwerkranke hoffte er auf eine Organspende. Doch die Lage der Wartenden ist dramatisch.
ZK_Prof_Matthias_Anthuber_Juli17_7       -  Chefarzt Prof. Matthias AnthuberChefarzt Prof. Matthias Anthuber, Chirurgisches Zentrum im Zentralklinikum Augsburg. Der Mediziner ist ehemaliger Handball-Nationalspieler für Deutschland. SPO Porträt Handball
Foto: Bernhard Weizenegger | Chefarzt Prof. Matthias AnthuberChefarzt Prof. Matthias Anthuber, Chirurgisches Zentrum im Zentralklinikum Augsburg. Der Mediziner ist ehemaliger Handball-Nationalspieler für Deutschland. SPO Porträt Handball
Daniela Hungbaur
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:31 Uhr

Es begann damit, dass Matthias Futterknecht sich einfach nicht gut fühlte. Er hatte Schüttelfrost, Schweißausbrüche und plötzlich auch Blut im Urin. Der Urologe machte eine Blutuntersuchung und verwies ihn sofort in die Notaufnahme. Doch für beide Nieren des damals 40-Jährigen kam jede medikamentöse Hilfe zu spät. Sie waren schon zerstört. Was der Augsburger nicht wusste: Er leidet an einer sogenannten Vaskulitis, also an einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung, bei der in seinem Fall vor allem kleine Blutgefäße von Organen zerstört werden. Seit März 2017 musste er an die Dialyse. Worauf er seitdem hoffte, war eine Spenderniere.

Organspendenzahlen um beinahe 30 Prozent eingebrochen

Doch die Lage bei den Organspenden ist in Deutschland dramatisch: Die Organspendezahlen waren im ersten Quartal 2022 um beinahe 30 Prozent eingebrochen, berichtet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Bis Ende Oktober habe es bundesweit 710 Organspender in den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern gegeben, dies seien 65 weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Organmangel habe sich damit weiter verschärft in Deutschland. Für die rund 8.500 schwer kranken Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten eine äußerst bedrückende Situation. 

Allein aus Bayern standen am 31. Dezember 2022 nach Angaben von Eurotransplant, der internationalen Organvermittlungsstelle, 1190 Patienten auf der Liste für eine Transplantation – demnach warten im Freistaat 127 schwer kranke Menschen auf ein Herz, 77 auf eine Lunge, 899 auf eine Niere, 90 auf eine Leber und 29 auf eine Bauchspeicheldrüse. Jeden Tag sterben in Deutschland nach Angaben der DSO im Schnitt zwei bis drei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein neues Organ bekommen. 

In Augsburg wartet man etwa acht bis zehn Jahre auf eine Niere

160 Patientinnen und Patienten sind es aktuell, die allein auf der Warteliste des Transplantationszentrums der Universitätsklinik Augsburg verzeichnet sind. Sie warten alle auf eine Niere, da man im Haus auf Nierentransplantationen spezialisiert ist. Und sie warten oft sehr, sehr lange: etwa acht bis zehn Jahre, sagt Dr. Florian Sommer. Den erneuten Rückgang an Organspenden erklärt der Oberarzt unter anderem auch mit den extremen personellen Engpässen an den Kliniken. Wenn ohnehin schon alle völlig überlastet sind, bleibe oft zu wenig Zeit für die anspruchsvolle Aufgabe, sich um Organspenden zu kümmern.

Vor allem aber fehle es an Organspendern in Deutschland, betont Sommer. Zwar zeigten Umfragen, dass rund 84 Prozent der Deutschen der Organspende positiv gegenüberstehen. Allerdings besitzen nur 36 Prozent einen Organspendeausweis. Für den Leiter des Transplantationszentrums am Uniklinikum Augsburg, Prof. Dr. Matthias Anthuber, und für seinen Kollegen Florian Sommer ist es daher höchste Zeit, endlich die Widerspruchsregelung einzuführen. Das heißt, jeder ist automatisch Organspender, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich. 

Denn zu viele schieben das Thema so lange weg, bis sie oder ein Angehöriger betroffen sind und ein Organ brauchen. Um dem entgegenzuwirken und möglichst viele für dieses lebensrettende Thema zu sensibilisieren, organisiert Anthuber mit seinem Augsburger Team auch einen Organspendelauf. Den Lauf gab es im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zwar schon länger, doch erst seitdem Anthuber die Teilnahme öffnete und nicht mehr nur Mediziner mitmachen können, sondern alle, denen das Thema wichtig ist, hat das Event, das es seit der Corona-Pandemie als Präsenzlauf und virtuell gibt, viel Zulauf. Anthuber und sein Team wurden für ihren Einsatz heuer mit dem renommierten „Springer Medizin Charity Award“ ausgezeichnet.

Viele Patienten sterben, bevor ein passendes Organ gefunden wird

Matthias Futterknecht ist ehrlich: Auch er hatte keinen Organspendeausweis. Auch er hat um das Thema Organspende stets einen Bogen geschlagen. Doch von einem Tag auf den anderen im März 2017 war das Thema für ihn überlebensentscheidend. Gut, wer schwer an den Nieren erkrankt, hat zumindest mit der Dialyse eine Behandlungsmöglichkeit. Häufig führen Nierenerkrankungen auch zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sind Folge von Diabetes, erklärt Sommer. „Viele Patienten sind zu krank für eine Transplantation oder sterben, bevor ein passendes Spenderorgan für sie gefunden wird.“

Matthias Futterknecht ist kein Mann, der klagt. Für ihn sei es trotz der niederschmetternden Diagnose entscheidend gewesen, „so viel Normalität wie nur möglich“ für sich, seine Partnerin und den Sohn zu bewahren. Doch im Gespräch wird deutlich, was für ein Schlag das ist, wenn man erfährt, dass man so schwer krank ist, dass eine Heilung in so weite Ferne rückt und man gleichzeitig erkennen muss, dass man wohl nicht sehr alt wird. „Ich habe versucht, sehr viel mit mir selbst auszumachen“, sagt der heute 45-Jährige. Vor allem wollte er weiter arbeiten, denn er liebt seinen Beruf als Landschaftsgärtner. Er ist für die technische Umsetzung zuständig und kann so viel vom Büro aus arbeiten.

Seit März 2017 war er auf eine Dialyse angewiesen. Ein Schicksal, das er mit etwa 80.000 Menschen bundesweit teilt. Es sei eine äußerst belastende Behandlung, berichtet er. Die ersten vier Jahre hat er sie selbst von zu Hause aus durchgeführt. Doch nach vier Jahren habe sich sein Gesundheitszustand so verschlechtert, vor allem habe sich so viel Wasser in seinem Körper angesammelt, dass er zur sogenannten Hämodialyse wechseln musste. Dabei werden Nierenerkrankte in einem Dialysezentrum an eine Maschine angeschlossen, die die Entgiftungsfunktion der Niere übernimmt. „Auch diese Behandlungen sind wahnsinnig anstrengend“, sagt Futterknecht, man schlafe zwar meist während der Therapie, doch auch danach sei man total erschöpft, da die Therapie unter anderem dem Kreislauf massiv zusetzt. Dreimal in der Woche, jeweils fünf Stunden dauerte bei ihm die Prozedur.

Nierenkranke dürfen oft nur sehr wenig trinken

Hinzu kommt, dass Nierenkranke sehr aufpassen müssen, was sie essen und trinken. Dialysepatienten scheiden kaum noch Flüssigkeit über den Urin aus, die Trinkmenge ist mit dem Arzt abgesprochen. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man vor einem Teller Spaghetti sitzt und nur ein 0,2 Liter Glas Wasser trinken darf“, sagt Futterknecht und nimmt einen großen Schluck aus seiner Halbliterflasche Apfelschorle. Heute darf er nämlich trinken. Heute soll er sogar zwei bis drei Liter am Tag trinken. Matthias Futterknecht hatte im Oktober das Riesenglück, dass er eine neue Niere bekommen hat. Das war so früh nur möglich, da wirklich eine Niere gespendet wurde, die exakt zu seinen Gewebemerkmalen passte. „Seitdem fühle ich mich, als wäre ein giftiger Schleier vor mir plötzlich wieder hochgezogen worden“, sagt er. Sofort nach der Operation habe er gespürt, wie gut es ihm gehe. „Das ist wirklich so, als bekomme man fast ein neues Leben geschenkt.“

Weitere Informationen: Informationen zur Organspende und zum Organspendeausweis unter www.organspende-info.de; der nächste Organspendelauf startet am 25. April, Informationen dazu unter: www.organspendelauf.de

 
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