Der polizeiliche Präventivgewahrsam, wie er in dem seit Jahren heftig umstrittenen bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) geregelt ist, steht nicht im Widerspruch zur Bayerischen Verfassung. Das hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am Mittwoch in München entschieden. Eine abschließende Entscheidung über andere, seit Jahren kontrovers diskutierte Regelungen des PAG steht noch aus.
SPD und Grüne machten gegen die Reform mobil
Die massiven Proteste gegen das neue PAG liegen fünf Jahre zurück. Rund 40.000 Menschen gingen im Mai 2018 in München auf die Straße, um gegen die Neufassung des Gesetzes in Bayern zu demonstrieren. Im Landtag machten SPD und Grüne gegen die Reform mobil. Als dann später auch Rechtsexperten das neue PAG kritisierten, besserte die Staatsregierung nach. Der besonders umstrittene Begriff der „drohenden Gefahr“, der der Polizei weitreichende Eingriffe in Grundrechte gestattete, wurde präziser gefasst. Zahlreiche Maßnahmen darf die Polizei nur noch ergreifen, wenn ein Richter sie anordnet oder zustimmt. Und die Höchstdauer des vorsorglichen Polizeigewahrsams wurde von sechs auf maximal zwei Monate begrenzt.
Eine der Klagen gegen das neue PAG kam vom Bund für Geistesfreiheit (BfG). Die Organisation, die in dem neuen Gesetz massive Eingriffe in Grundrechte von Bürgerinnen und Bürger erkannte, ging mittels einer Popularklage gegen das PAG vor. Auch die Kläger besserten nach, scheiterten aber jetzt auf breiter Front. Der Verfassungsgerichtshof stellte das Verfahren teilweise ein und wies die Klage im Übrigen ab. „Zulässig angegriffen“, so entschied das höchste bayerische Gericht, wurden lediglich die neu geschaffenen Befugnisse der Polizei zum Präventivgewahrsam sowie dessen höchstzulässige Dauer. Diese Vorschriften wurden vom Verfassungsgerichtshof geprüft. Ergebnis: Sie sind mit der Verfassung vereinbar, genügen dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und verstoßen nicht gegen das Grundrecht der Freiheit der Person. Vertreter von Regierung und Opposition zeigten sich zufrieden mit dem Richterspruch. Der Landtagsabgeordnete Josef Schmid (CSU) sagte: „Unsere rechtlichen Argumente sind zum Tragen gekommen. Die Entscheidung bestätigt uns voll.“ Auch im Bereich der Prävention liege das PAG noch im Bereich der Verhältnismäßigkeit. „Das Gesetz ist verfassungskonform“, sagte Schmid.
Der Landtagsabgeordnete und Rechtspolitiker Horst Arnold (SPD) verwies auf Nachfrage unserer Redaktion darauf, dass der Verfassungsgerichtshof sich noch nicht mit den Einwänden von SPDund Grünen befasst habe. Die beiden Landtagsfraktionen haben das PAG im Rahmen einer „Organstreitigkeit“ angegriffen, über die in der Sache noch nicht entschieden wurde. „Die schwächere Klage“ des Bundes für Geistesfreiheit sei in den Bereichen, auf die es ankomme, unzulässig gewesen, sagte Arnold. Seine Befürchtung, der Verfassungsgerichtshof könnte dem vorgreifen, habe sich nicht bestätigt.
Präventivgewahrsam darf nur letztes Mittel sein
Besonders zufrieden äußerte sich Arnoldüber die Begründung der Entscheidung durch den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, Hans-Joachim Heßler. Er habe klargestellt, so Arnold, dass der Präventivgewahrsam nur das letzte Mittel sein könne und dass er „nur bei konkreter Gefahr und bei Straftaten von erheblicher Bedeutung“ angeordnet werden dürfe.
Über den wichtigsten Streitpunkt, den Begriff der „drohenden Gefahr“, und alle anderen Einwände der Landtagsopposition ist noch keine Entscheidung gefallen. Das wird voraussichtlich erst im Rahmen der Organstreitigkeit entschieden. Gerichtspräsident Heßler sagte, er gehe davon aus, dass das PAG noch öfter Thema vor Gericht sein wird.