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München, Augsburg
Söders Gender-Verbot überrascht selbst die eigenen Leute
"Hausverbot" fürs Gender-Sternchen in bayerischen Schulen und Behörden: Wann und wie Söders Idee umgesetzt werden soll, ist unklar. An ihrem Sinn werden deutliche Zweifel wahr.
Christoph Frey
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:45 Uhr

Genau sechs Zeilen in Markus Söders 26-seitiger Regierungserklärung macht der Absatz aus, der auch am Tag danach Wellen schlägt. Inhaltlich lässt er sich auf einen Satz reduzieren: "Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen." Haus- und Schreibverbot fürs Gender-Sternchen in Bayerns Amtsstuben und Klassenzimmern: Damit hat Markus Söder viele überrascht – auch die eigenen Leute.

Söder kündigt Gender-Verbot für Schulen und Behörden an

Aus Söders Staatskanzlei verlautete jedenfalls am Mittwoch, in der Regierungserklärung habe Söder alles gesagt, was es derzeit zu sagen gebe. Staatsminister Florian Herrmann legte später am Tag nach, man zeige bei diesem Thema "eine klare Haltung gegen die Aufweichung bestehender Rechtschreibregeln". 

Über die Details der Umsetzung schwieg sich die Regierungszentrale aus. Offenbar ist sie nicht spruchreif. Offene Fragen gibt es aber zuhauf. Ab wann soll das Verbot gelten? Sind davon auch Stadtverwaltungen und Landratsämter betroffen, die ja zum Teil auch Staatsbehörden sind? Müssen die bisherigen Richtlinien für geschlechtersensible Sprache in Bayern überarbeitet werden? Trifft das Gender-Verbot auch Universitäten und Rundfunk? In Hessen ist das zumindest so beabsichtigt. 

Bayern ist nicht das erste Bundesland, das gegen das Gendern vorgeht. Drei Bundesländer in Deutschland haben den Gebrauch von Gender-Sternchen und anderen Sonderzeichen in Schulen untersagt. Kinder in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, die trotzdem Gender-Sternchen oder Doppelpunkt einsetzen, müssen von ihren Lehrkräften mit Minuspunkten bewertet werden. In Bayerns Schulen wird die Gender-Schreibweise bislang bei Korrekturen beanstandet, zu schlechteren Noten führt sie nicht.

Auch andere Bundesländer gehen gegen das Gendern vor

Wie das künftig sein wird? Bayerns neue Kulturministerin Anna Stolz (FW) versprüht wenig Begeisterung über den Vorstoß des Ministerpräsidenten. Stolz findet, dass die Sache jetzt schon gut geregelt sei, wie sie auf Anfrage unserer Redaktion sagt. "Wir haben an den Schulen bereits einen klaren Leitfaden zur sprachlichen Repräsentanz der Geschlechter. Wir werden jetzt prüfen, ob es Änderungsbedarf gibt. Eines ist mir ganz wichtig: Wir wollen und werden gute und verlässliche Regelungen für alle Beteiligten finden." Stolz hatte vorab nichts von Söders Verbotsplänen gewusst. 

Auch der CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek soll Söders Rede vorab nicht gekannt haben, tags darauf sprang er seinem Ministerpräsidenten und Parteichef bei. Das Gender-Verbot sei ein "klares Statement, ein Zeichen, dass nicht die Ideologie zählt, sondern der gesunde Menschenverstand". "Das Gendern bringt überhaupt nichts", sagte Holetschek weiter, mit dem Verbot wolle man die Lebensrealität der Menschen abbilden. 

Lehrer-Präsidentin Fleischmann: "Gender-Verbot bringt gar nichts"

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (BLLV) ist da skeptisch. "Ein Verbot hat noch nie etwas gebracht", sagt Simone Fleischmann. "Mir geht es darum, dass wir sensibel in unserer Sprache sind, niemanden ausschließen und zeigen, dass wir eine integrative Gesellschaft sind. Sollen wir das dann einfach verbieten und eine Sechs geben, wenn der Schüler so spricht oder so schreibt?" Die heutige Generation von Schülerinnen und Schülern sei sich der Gender-Problematik bewusst und wolle sich entsprechend ausdrücken. "Ein Verbot kann doch diese gesellschaftliche Entwicklung nicht zurückdrehen. Diese Macht hat auch Herr Söder nicht." An vielen Schulen werde über gender-gerechte Ausdrucksweisen diskutiert und Fleischmann hält das für eine notwendige Debatte zwischen verschiedenen Generationen. "Da können wir doch nicht einfach sagen: Stopp, das ist jetzt verboten, das gibt es nicht."

So reagiert Kultusministerin Stolz auf Söders Gender-Verbot

Die Vertreter anderer Bildungsverbände äußern sich ähnlich: "Ein hartes Verbot neuer Schreibweisen halte ich (...) nicht für notwendig und zielführend. Es bestünde damit eher die Gefahr einer weiteren Spaltung und Polarisierung in der Schulgemeinschaft", sagte etwa der Vorsitzende des Philologenverbandes (bpv), Michael Schwägerl, am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in München. Der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes (brlv), Ulrich Babl, erklärte: "An den bayerischen Realschulen ist Gendern kein nennenswertes Thema, eine Genderpflicht lehnen wir jedoch klar ab." 

Der bpv setze sich dafür ein, dass in bayerischen Schulen sorgfältig mit der deutschen Sprache umgegangen werde, so Schwägerl. Wegen der wachsenden Zahl an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sei für den Spracherwerb eine klare Orientierung notwendig. "Wer noch mit den drei grammatischen Geschlechtern und den richtigen Artikeln der deutschen Sprache kämpft, braucht keine zusätzlichen Schwierigkeiten."

 
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