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WÜRZBURG/MÜNCHEN
Gehören Schwarzfahrer in den Knast?
Fahrkarten-Kontrolle       -  Die Fahrkarten bitte!
Foto: Daniel Reinhardt (dpa) | Die Fahrkarten bitte!
Manuel Scholze
Manuel Scholze
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:35 Uhr

Fahrkarte kaufen oder nicht? Diese Entscheidung machen die einen wohl eher an der Frage des Wochentages fest – logisch, denn am Wochenende wird vermeintlich weniger kontrolliert. Andere glauben bei der Findung einer Antwort schlichtweg an Karma. Doch die Entscheidung, ob sich das Lösen eines Tickets für die anstehende Fahrt lohnt, kann schwerwiegend sein.

Bis zu einem Jahr Haft drohen Schwarzfahrern, die mehrfach ohne ein Ticket in öffentlichen Verkehrsmitteln erwischt wurden. Betroffen sind davon laut „Spiegel“-Informationen derzeit hunderte Menschen, die in deutschen Gefängnissen sitzen. Glaubt man weiteren Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“, waren im Jahr 2016 rund 7.600 Menschen im Knast, die zu häufig ohne gültiges Ticket gefahren und in eine Kontrolle geraten sind. Viele dieser Fälle fallen unter den Tatbestand des „Erschleichens von Leistungen", für den im Frühjahr 2017 bayernweit 111 Personen inhaftiert waren. Für Würzburg gibt es auf Anfrage keine konkreten Zahlen. Ein Ermittlungsverfahren entscheidet, was auf den Betroffenen zukommt, weiß der Würzburger Anwalt Jochen Bauer.

Von Geldstrafe bis zur Freiheitsstrafe: der Einzelfall entscheidet

„Generell gibt es für Schwarzfahren keinen Freifahrtschein“, sagt Bauer. Automatisch werde für jede Schwarzfahrt eine Anzeige erstattet, über die die Staatsanwaltschaft entscheidet. „Wenn einer zum ersten Mal ohne Fahrschein fährt und sich sonst nichts oder wenig zu Schulden kommen lassen hat, wird das Verfahren in der Regel eingestellt.“ Natürlich ist die Strafe des Anbieters, beispielsweise der WVV in Würzburg, ähnlich wie bei einer Fangprämie für Ladendiebe, zu entrichten.

Wie ist die Sozialprognose?

Ob jemand ins Gefängnis geht, hängt auch von der Vorgeschichte des Angeklagten und dessen sozialen Umfelds ab. „Ins Gefängnis kommen Härtefälle, bei denen nichts anderes fruchtet“, sagt Bauer. Beispiel JVA Plötzensee in Berlin: Hier gab es laut SZ Zeiten, in denen jeder dritte Gefangene wegen Fahrens ohne Ticket inhaftiert war. Hier stellt sich die Frage, ob Gefängnisse nicht für jene Menschen reserviert sein sollten, die wirklich schwere Straftaten begangen haben.

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Natürlich müssen lange nicht alle in den Knast, viele notorische Schwarzfahrer kommen erst dahin, wenn sie beispielsweise ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten und eine Ersatzhaft antreten. Die Höhe der Geldstrafe richtet sich nach dem Einkommen; hinzu kommen - meist geringe - Gerichtskosten. Verdient beispielsweise ein Angeklagter 1.200 Euro netto, wird der Tagessatz auf 40 Euro festgesetzt. So können bei einem Verfahren 20 Tagessätze à 40 Euro Strafe, also 800 Euro, auf einen Schwarzfahrer zukommen.

Schwarzfahren       -  60 Euro kostet Schwarzfahren vielerorts. Die Strafe geht an den Anbieter des öffentlichen Verkehrsmittels. Mit der Anzeige an sich hat diese Gebühr aber nichts zu tun.
Foto: Jens Wolf (dpa-Zentralbild) | 60 Euro kostet Schwarzfahren vielerorts. Die Strafe geht an den Anbieter des öffentlichen Verkehrsmittels. Mit der Anzeige an sich hat diese Gebühr aber nichts zu tun.

Linke und Grüne fordern deutliche Lockerung

In einem Bundestagsantrag vor genau zwei Monaten fordern Linke und Grüne, dass Schwarzfahren keine Straftat mehr sein dürfe. Sie hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vorgelegt, wonach Schwarzfahren das Fahren ohne gültiges Ticket als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden soll.

Geht es nach Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU), bleibt es weiterhin bei einem Straftatbestand. "Das ist einfach keine Bagatelle. Schwarzfahren verursacht jährlich dreistellige Millionenschäden – die zahlen letztlich wir alle über höhere Fahrpreise! Das Signal, das mit einer Straflosigkeit einherginge, wäre daher doppelt verheerend: Der Ehrliche ist der Dumme - er bezahlt letztlich mit höheren Fahrpreisen das Ticket für den Schwarzfahrer. Und der Schwarzfahrer kann strafrechtlich unbehelligt weiter schwarzfahren. "

Auch der Würzburger Anwalt Jochen Bauer hält die Forderung der Linken und Grünen für den falschen Weg: „Ich tue mir schwer damit, das als Ordnungswidrigkeit abzugelten.“ Die aktuelle Lösung erhöhe die Chancen, aus Schwarzfahrern letztlich doch wieder Weißfahrer zu machen.

 
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Kommentare
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  • roswitha.oehrlein@aol.com
    Wenn Sie so weiter fantasieren, dann sehe ich für Sie über kurz oder lang auch schwarz zwinkern
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  • wer ohne Schein irgendetwas fährt ist ein schwarzfahrer. aber noch lange kein verbrecher. Hier laufen straftäter herum mit viel größren verbrechen und lachen sich eins weil sie nicht belangt werden können. Pfui Deutschland
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  • Einwohner
    Versuchen die Linken und Grünen ihr Klientel zu verteidigen?
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  • jbehr74
    Der Begriff "Schwarzfahren" ist rassistisch und gehört verboten!
    Warum ist immer alles schwarz, was negativ ist?
    - Schwarz fahren
    - Schwarz sehen
    - Schwarz hören
    - Schwarz arbeiten
    - Schwarz senden
    - Schwarz empfangen
    - Schwarz denken
    - Schwarz malen
    Aber alles was weiß ist, ist immer positiv:
    - Weiß Bier
    - Weiß Wurst
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  • flyarcus@gmx.de
    Sie haben die Schwarz-Waldklinik vergessen 🤷‍♀️
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  • joroma
    Weis heit!!! - grinsen
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  • R.Silber
    Ich tue mir gerade schwer mir eine Meinung zu bilden, denn wo ziehen wir die Grenze. Stellen wir als nächstes auch Ladendiebstahl als Straftat in Frage? Ich glaube dass der Bürger allgemein das Gefühl hat, dass mit der Rechtsprechung in diesem Land einiges im argen ist. Da werden Schwarzfahrer und Flaschenpfanddiebe ins Gefängnis gesperrt, während Vergewaltiger mit niedrigen- oder Bewährungsstrafen davon kommen.
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