Bis vor kurzem hätte Herbert M. aus Unterfranken nicht geglaubt, Opfer eine der größten Anlegerpleiten in der Geschichte der Bundesrepublik (voraussichtlicher Schaden: 3,5 Milliarden Euro) zu werden. 54.000 Anleger glaubten an eine solide Geschäftsidee, um das Ersparte fürs Alter gut anzulegen: Die Firma P&R in Grünwald bei München verkaufte Übersee-Container, die sie dann selbst an Reedereien vermietete. Nach drei bis fünf Jahren kaufte das Unternehmen die Container zurück und verwertete sie.
Scheinbar seriöse Empfehlung
Herbert M. stieg 2008 mit 50.000 Euro ein – auf Empfehlung eines Verwandten hin, der bereits seit drei Jahrzehnten in das Container-Geschäft investiert hatte. Immer mit guten Erfahrungen. Im Gegensatz zu unseriösen Anlageberatern mit abenteuerlichen Gewinnversprechen gab es hier Zinsen von drei bis vier Prozent pro Jahr – auch das sprach in M.'s Augen für die Seriosität von P&R.
Anfang März 2018 blieb bei dem Unterfranken plötzlich die Mietzahlung aus. Dann hörte er: Das Amtsgerichts München hatte am 19. März 2018 für drei Gesellschaften der P&R-Gruppe das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet.
So wurde aus Herbert M. schlagartig einer der 54.000 Anleger, die nun um ihr Geld bangen. Sogar vom Verdacht auf ein betrügerisches Schneeballsystem ist jetzt die Rede. In Würzburg, Schweinfurt, Marktheidenfeld, Kitzingen und Aschaffenburg suchen Kunden Rat bei Anwälten.
Ein Fall für den Staatsanwalt?
„Der jüngste Zwischenbericht von Insolvenzverwalter Michael Jaffee von Ende April lässt befürchten, dass P&R ein Fall für den Staatsanwalt wird“, sagt in Würzburg M.'s Anwalt Eckardt Pongratz: Offenbar sind bei weitem nicht so viele Container in den Büchern zu finden, wie aufgrund der Investitionen vorhanden sein müssten.
Allein in Unterfranken sollen nach Schätzungen von Anwälten zwischen mehreren hundert und weit über 1000 Menschen bei dem Containerverkäufer investiert haben. Die Einflussmöglichkeiten der kleinen Investoren – etwa im Gläubigerausschuss – sind in der Gruppe größer als bei Einzelkämpfern. Für ein effektiveres Vorgehen hat Pongratz in Würzburg gerade eine Interessengemeinschaft gegründet: „Je mehr Betroffene sich daran beteiligen, umso gewichtiger ist das Wort, das man im Insolvenzverfahren dann mitreden kann“, macht Pongratz' Kollege Heinz Richter deutlich. Bis Ende Mai können Betroffene beitreten.
Wem gehört welcher Container?
Für die Anleger sind viele Fragen offen. Sie glauben, Eigentümer von Containern geworden zu sein. Doch 90 Prozent von ihnen hat keinen Nachweis darüber, welcher Container wem gehört.
Die Insolvenzverwaltern Michael Jaffe und Philip Heinke schreiben in ihrem Bericht: 2016 und 2017 seien Container verkauft worden, um zugesagte Zahlungen an Anleger finanzieren zu können. Das heißt: Zuletzt haben die Mieteinnahmen aus den mutmaßlich 1,25 Millionen Containern nicht mehr ausgereicht, um die Verpflichtungen gegenüber den Anlegern zu decken.
„Der Beitritt zu einer Interessengemeinschaft böte Anlegern die Möglichkeit, ohne übermäßige finanzielle Belastung gegen die Geschäftsführer, Hintermänner und Anlagevermittler vorzugehen“, sagt Pongratz. „Durch die große Zahl gleich gelagerter Fälle reduzieren sich die Kosten für den einzelnen.“ Bei einer Infoveranstaltung in Würzburg zeigten drei Dutzend Interessierte reges Interesse.
Nach der Pleite der drei Vertriebsgesellschaften im März melden jetzt auch die übrigen deutschen Gesellschaften Insolvenz an. Allein 2017 hat die P&R Transport-Container GmbH Container für 390 Millionen Euro verkauft. Bis zum Vertriebsstopp am 8. März 2018 dürften weitere 50 bis 100 Millionen Euro hinzugekommen sein, insgesamt fast eine halbe Milliarde Euro. Allein das neu betroffene Anlagevolumen bei P&R übersteigt so die Schadenssumme zum Beispiel des S&K-Skandals (zweier unterfränkischer Finanzberater) um rund das Doppelte.