Johann Weigl vom SPD-Ortsverein Rottenburg an der Laaber spricht am Mittwochvormittag von einem "Verrat am Wähler". Der Schriftführer meint damit Angelika Wimmer, seine bisherige Vorsitzende, und Peter Bauer. Die beiden hatten nicht nur ihren Parteiaustritt erklärt, sondern auch, dass sie in die Stadtratsfraktion der Freien Wähler wechseln wollen. Aus Verärgerung über den Umgang führender Sozialdemokraten mit Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der in der "Flugblatt-Affäre" um ein antisemitisches Pamphlet massiv kritisiert wurde. Unter anderem die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken forderte früh seine Entlassung.
Die Nachricht aus Rottenburg verbreitet sich am Mittwoch bundesweit, schließlich geht es um den Stadtrat von Aiwangers niederbayerischer Heimatstadt im Landkreis Landshut, in dem künftig keine SPD-Vertreter mehr sein werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, der schwäbische Landtagsabgeordnete Fabian Mehring, schreibt bei "X": "Politisches Erdbeben dort, wo man Aiwanger wirklich kennt und ein SPD-Lehrer ihn per Flugblatt aus Schulzeiten ruinieren wollte." Aiwanger kommentiert den Beitrag mit dem Satz: "Schmutzkampagnen gehen nach hinten los".
Schriftführer des Ortsvereins spricht von einem "Verrat am Wähler", Bayern-SPD zeigt sich enttäuscht
In der Pressestelle der Bayern-SPD am Münchner Oberanger häufen sich am Mittwoch die Journalistenanfragen, auch an Ruth Müller. Die bayerische SPD-Generalsekretärin, Landtagsabgeordnete und SPD-Vorsitzende im Landkreis Landshut ist ebenfalls am Oberanger, mit ihr wurde ein Pressestatement abgestimmt. Aus dem geht hervor, dass sie am Montag von den Austritten erfahren habe. "Angesichts der langjährigen Freundschaft mit Angelika Wimmer bin ich enttäuscht, dass sie vorher das Gespräch mit mir nicht gesucht hat", teilt sie mit. Der SPD-Ortsverein Rottenburg werde in Kürze Neuwahlen durchführen. Und weiter: "Ich gehe davon aus, dass sowohl Peter Bauer als auch Angelika Wimmer ihre Stadtratsmandate, die sie mit der örtlichen SPD erhalten haben, ihren Nachrückern zur Verfügung stellen." Wimmer sagt am Nachmittag am Telefon, dass sie zunächst einmal parteilos bleiben wolle. Sie sei derzeit im Gespräch mit den Freien Wählern, noch sei ihr Übertritt nicht "final entschieden".
"Ich habe schon länger mit der SPD-Bundespolitik und der Ampel gehadert und etwa das Heizungsgesetz nicht nach außen vertreten können", erklärt sie ihre Beweggründe. Der "links-grüne Ruck" missfalle ihr. "Hubert Aiwanger spricht besser für die Landbevölkerung."
Über ihren Entschluss, aus der SPD auszutreten, habe sie mit ihm allerdings nicht geredet, sagt Wimmer. Der Umgang mit ihrem einstigen Stadtratskollegen in der "Flugblatt-Affäre" habe sie in ihren Grundfesten erschüttert. "Ich verkaufe seit 30 Jahren als Direktvermarkterin Erdbeeren, Wild und Geflügel – noch nie habe ich einen Mitbewerber schlecht gemacht." Auf dem Rücken Aiwangers sei aber Wahlkampf betrieben worden. "Und ich will keine Politik, bei der andere in die Pfanne gehauen werden."
Johann Weigl von der örtlichen SPD meint dagegen, er könne Wimmers und Bauers Schritt nicht nachvollziehen. Er sei gerade dabei, einen Brief an sie aufzusetzen. Er wolle ihnen ins Gewissen reden.