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GEMÜNDEN/MÜNCHEN
Fischer zeigen Stromerzeuger an
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:03 Uhr

Der Landesfischereiverband (LFV) hat am Mittwoch fünf Betreiber von Wasserkraftanlagen in Bayern bei den zuständigen Landratsämtern und Staatsanwaltschaften angezeigt. Nach unangemeldeten eigenen Kontrollen wirft der LFV den Kraftwerksbetreibern vor, sie hätten wiederholt gegen behördliche Auflagen bei der Stromproduktion verstoßen und dem Gewässer und seiner Fauna großen Schaden zugefügt.

In allen Fällen handelt es sich um Ausleitungskraftwerke. Dabei wird Wasser aus einem Fluss in einen Triebwerkskanal und zur Turbine umgeleitet. Im eigentlichen Flussbett verbleibt nur noch ein kleiner Rest Wasser. Die nun angezeigten Betreiber leiteten mehr Wasser als erlaubt in den Kanal, produzierten damit vermutlich mehr Strom und steigerten ihre Einnahmen, so der LFV. Fehlt Wasser im alten Flussbett, sitzen Fische und andere Wasserlebewesen auf dem Trockenen.

Die Namen der Kraftwerke und die der Kraftwerksbetreiber gibt der Fischereiverband aus Datenschutzgründen nicht preis. Der Bayerische Rundfunk (BR) ortete Flussstandorte in Niederbayern, der Oberpfalz, Schwaben (2) und im unterfränkischen Landkreis Main-Spessart an der Sinn, die bei Gemünden in den Main mündet. Nach Recherchen unserer Redaktion arbeitet das Kraftwerk nicht weit weg von der Dreiflüssestadt Gemünden.

Die Verstöße des Kraftwerksbetreibers an der Sinn werden als gravierend dargestellt. Der LBV wirft ihm vor, die festgelegte Restwassermenge deutlich unterschritten zu haben. Die richtet sich nach dem Restwasserleitfaden für Bayern und wird von Behörden der Wasserwirtschaft und der staatlichen Fischereiberatung festgelegt und im Bescheid festgeschrieben, erläutert Wolfgang Silkenat, Leiter der Fischereiberatung beim Bezirk Unterfranken.

Für die Sinn ergibt sich eine Restwassermenge von rund 600 Litern in der Sekunde, sagt Ulrich Popp vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg (WWA). Der Kraftwerksbetreiber hat 2012 nur ein Drittel der Restwassermenge im Fluss gelassen, hat ein vom LFV beauftragter Gutachter ermittelt, bei einer neuerlichen Kontrolle 2014 waren demnach nur 16 Prozent des Restwassers vorhanden. Dem zuständigen Wasserwirtschaftsamt ist von Verstößen an einem Kraftwerk an der Sinn nichts bekannt, versichert Ulrich Popp auf Anfrage der Redaktion.

„Das Profit-Streben mancher Kraftwerksbetreiber scheint gerade bei kleinen und kleinsten Wasserkraftanlagen keine Grenzen zu kennen“, wettert Willi Ruff, Vizepräsident des LFV Bayern. Die Restwassermenge sei ohnehin die unterste Grenze für die Fauna, den Kraftwerksbetreibern würden behördlicherseits „extreme Zugeständnisse“ gemacht, damit sie möglichst viel Strom produzieren könnten.

Der Landesfischereiverband hat nach eigenen Angaben nachgewiesen, „dass solche Restwasser-Unterschreitungen leider eher die Regel als die Ausnahme sind“. Beim bayerischen Umweltministerium heißt es, es habe in den vergangenen Jahren 1350 schriftlich angekündigte Kontrollen bei Wasserkraftwerken gegeben, in 20 Prozent der Fälle habe man Verstöße gegen die Vorschriften festgestellt, davon sei die Hälfte gravierend gewesen. Der Fischereiverband kritisiert, das Ministerium schweige sich über die Konsequenzen von Verstößen aus, das Ministerium verweist auf die Zuständigkeit der Landratsämter.

Die Zahl der Wasserkraftwerke in Deutschland ist auf über 8000 gewachsen, 4250 davon produzieren in Bayern Strom. Fischerei- und Umweltverbände kritisieren seit Jahren, dass ihr Beitrag zur Gesamtstromerzeugung in keinem Verhältnis zum Schaden steht, den sie verursachen. Der unterfränkische Fischereiberater Wolfgang Silkenat sieht „ein Problem, das bei den Wasserständen jetzt eskaliert“. Wenn es nicht bald regne, drohe in vielen Bächen und Flüssen eine Katastrophe.

 
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