zurück
MÜNCHEN
Fall Schottdorf: Justiz wehrt sich
Uli Bachmeier
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 22.05.2014 19:31 Uhr

Um einen Justizskandal im Zusammenhang mit dem Augsburger Laborarzt Bernd Schottdorf abzuwehren, rückten die Spitzen der Augsburger und Münchner Strafverfolgungsbehörden gestern im Landtag gleich in Mannschaftsstärke an. Ministerialdirigent Helmut Seitz, Generalstaatsanwalt Christoph Strötz sowie die Leitenden Oberstaatsanwälte Reinhard Nemetz (Augsburg) und Manfred Nötzel (München) stellten sich im Rechtsausschuss drei Stunden lang den Fragen der Abgeordneten.

Einige dieser Fragen waren ziemlich brisant: Hat die Justiz möglicherweise Schottdorf und Hunderte unter Betrugsverdacht stehende Ärzte geschont? Hat sie Kriminalbeamte ausgebremst? Gab es gar politische Einflussnahme aus CSU-Kreisen auf die Ermittlungen? Die vier Herren traten den Spekulationen über Korruption und mutmaßliche Betrügereien im Gesundheitswesen mit nüchtern vorgetragenen Berichten entgegen.

Zehn Prozent Rabatt für Ärzte

Es begann mit sachlich wie juristisch schwerer Kost. Gegen Schottdorf und zahlreiche Ärzte war ermittelt worden, weil sie Speziallaborleistungen für Privatpatienten offenkundig nicht so abrechneten, wie es vorgeschrieben war. Laut Gebührenordnung müssen derartige Leistungen den Privatpatienten vom Labor direkt in Rechnung gestellt werden.

Schottdorf aber rechnete über die Ärzte ab und gewährte ihnen dafür angeblich einen Rabatt von zehn Prozent. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Labor bekommt über die Ärzte jede Menge Aufträge, die Ärzte bekommen im Gegenzug eine Provision. Beide profitieren, ohne dass ein direkter Schaden für Privatpatienten oder ihre Krankenkassen erkennbar wäre. Die Augsburger Staatsanwaltschaft, die in der Vergangenheit zwei umfangreiche Betrugsprozesse gegen Schottdorf angestrengt hatte, ohne eine Verurteilung zu erreichen, war in diesem Fall der Ansicht, dass es für eine Anklage nicht reicht. Ihr Argument: Wo kein Schaden entstanden ist, könne auch kein Betrug vorliegen. Die Ermittlungsverfahren wurden eingestellt.

Den Argwohn der Oppositionsabgeordneten im Landtag erregt, dass sich Jahre später eine andere Rechtsauffassung durchgesetzt hat. In München nämlich, wo die Ermittlungen begonnen hatten, war auf das Betreiben eines Staatsanwalts hin ein Pilotverfahren gegen einen Arzt eingeleitet worden, das rechtliche Klarheit schaffen sollte. Und zur Überraschung aller entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass das Abrechnungssystem eben doch strafbar sei. Zu diesem Zeitpunkt aber war der Großteil der Augsburger Fälle bereits verjährt. Ministerialdirigent Seitz räumte in diesem Zusammenhang ein: „Aus heutiger Sicht befriedigt das Ergebnis nicht.“ Zum damaligen Zeitpunkt aber sei es rechtlich nicht vertretbar gewesen, „zehntausend Ärzte unter Generalverdacht zu stellen“.

Sensible Patientendaten

Auch Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz wies den Vorwurf zurück, er hätte weiter ermitteln müssen, um so die Verjährung der Fälle zu verhindern. Dazu hätte er gegen seine eigene Rechtsauffassung massenweise Durchsuchungen veranlassen und große Mengen an sensiblen Arzt- oder Patientendaten sicherstellen müssen. „Das konnten wir nicht machen“, sagte Nemetz. Ihm sei nichts anderes übrig geblieben, als die Verfahren einzustellen und abzuwarten, wie der BGH entscheide.

Brisanz bekommt der Fall durch eine Reihe von Begleitumständen, die SPD, Freien Wählern und Grünen verdächtig vorkommen. So wurden aufgrund eines Schreibens des Schottdorf-Anwalts und CSU-Politikers Peter Gauweiler Ermittlungen gegen zwei Beamte der Sonderkommission „Labor“ eingeleitet, die sich als unberechtigt erwiesen. Seitz stellte die Überprüfung der Vorwürfe als normalen Vorgang dar. Außerdem hatte sich ein Augsburger Staatsanwalt von Schottdorf ein Privatdarlehen geben lassen und war wegen Vorteilsannahme verurteilt worden. Nemetz wies Verdächtigungen gegen seine Behörde zurück: „Ich verwahre mich dagegen, dass man jetzt unsere moralisch-ethische Qualifikation in Frage stellt.“

Die vier Herren von der Justiz werden wiederkommen müssen. Die Opposition im Landtag besteht auf einem Untersuchungsausschuss.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Uli Bachmeier
Bundesgerichtshof
Freie Wähler
Generalstaatsanwälte
Justiz-Skandale
Laborärzte
Landtage der deutschen Bundesländer
Oberstaatsanwälte
Patientendaten
Peter Gauweiler
Privatpatienten
Rechtsausschüsse
SPD
Strafverfolgungsbehörden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top