
Mitte September stand die Polizei bei der Würzburger Burschenschaft "Teutonia Prag" vor der Tür. Die Einsatzkräfte verschafften sich Zutritt zu dem ockerfarbenen, schmucklosen Haus mit seinen braunen Balkonen im Würzburger Stadtteil Frauenland. Der Grund: Hinweise auf das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung. Die Razzia blieb außerhalb Frankens weitgehend unbemerkt. Seit einigen Tagen aber schaut ganz Deutschland auf die Niederlassung der Studentenverbindung und fragt sich, was hinter den Mauern des Gebäudes geschieht. Die Burschenschaft gilt als rechtsextrem, der neu gewählte fränkische AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba, 22, ist Mitglied in der Organisation. Ihr Wahlspruch: "Ehre, Freiheit, Vaterland".
Bei der Razzia im September sei ein Gästebuch beschlagnahmt worden, in dem ein Eintrag mit dem Ausdruck "Sieg Heil" mit dem Namenszug Halembas unterzeichnet gewesen sei, teilte die Staatsanwaltschaft Würzburg mit. In Halembas Zimmer sei der Ausdruck eines mit einer sogenannten Doppelsigrune versehenen Befehls des SS-Chefs Heinrich Himmler vom Oktober 1939 entdeckt worden. Auch gegen vier weitere Beschuldigte wird ermittelt.
In anderen Räumen fanden die Ermittler NS-Devotionalien und antisemitische Schriften, außerdem unter anderem Schlagringe, eine Machete und Schlagstöcke. Die Ermittlungen dauerten am Donnerstag weiter an. Halemba war am Montag nach tagelanger Suche im Raum Stuttgart festgenommen worden. In Untersuchungshaft kam er nicht, muss sich aber an strenge Auflagen halten und darf unter anderem das Verbindungshaus nicht betreten.
Der 22-Jährige selbst hatte rechtsextremistische Tendenzen der Burschenschaft Anfang September im Gespräch mit unserer Redaktion zurückgewiesen. Dominik Sauerer vom bayerischen Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus sieht das völlig anders. "Die 'Teutonia Prag' gehört zu den Top Zehn der relevantesten Burschenschaften für die gesamte rechtsextreme Szene in Deutschland", sagt der Experte. "Burschenschaften wie die 'Teutonia' sind ein Rekrutierungsbecken und gleichzeitig Radikalisierungsmotor für die AfD." Über die "Teutonia Prag" finde eine Vernetzung mit der österreichischen rechtsradikalen Szene statt.
Björn Höcke ist Halembas Vorbild
Der rechtsnationale Landtagsabgeordnete, dessen politisches Vorbild eigenen Aussagen zufolge AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ist, trat der Burschenschaft "Teutonia Prag" im Jahr 2021 bei. Dort habe er "eine Gemeinschaft an jungen Studenten gefunden, die wie ich konservative Werte vertreten", hatte der 22-Jährige vor der Landtagswahl unserer Redaktion gesagt. Nachbarinnen und Nachbarn in Würzburg würden das wohl anders formulieren. Im Jahr 2020 hatten sich Anwohner über angebliche "Sieg Heil"-Rufe und laute Rechtsrock-Musik aus den Gemäuern der Burschenschaft beschwert. Daraufhin kamen mehr als 100 Menschen zusammen, um vor dem Verbindungshaus zu demonstrieren.
Eine erneute Demonstration ist für kommenden Samstag geplant – allerdings mit einem ganz anderen Fokus: Die Junge Alternative, Jugendorganisation der AfD, lädt zu einer Solidaritätskundgebung für Daniel Halemba, ausgerechnet auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Würzburg.
"Teutonia Prag": Mitglieder fechten und tragen Deutschland-Farben
Die "Teutonia"-Mitglieder kommunizieren ihre Zugehörigkeit zu der Verbindung stolz nach außen, indem sie deren Farben tragen: Schwarz, Rot, Gold mit schwarz-roter Einfassung. Es handelt sich um eine sogenannte schlagende Verbindung, die Mitglieder tragen also traditionelle Fechtkämpfe aus. Der Name der Burschenschaft geht zurück auf ihren Gründungsort Prag, wo die "Teutonia" 1876 von deutschen Studenten ins Leben gerufen wurde. 1945 wurde die Vereinigung von den Alliierten verboten und 1952 in Nürnberg wiedergegründet. In Deutschland wechselte sie mehrfach ihren Sitz und schloss sich 2009 mit einer Würzburger Verbindung zur "Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg" zusammen.
Laut der beim Amtsgericht Würzburg hinterlegten Satzung steht hinter der Burschenschaft der Verein "Teutonenheim zu Würzburg e.V.". Zweck des Vereins ist "die Unterhaltung des vereinseigenen Studentenwohnheims. (...) Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke", heißt es in der Satzung. Gemeinnützige Vereine sind etwa von der Körperschafts- und Grundsteuer befreit. Nach Angaben von Rechtsextremismus-Experte Sauerer finanziert sich die "Teutonia" über Mitgliedsbeiträge der "Altherrenschaft", einer Gruppe von älteren Mitgliedern. Laut Satzung zahlen die Bewohner der Niederlassung zudem Miete. Nach Angaben des bayerischen Bauministeriums hat die "Teutonia" bisher keine staatliche Förderung für ihr Studentenwohnheim erhalten.