Mindestens 25 000 Menschen haben am Sonntag in München unter dem Titel „#ausgehetzt“ gegen einen Rechtsruck der Politik der CSU demonstriert. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt der Mitorganisator Thomas Lechner, warum trotz Dauerregens so viele Menschen auf die Straße gingen – und warum aus seiner Sicht die scharfe Kritik der CSU an den Demonstranten Bände spricht.
Waren Sie überrascht, dass trotz schlechtem Wetter so viele Menschen auf die Demonstration gekommen sind?
Thomas Lechner: Ja und Nein. Ja, weil es natürlich schon etwas ausdrückt, wenn bei so einem Wetter die Leute in solchen Massen herbeiströmen. Und nein, weil dies die Stimmung der letzten Wochen gut widerspiegelt. Wir sind ja die Mitte der Gesellschaft, egal was die CSU dazu sagt. Und diese Aufgebrachtheit, die sich auf der Demo ausgedrückt hat – dass viele Menschen einfach sagen: Jetzt reicht?s – die haben wir ja schon länger mitgekriegt.
Was genau bringt so viele Menschen dazu, auf die Straße zu gehen?
Lechner: Wenn ich es in einem längeren Prozess denke: Da war zunächst eine Art Schockstarre, wenn die Politik beginnt, eine solche Sprache zu verwenden, Begriffe verwendet, die ich jetzt gar nicht wiederholen mag. Denn Sprache, das ist ja bekannt, bereitet den Boden für bestimmte Verhaltensweisen. Nach dieser Schockstarre haben wir mit dem Aufruf zur Demo genau dieses Momentum erwischt, als die Leute gesagt haben: Jetzt müssen wir was machen. Und schlussendlich haben wir mit der Demo ja nur getan, was Bundespräsident Steinmeier kürzlich gefordert hat: Als Demokraten für die Demokratie einzutreten.
Ist es ein eher städtisch geprägter Protest? Oder trifft er auf eine Stimmung überall im Land?
Lechner: Es ist natürlich schwer zu sagen, wo die Leute herkamen. Aber wir wissen von größeren Gruppen etwa aus Garmisch, aus Rosenheim. Wir wissen auch, dass in Bayern die Strukturen der Flüchtlingshelfer sehr weit verbreitet sind. Und von denen sind viele sehr frustriert, etwa wegen der Arbeitsverbote und der massiven Abschiebungen auch von gut integrierten Flüchtlingen. Es gibt überall im Land Leute, die massiven Frust haben. Und genau der hat sich jetzt hier kanalisiert.
CSU-Generalsekretär Markus Blume hat den Demonstranten selbst Hetze gegen die CSU vorgeworfen. Die Partei hat den ganzen Demo-Weg mit Gegenplakaten zugepflastert. Was sagen Sie dazu?
Lechner: Vielleicht hätte Herr Blume mal kommen sollen und sich die Redebeiträge anhören. Es wäre ja vielleicht interessant geworden, irgendwann zum sachlichen Dialog zurückzukommen. Es spricht doch Bände, dass sich die CSU nicht souverän zeigt, den Protest zumindest unkommentiert lässt oder auf uns zugeht. Wenn man das vergleicht mit der Zeit, als es mit Pegida losging, da hieß es: Man muss mit den besorgten Bürgen reden. Und wir, die für die Demokratie eintreten, werden jetzt diskreditiert. Da ist doch klar, dass viele Leute irgendwann die Schnauze voll haben.
Was hat Sie denn in den letzten Wochen an der CSU-Politik am Meisten geärgert?
Lechner: Dieses kindliche Beharren auf einem einzigen Thema und die sprachlichen Entgleisungen dabei. Die AfD besteht ja nur aus diesem einen Thema. Zu glauben, man kriegt so Wähler der AfD zurück – da gibt es genug Beispiele, die gezeigt haben, das funktioniert nicht. Dass eine Partei, die sich christlich und sozial nennt, dieses Thema so spielt, wie es die Rechts von ihnen vorgeben, das erschüttert schon. Wir haben ja auch viele kirchliche Vertreter in unserem Bündnis. Und die berichten uns, dass es gerade am Land an der CSU-Basis deswegen brodelt. Denn es gibt ja noch die Humanisten, die Sozialen und die Christen in der CSU. Es war ja deshalb auch ganz bewusst keine Demo gegen die CSU. Sondern nur gegen diejenigen in der Partei, die mit Worten zündeln.
Ministerpräsident Söder hat angekündigt, sich bei seiner Wortwahl künftig zu mäßigen, etwa auf den Begriff ,Asyltourismus‘ zu verzichten. Wie glaubwürdig ist das für Sie?
Lechner: Absolut unglaubwürdig. Warum verwendet er solche Worte überhaupt? Ich habe das Gefühl, es geht ihm darum, Grenzen auszuloten. Jetzt macht er wieder auf Landesvater. Doch ich denke, dass ihm das viele Leute nicht mehr glauben nach den Entgleisungen, die in den letzten Wochen passiert sind.
Was wünschen Sie sich denn bis zur Landtagswahl im Oktober? Denken Sie, dass hier eine politische Gegenbewegung entsteht, die von Dauer ist?
Lechner: Eine einmalige Aktion war es bestimmt nicht. Wir wollten mit der Demo zwei Dinge erreichen: Wir wollten zurück in den gesellschaftlichen Dialog. Und wir wollten den Menschen, die kommen, Mut machen. Wir werden sicher auch in den Wahlkampf hinein weiter aktiv bleiben, da gibt es schon erste Ideen. Denn wir nehmen unseren Anspruch sehr erst: Demokratie zu gestalten.