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Augsburg
Erstes duales Studium für Lehrkräfte startet in Augsburg
In Augsburg gibt es ab Herbst ein bayernweit einzigartiges duales Studium für angehende Lehrkräfte. Das Ziel der Verantwortlichen: bessere Pädagogen.
Sarah Ritschel
 |  aktualisiert: 06.05.2024 02:38 Uhr

Junge Lehrkräfte, die nach mehreren Jahren an der Universität erstmals den Schulalltag erleben und merken: Ich bin im falschen Job. Geschichten von diesem "Praxisschock", von täglichen Qualen im Referendariat, füllen Lehrerforen im Internet und Aktenmeter von Psychologinnen und Psychologen. Klagen, das Lehramtsstudium in Bayern sei zu theorielastig, gibt es seit Jahren. Der Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Augsburg und das Schulwerk der Diözese möchten das ändern: Sie bieten ein bayernweit einzigartiges duales Studium für allgemeinbildende Schulen an. In Teilen der freien Wirtschaft ist eine solche Verzahnung von Theorie und Praxis im Studium längst etabliert.

In dem Pilotprojekt sollen Studierende schon ab ihrem zweiten Studienjahr selbst Unterricht halten – zunächst vier Stunden pro Woche, später acht. Sie sind an einer von drei "Campus-Schulen" des Schulwerks angestellt, eine erfahrene Lehrkraft betreut sie eng in allen Praxisphasen. An der Uni Augsburg besuchen sie regulär Vorlesungen und Seminare. Zunächst gibt es das Angebot für Grundschule, Realschule und Gymnasium; das Schulwerk investiert eine Summe im mittleren sechsstelligen Bereich. Die Studierenden – für den Anfang sollen es zwölf sein – bekommen ein Monatsgehalt von 1100 Euro brutto und sind nach dem ersten Staatsexamen vollwertig ausgebildete Lehrkräfte. Ein Referendariat oder zweites Staatsexamen brauchen sie nicht – außer sie möchten ins staatliche Beamtensystem wechseln. 

Duales Studium für Lehrkräfte: "Den Unterricht vom Kind aus denken"

Peter Kosak, Direktor des Schulwerks, ist schon vor dem Start des Projekts namens Campus.Schule.Werk im Herbst überzeugt, dass es ein Erfolg wird: "Ich glaube, dass angehende Lehrkräfte auf diese Weise bessere Pädagogen werden. Um Lernerfolg zu erzielen, geht es nicht darum, dass man einem Schüler die binomischen Formeln einbläut, sondern dass er sie wirklich versteht und sicher anwenden kann." Er nennt es entscheidend, "ein Kind auf seinem persönlichen Leistungsniveau voranzubringen – und dieses Niveau ist immer individuell". Den Unterricht vom Kind her zu denken, das findet Kosak zufolge durch den dualen Weg "viel früher statt als bisher". 

Die Studierenden haben die Garantie, an ihrer "Campus-Schule" übernommen zu werden. Dass Lehrkräfte – wie es im staatlichen System nicht selten ist – nach ihrer Ausbildung "verschickt werden wie ein Standardbrief", so Kosak, soll damit wegfallen.

Das Angebot fällt zusammen mit einem Beschluss der Kultusministerkonferenz. Das Gremium erlaubt den Bundesländern künftig explizit duale Studiengänge, die den Praxisanteil ganz oder teilweise ins Studium integrieren. Ziel ist es, angesichts eines bundesweit eklatanten Personalmangels "weitere Zielgruppen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen". Allerdings sind die Länder nicht verpflichtet, solche Studiengänge einzurichten. Manche jedoch hatten schon vorher in Eigenregie duale Angebote geschaffen, etwa Brandenburg und Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg startet im Herbst einen Pilotversuch.

Bayern plant von staatlicher Seite nichts dergleichen. Eine duale Lehrkräfteausbildung sei auch in Zukunft nicht vorgesehen, erklärt ein Sprecher des Kultusministeriums auf Anfrage. Eine Ausnahme aber gibt es: Fachkräfte aus der Elektro-, Informations- oder Metalltechnik können schon lange den Masterstudiengang "Berufliche Bildung Integriert" belegen und so die Qualifikation fürs Lehramt an Berufsschulen erlangen.

Das Kultusministerium begründet seine Ablehnung eines Ausbaus damit, dass die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) "explizit keine grundsätzliche Einrichtung dualer Lehramtsstudiengänge empfiehlt". Die SWK berät pikanterweise die deutschen Kultusminister – und ist wenig begeistert von deren Alleingang. Sie fürchtet, dass dual Studierende zu früh zum Unterrichten verleitet werden. Ebenso sei der Aufbau dualer Studiengänge organisatorisch schwer umzusetzen, allein schon, weil es immer weniger ausgebildete Lehrkräfte gebe, die die Betreuung übernehmen könnten. 

Mehr Bewerber für duales Studium als Plätze

Kosak teilt diese Befürchtungen nicht. In ihrem ersten Jahr erleben die Studierenden einen "sanften Einstieg bei intensivster Begleitung durch eine Lehrkraft und eine Seminarlehrkraft", sagt er. "Das leistet wohl nicht einmal das herkömmliche Referendariat." Ihm ist eines wichtig: "Das ist kein Studium im Schnellverfahren, wir wollen mehr voll ausgebildete und besser ausgebildete Lehrkräfte ins System bringen." Er macht aber keinen Hehl daraus, dass gerade an privaten Schulen angesichts des Lehrkräftemangels die Zahl der Quereinsteiger deutlich zugenommen hat, im letzten Jahr lag sie unter Neueinsteigern im Schulwerk bei etwa 50 Prozent. 

Diese Woche hat das Team des Schulwerks sein Angebot in der Einführungsvorlesung des Augsburger Schulpädagogik-Professors Klaus Zierer vorgestellt. Unmittelbar danach gab es mehr Bewerber als Plätze. 

 
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