Der Kampf gegen Kinderpornografie und andere Kriminalität im Netz erfordert nach Überzeugung von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (48) neue gesetzliche Regelungen. Die Redaktion sprach mit dem CSU-Politiker am Rande der Pressekonferenz, bei der die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg neue Erkenntnisse im Würzburger Kinderpornografie-Fall bekannt gab.
Frage: Herr Eisenreich, Sie sind selbst Vater von drei Kindern. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie von Fällen wie dem Würzburger Kinderporno-Fall hören?
Georg Eisenreich: Von solchen Straftaten zu hören oder zu lesen, ist schlicht furchtbar. Hinter jeder Tat steckt unvorstellbares menschliches Leid. Wenn man sich dann die Kinder vorstellt, die missbraucht worden sind, läuft es einem kalt den Rücken herunter.
Haben solche Erfahrungen Konsequenzen für Ihre Arbeit als Justizminister?
Eisenreich: Die Haltung des bayerischen Justizministeriums und der Strafverfolgungsbehörden ist schon immer eindeutig. Da braucht es nicht solche besonderen Fälle. Bayern hat eine klare Linie: Wir wollen alle diese Straftaten aufklären, konsequent verfolgen und wir wollen sie vor allem verhindern.
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Die Zahlen steigen gerade im Bereich der Internetkriminalität. Sie haben die Arbeit der Zentralstelle Cybercrime (ZCB) in Bamberg sehr gelobt. Ist denn ein Ausbau dieser Spezialeinheit geplant?
Eisenreich: Die Gründung der ZCB im Jahr 2015 war sehr weitsichtig. Man sieht nicht zuletzt an der Zahl der Ermittlungsverfahren – in diesem Jahr sind es schon über 5000 allein gegen bekannte Beschuldigte –, dass mit voranschreitender Digitalisierung auch die Zahl der Delikte im Netz zunimmt. Wir sind 2015 mit zwei Staatsanwälten gestartet und haben heute schon eine Einheit von 14 Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. Hinzu kommen drei IT-Experten.
Wäre ein zweiter Standort sinnvoll in Bayern?
Eisenreich: Alle Staatsanwaltschaften in Bayern verfolgen Cybercrime, überall haben wir entsprechend ausgebildete Experten. Es gibt aber Fälle, die besonders schwer sind, bei denen oft auch sehr teure Hardware, Software und ein spezielles Knowhow für die Ermittlungen notwendig sind. Dafür haben wir die ZCB in Bamberg. Und so soll es auch bleiben. Die Staatsanwaltschaften vor Ort können schwere Fälle an die ZCB abgeben. Gleichzeitig schult die ZCB auch die Staatsanwaltschaften vor Ort.
Braucht es weitere Spezialisierung? In NRW gibt es eigens auch Staatsanwälte, die nichts anderes tun als den Hass in den sozialen Medien zu verfolgen.
Eisenreich: Das ist ein ganz wichtiges Thema. Wer zum Beispiel Islamismus und Rechtsextremismus bekämpfen will, der muss auch im Internet anfangen. Denn Hatespeech ist in vielen Fällen eine Vorstufe von Gewalt. Aus Worten können Taten werden. Deshalb muss man auch gegen Hass im Netz vorgehen.
Was heißt das konkret?
Eisenreich: Wir starten in Bayern demnächst das Projekt "Justiz und Medien – Konsequent gegen Hass im Netz". Uns ist es wichtig, dass Medienunternehmen Hasskommentare auf ihren Seiten unkompliziert an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten können. Die Medien müssen nicht selbst prüfen, ob die Grenze zur Strafbarkeit überschritten ist, das übernimmt die Justiz. Das bayerische Justizministerium, die Staatsanwaltschaft München I, bei der es zwei eigens spezialisierte Staatsanwälte gibt, die Medienunternehmen und die Bayerische Landeszentrale für neue Medien arbeiten hier zusammen.
Unabhängig davon fordern Sie auch schärfere Gesetze gegen Netzkriminalität. Reichen die bisherigen nicht aus?
Eisenreich: Die Zahl der Delikte nimmt zu. Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass der Gesetzgeber nachbessern muss. Die bisherigen Regelungen stammen aus Zeiten, als das Internet noch nicht die gleiche Rolle spielte wie heute. So hinkt der Strafrahmen zum Beispiel bei Datendiebstahl den Regelungen für die analoge Welt hinterher. Wir wollen eine Angleichung der Gesetze, insbesondere wenn Straftäter gewerbsmäßig oder in Banden agieren, oder wenn kritische Infrastrukturen angegriffen werden. Außerdem ist bislang der Versuch des Datendiebstahls nicht strafbar. Wenn ein Täter an guten Sicherheitsvorkehrungen scheitert, kann er derzeit nicht belangt werden. Das müssen wir ändern. Der Versuch muss strafbar werden.
Mehr Befugnisse für die Ermittler wünschen Sie auch.
Eisenreich: Notwendig wäre die Erlaubnis, die Verbindungsdaten für die Strafverfolgung wieder erheben und speichern zu dürfen. Auch für die Onlinedurchsuchung und die Telekommunikationsüberwachung sollte der Anwendungsbereich erweitert werden. Das würde unseren Strafverfolgungsbehörden sehr helfen.
Beim Verfolgen von Kinderpornografie zeichnet sich jetzt eine Verbesserung ab.
Eisenreich: Kinderpornografisches Material wird vor allem in geschlossenen Foren im Internet verbreitet und ausgetauscht. Als Eintrittskarte in diese Foren muss man selbst kinderpornografisches Material hochladen. Unsere verdeckten Ermittler dürfen das nicht, weil sie keine Straftaten begehen dürfen. Das heißt, uns bleiben diese Foren verschlossen und so auch viele Missbrauchstaten unentdeckt. Unsere Forderung ist deshalb schon lange, dass Ermittler in eng umgrenzten Fällen sogenannte Keuschheitsproben abgegeben dürfen.
Was heißt das?
Eisenreich: Die Ermittler dürften dann dank moderner Technik täuschend echt aussehende kinderpornografische Bilder am Computer herstellen und mit diesen in die Foren gelangen. So könnten sie viel effektiver ermitteln und damit weiteren Missbrauch verhindern.
Warum steht das nicht längst im Gesetz?
Eisenreich: Weil der Bundesgesetzgeber sich dazu bislang nicht durchringen konnte. Bayern stellt seit vielen Jahren diese Forderung. Ich bin froh, dass sich mittlerweile die Mehrheit der Länder im Bundesrat einer entsprechenden bayerischen Initiative angeschlossen hat.