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RAMALLAH/JERUSALEM
Ein Bayer im Heiligen Land
Von unserem Korrespondenten Henry Stern
 |  aktualisiert: 16.09.2012 12:04 Uhr

Der Nahe Osten bleibt ein Pulverfass: von den Attacken gegen US-Botschaften über den Bürgerkrieg in Syrien bis zum Atomstreit mit dem Iran. Ein Konflikt, der über Jahrzehnte die Schlagzeilen aus der Region beherrschte, ist dagegen weitgehend aus dem Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit verschwunden: der Streit zwischen Israel und den Palästinensern um das „Heilige Land“.

Doch dass trotz der relativen Ruhe von Normalität oder gar der Aussicht auf eine dauerhafte Lösung keine Rede sein kann, das muss auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) während seiner viertägigen Nahost-Reise erfahren. So konnte Seehofers Delegation auf der Fahrt von Jerusalem zum Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah das längst nicht entschärfte Konfliktpotenzial in Stein und Beton besichtigen: die schmucken jüdischen Siedlungen zum Beispiel, die auf den Hügeln bei Jerusalem aus dem kargen Boden sprießen – und einen Machtanspruch Israels zumindest auf diesen Teil der seit 1967 besetzten Gebiete manifestieren.

Überall im Westjordanland geht der israelische Siedlungsausbau ungebremst weiter – trotz anhaltender Kritik auch aus Deutschland. Zwar hat die Mitte-Rechts-Regierung des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu zuletzt einige wilde Siedlungen räumen lassen – nachdem sie von israelischen Gerichten als „illegal“ eingestuft worden waren, weil sie auf Privatgrund von Palästinensern stehen. Doch längst gleicht die Landkarte einem Fleckenteppich aus jüdischen Siedlungen und palästinensischen Ortschaften.

Die von Deutschland, der EU oder den USA offiziell verfolgte Zwei-Staaten-Lösung mit einem souveränen Palästinenser-Staat wird dadurch aber nicht wahrscheinlicher. Eine Entwicklung, die man auf israelischer Seite zumindest im Regierungslager durchaus positiv sieht: Reuven Rivlin, Parlamentspräsident und einer von Seehofers Gesprächspartnern, erklärte kürzlich in einem Zeitungsinterview, es sei für Israel „viel bedrohlicher, das Land mit den Palästinensern zu teilen, als mit ihnen zusammenzuleben“. Bei anhaltend starker jüdischer Immigration könnten beide Seiten in einem „jüdischen und demokratischen Staat mit einer jüdischen Mehrheit“ leben, findet der Likud-Politiker.

Eine Perspektive, die für die meisten Palästinenser wenig verlockend sein dürfte. Zumal ihre Lebenswirklichkeit in der Westbank nach wie vor durch massive Einschränkungen der Bewegungsfreiheit geprägt ist: So muss auch Seehofers Konvoi auf der Fahrt nach Ramallah und später nach Bethlehem insgesamt drei israelische Checkpoints passieren.

Kurz vor Bethlehem kann man noch einen Blick auf die monströse Betonmauer werfen, die inzwischen den größten Teil der Palästinensergebiete vom israelischen Kernland trennt. Rund zehn Prozent der 1967 eroberten Gebiete liegen zudem auf der israelischen Seite der Mauer – vor allem im Großraum Jerusalem.

Die für die jüdischen Siedler gut ausgebauten Verbindungsstraßen in der Westbank sind darüber hinaus mit kilometerlangen Elektrozäunen gesichert, um palästinensischen Fahrzeugen oder Fußgängern den Zugang zu verwehren. Und ein kompliziertes Ausweis-System verhindert für die meisten Palästinenser den Zugang zum bis heute weitgehend muslimischen Ostteil von Jerusalem.

Die moderate palästinensische Führung im Westjordanland setzt dennoch weiter auf Verständigung: „Die Palästinenser wollen ernsthafte Verhandlungen mit Israel“, sagt auch Seehofer nach einem Treffen mit Premierminister Salam Fayyad. Die Führungsspitze um Fayyad und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ist jedoch intern zerstritten, die Regierung gilt als schwach. Zwar heißt es in Ramallah, Korruption und Vetternwirtschaft hätten abgenommen, doch die Autonomiebehörde ist fast pleite. Auch gibt es sozialen Aufruhr, zuletzt wegen hoher Benzinpreise.

Proteste gegen den Westen oder gegen Israel wie in Kairo, Libyen oder auch im von der radikalen Hamas beherrschten Gazastreifen gab es bisher dagegen nicht. Doch das muss nicht so bleiben. Die Situation sei weiter „hochexplosiv“, findet auch Seehofer am Ende seiner Reise. Und doch gebe es auch Hoffnung: „Ich spüre auf beiden Seiten eine große Sehnsucht nach Frieden.“

 
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