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Donauwörth/Augsburg
"Ich bin seitdem kein Mensch mehr": Betroffene des Hepatitis-Skandals kommen vor Gericht zu Wort
Der sechste Prozesstag im Hepatitis-Skandal, der die Klinik in Donauwörth erschütterte, ist emotional. Opfer berichten, wie es ihnen geht. Und endlich ist bekannt, wie sie sich wahrscheinlich angesteckt haben.
Barbara Würmseher
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:49 Uhr

"Ich bin seitdem kein Mensch mehr", bekennt ein 81-Jähriger, als er am Freitag auf dem Zeugenstuhl im Landgericht Augsburg sitzt. Der Mann aus Gersthofen im Landkreis Augsburg ist sichtlich aufgewühlt, spricht von so vielem, was in der gewohnten Normalität seines Lebens "kaputtgegangen ist". Obwohl er um Beherrschung bemüht ist, schwingt hörbar immer wieder Bitterkeit in seinen Worten mit: "Es ist traurig. Mir reicht's!" Ähnlich geht es einer 50-jährigen Donauwörtherin, die wiederholt vom Weinen geschüttelt wird und zwischen den Tränen ihre Gemütsverfassung so schildert: "Das Ganze ist nun sechs Jahre her und es geht mir psychisch noch immer schlecht."

Es ist Tag sechs im Hepatitis-Prozess am Landgericht Augsburg und sicher der bis dahin emotionalste. Im Gerichtssaal wird spürbar, welche Folgen die Vorfälle jenen Menschen gebracht haben, die sich im besten Vertrauen in die medizinische Behandlung der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth begeben hatten. Erstmals kommen an diesem Tag Opfer des Anästhesisten zu Wort, der dort zwischen Februar 2017 und April 2018 mindestens 51 Patientinnen und Patienten mit Hepatitis C infiziert hat. Er trug das Virus wohl unwissentlich in sich. Als der medikamentenabhängige Arzt vor Operationen Narkosemittel für sich abgezweigt hat, hat er sein Blut in den Blutkreislauf der Operierten gebracht.

Hepatitis-Skandal in der Klinik Donauwörth: Die Nadelspitze war mit dem Hepatitis C kontaminiert

Seit Freitag ist nun endlich auch bekannt, wie der Übertragungsweg wahrscheinlich ausgesehen hat. Lange schon wird darüber gerätselt, nicht bestätigte Vermutungen stehen im Raum. Bevor sich die Kammer auf die früheren Patienten konzentriert, kündigt Verteidiger Rechtsanwalt David Herrmann eine Erklärung seines Mandanten an. Dieser erwähnt zunächst seinen damals "desolaten Zustand", aufgrund dessen er selber nicht mehr wisse, wie was wann war. "Ich kann mir das nicht mehr erklären."

Dann aber kristallisiert sich nach intensiven Gesprächen zwischen Angeklagtem und Verteidiger folgendes Szenario heraus: Der Mediziner hat jeweils vor der Operation mit einer eigenen Spritze aus der für den Patienten hergerichteten Narkose-Spritze etwa zwei Milliliter des Opiats Sufentanil herausgezogen. Dabei hat er sich mit seinen stark zitternden Händen regelmäßig versehentlich selbst gestochen und die Nadelspitze auf diese Weise mit seinem Blut und dem darin vorhandenen Hepatitis C-Virus kontaminiert.

Anschließend hat er "seine" Spritze ohne Nadel in die Jackentasche gesteckt, um sich später auf der Toilette das Narkosemittel zu spritzen. Mit der kontaminierten Nadel hat er dann Natriumchlorid aufgezogen und damit die nun teilweise entleerte Sufentanil-Spritze für den Patienten wieder aufgefüllt. So muss das Virus sowohl ins Sufentanil als auch ins Natriumchlorid gekommen sein. Beides wurde dann dem Patienten intravenös gegeben.

Ein Zeuge wendet sich an den Angeklagten und sagt: "Sie tun mir leid!"

"Mein Mandant war damals so erschöpft und am Ende", stellt Rechtsanwalt Herrmann fest. Eine Erklärung, die nicht bei allen Patienten, aber doch bei manchen trotz deren eigener Leidenszeit auf Verständnis stößt. Ein 82-Jähriger aus Niederbayern jedenfalls, den seine Hepatitis C-Infektion durch den Donauwörther Arzt ziemlich gebeutelt hat, findet freundliche Worte im Gerichtssaal – obwohl er von sich erzählt: "Ich war nicht mehr der Alte, war viel zu Hause und irgendwie neben der Spur." Er nimmt die Entschuldigung des Angeklagten an und wendet sich direkt an ihn: "In Ihrem Leben muss viel passiert sein, dass Sie so abgerutscht sind. Sie tun mir leid!"

Für einen 58 Jahre alten Mann aus Donauwörth bleibt ein "komisches Gefühl" in Erinnerung. So jedenfalls fasst er seine körperlichen Beschwerden durch Hepatitis zusammen. Wie allen anderen Opfern sagt der Angeklagte auch ihm direkt ins Gesicht: "Was ich Ihnen angetan habe, tut mir leid!" Der Zeuge reagiert mit gemischten Empfindungen: "Jedem kann mal etwas passieren. Aber warum haben Sie das gemacht, ich habe Ihnen doch nichts getan? Trotzdem wünsche ich Ihnen alles Gute!"

Eine 55-Jährige aus Rain ist heute rein körperlich schmerzfrei. Das war vor ihrer erfolgreichen Hepatitis-Therapie nicht der Fall. Auch Verdauungsprobleme hatte sie zunächst. Trotzdem ist längst nicht alles gut, wie sie im Zeugenstand schildert. Sie spricht von massiven Schlafproblemen und von starken Schweißausbrüchen in der Nacht. Manchmal sei ihr Bett so nass geschwitzt, dass sie Schlafanzug und Bettwäsche noch nachts wechseln müsse. Auch das "Stigma" Hepatitis laste auf ihr: "Ich muss das immer wieder angeben."

Am Mittwoch, 7. Juni, wird der Prozess fortgesetzt. Dann kommen weitere Opfer, um zu schildern, wie es ihnen durch die Ansteckung ergangen ist.

 
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