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Digitale Bildung
Wie die Software ChatGPT Schulen und Unis beunruhigt
Das Programm ChatGPT ist in der Lage, minutenschnell komplexe Texte zu verfassen. Führt das Hausaufgaben und Seminararbeiten ad absurdum?
Sebastian Schmidt       -  Auszeichnung innovativster Lehrer Deutschlands für Lehrer Sebastian Schmidt / Realschule Neu-Ulm.Digitales Klassenzimmer / arbeiten mit tablet und smartphone / Lehrer stellt Erklärstücke / Videos auf youtube.  Kinder dürfer gezeigt werden. / Schule / Digitalisierung in der Schule.Bild: Ulrich WagnerTablet und Schulbuch
| Auszeichnung innovativster Lehrer Deutschlands für Lehrer Sebastian Schmidt / Realschule Neu-Ulm.Digitales Klassenzimmer / arbeiten mit tablet und smartphone / Lehrer stellt Erklärstücke / Videos auf youtube.
Sarah Ritschel
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:32 Uhr

Sie kann argumentieren wie ein Politiker, schreiben wie eine Literaturwissenschaftlerin und auch noch komplexe mathematische Zusammenhänge erklären: Die Software ChatGPT ist gerade weltweit in aller Munde. Es handelt sich um ein Programm, das auf Befehl eines Menschen nahezu jede Art von Texten verfassen kann. 

Aber am besten lassen wir das Programm sich selbst vorstellen. "Wer bist du?" Stellt man diese Frage an ChatGPT, bekommt man das hier zur Antwort: "Ich bin eine Künstliche Intelligenz, auch bekannt als KI oder Sprachmodell. Ich wurde (...) trainiert, um natürliche menschliche Sprache zu verstehen und darauf zu antworten. Meine Aufgabe ist es, menschlichen Nutzern bei der Beantwortung ihrer Fragen und dem Verfassen von Texten zu helfen." Die Süddeutsche Zeitung hatte den Chatbot kürzlich sogar erfolgreich gebeten, eine Weihnachtsrede für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu verfassen.

Unter manchen Lehrkräften und Hochschuldozenten löst das Potenzial der KI Besorgnis aus. Bob Blume, Lehrer an einem Gymnasium in Baden-Württemberg und bundesweit bekannt als Bildungs-Influencer, ist sich sicher: "Das wird angewendet werden" - spätestens, seit etwa der berühmte TikToker "Herr Anwalt" mit seinen sechs Millionen Followern die Softwareals Gratishilfe für Hausaufgaben und Hausarbeiten vorgestellt habe.

Das weltweite Interesse an ChatGPT ist riesig

Die Künstliche Intelligenz wurde entwickelt vom US-amerikanischen Unternehmen Open AI - und kann von jedem genutzt werden, der sich auf der Internetseite der Firma registriert. Das weltweite Interesse ist riesig, die Website ist immer wieder überlastet. 

Einer, der die Entwicklung genau verfolgt, ist Schulleiter Tobias Schreiner aus Gmund am Tegernsee. Schreiner, Leiter der Realschule Tegernseer Tal, ließ ChatGPT testweise eine Erörterung schreiben, wie sie auch in der neunten Klasse vorkommen könnte. Das Thema: Warum sind Streaming-Portale unter jungen Menschen so beliebt und welche Probleme könnten dadurch auftreten? Fünf Minuten Zeit habe er investiert, um mit dem Programm zu kommunizieren. "Ich würde das Ergebnis mit der Note Drei bewerten", sagt Schreiner im Gespräch mit unserer Redaktion. Noch ist ihm nicht bekannt, dass ChatGPT von seinen Schülerinnen und Schüler genutzt werde. "Aber typisches Merkmal der Jugendzeit ist eine gewisse Bequemlichkeit. Dass viele auf die Idee kommen werden, sich so die Arbeit zu erleichtern, ist doch völlig klar."

Dass durch immer perfekter werdende Künstliche Intelligenzen Leistungsnachweise an Schulen ad absurdum geführt werden, glaubt Schreiner nicht. Noch jedenfalls könne jede Deutschlehrkraft das Werk eines Sprachbots „problemlos“ von dem eines echten Schülers unterscheiden. Und: "Der Taschenrechner hat ja auch nicht dafür gesorgt, dass die schriftliche Division aus den Lehrplänen verschwunden ist." Wer Mathe-Lösungssoftware oder eben Sprachmodelle wie ChatGPT anwende, erwerbe selbst keine mathematischen oder sprachlichen Kompetenzen. "Die Fähigkeit, selbst Texte zu verfassen, bleibt wahnsinnig wichtig. Lehrkräfte müssen sich fit machen im Umgang mit den veränderten Möglichkeiten und Schülern beibringen, sie sinnvoll einzusetzen."

Der Schulleiter, der sich in einem eigenen Blog regelmäßig mit Unterricht in einer digitalisierten Welt befasst, sieht ein ganz anderes, viel größeres Problem: Dank Künstlicher Intelligenzen werde "das Internet innerhalb kürzester Zeit überschwemmt von Trillionen von Texten, die nicht überprüft sind - in einer Sprachqualität, in der sie absolut plausibel erscheinen, selbst wenn völliger Blödsinn drinsteht." 

Forderung nach mehr Medienkompetenz an Schulen

Für Schülerinnen und Schüler sei oft schwer zu entscheiden: Wie viel Substanz hat das? Ist das wahr? Diese Fähigkeit müsse Schule heute mehr denn je vermitteln. "An der Realschule gibt es schon lange das Fach Informationstechnologie. In Sachen Medienbildung sind wir damit gut aufgestellt. Ich halte es für sinnvoll, dass es an allen Schularten ein solches Fach gibt, in dem informatische Fähigkeiten und Medienkompetenz vermittelt werden."

Die Grünen im Landtag fordern schon lange ein Fach, das technisches Informatikwissen genauso vermittelt wie Medienwissen für den digitalen Alltag. Würde seine Partei im Kultusministerium regieren, würde sie ein solches Fach lieber heute als morgen einführen, sagt deren schwäbischer Experte für digitale Bildung, Max Deisenhofer. "Wir brauchen an den Schulen mehr Anwendungskompetenz und weniger abrufbares Wissen." Statt der immer gleichen standardisierten Prüfungen und Aufgaben im Unterricht fordert er "eine Bewertung und Benotung, die individueller funktioniert und zeigt, ob sich ein Schüler Gedanken macht, statt den Stoff nur auswendig zu lernen - oder ihn von einer Software zusammenschreiben zu lassen." Er denkt an Formate, in denen sich Schülerinnen und Schüler ihren Stoff selbst erarbeiten, deutlich mehr Präsentationen und Projekte zum Beispiel. 

Seminararbeiten an bayerischen Hochschulen sind nicht so leicht zu ersetzen. Sie sind fester Bestandteil der Prüfungsordnung. Noch sind dem bayerischen Wissenschaftsministerium keine betrügerischen Texte mittels KI bekannt - doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die ersten Fälschungen auftreten. "Das Prüfungswesen und die Einhaltung wissenschaftlicher Standards ist Zuständigkeit der Hochschulen", heißt es lapidar aus dem Haus von Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), wenn man danach fragt, ob ChatGPT auf dem Schirm sei. 

An der Uni Augsburg wird die Entwicklung "laufend beobachtet", erklärt Pressesprecherin Manuela Rutsatz. Sie setzt aber darauf, dass wissenschaftliche Standards es der KI schwer machen würden, Dozenten und Professorinnen zu überlisten. "Ob Künstliche Intelligenz oder die Intelligenz von anderen Menschen, beim Schreiben von Haus- und Seminararbeiten sind grundsätzlich Vertrauen und eine sehr spezifische Arbeitsaufgabe eine wichtige Grundlage für die Bewertung." Das Schreiben von akademischen Texten impliziere auch den Umgang mit bestimmten vorgegebenen Texten, mit wissenschaftlichen Methoden und Quellenangaben. Alles mögliche Hürden für ChatGPT. Noch jedenfalls.

 
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