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Der unerwünschte Wunschkandidat
Porträt: Ulrich Wilhelm war der Favorit und Liebling der CSU, als er vor fünf Jahren zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt wurde. Jetzt stellt er sich zur Wiederwahl. Und aus einstigen Bewunderern sind regelrecht Gegner geworden.
Uli Bachmeier
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:08 Uhr

Er galt als „die lächelnde Wunderwaffe“, als „Merkels bester Mann“, als „der kluge Blonde“. Er konnte als Regierungssprecher in München wie in Berlin überzeugen mit Charme und bedachtsam gewählten Worten. Journalisten jeglicher Couleur wie auch SPD, Grüne und Linke begegneten dem smarten CSU-Mann mit größtem Respekt. Als er sich dann – unterstützt von der CSU – vor fünf Jahren um das Amt des Intendanten des Bayerischen Rundfunks bewarb, da stimmten in München nur vier der 44 Rundfunkräte gegen ihn. Man war sich einig, dass er der richtige Mann sei, den in weiten Teilen schwerfälligen und verkrusteten Bayerischen Rundfunk fit zu machen für die Zukunft.

Wo er auch hinkam, Ulrich Wilhelm (53) schien überall eine Idealbesetzung zu sein. In der CSU wurde vor einigen Jahren sogar darüber spekuliert, ihn als Quereinsteiger in die Staatsregierung zu holen – obwohl Wilhelm nie politische Ambitionen erkennen ließ. Doch diese Zeiten sind vorbei. Zwar steht Wilhelms Wiederwahl im Rundfunkrat am Donnerstag nicht infrage. Er ist der einzige Kandidat. Doch der Mann, der einst der Liebling (fast) aller war, ist zur Reizfigur geworden. In der CSU, die ihn vor fünf Jahren auf den Schild gehoben hat, herrschen Argwohn und Groll. Da funktioniert offenbar einer nicht so, wie man sich das erträumt hat. Und im Sender selbst, so berichten Mitarbeiter bei Hörfunk und Fernsehen, ist von der Aufbruchsstimmung, die nach seiner Wahl aufkam, nicht mehr viel zu spüren.

Die aktuellen Spannungen zwischen der CSU und dem mächtigen Intendanten haben einige einfache Ursachen. Wilhelms forsches Fordern eines neuen Konzertsaals für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München ging der Regierungspartei im Landtag zu weit. Noch stärker wirkt der Streit um den seltsamen Auftritt von Finanzminister Markus Söder (CSU) in der BR-Serie „Dahoam is dahoam“ nach. Dass Wilhelm Politiker quasi mit einem Mitspielverbot im Unterhaltungsbereich belegte, empfinden viele Abgeordnete als selbstherrlich und beleidigend: „Gehören wir nicht zu Bayern? Sind wir hier nicht auch dahoam?“ Und mehr noch: Einige CSU-Rundfunkräte lasten ihm sogar an, die Veröffentlichung einer (vermeintlichen) Umfrage lanciert zu haben, in der sich Zuschauer über das (angeblich) „schwarz gefärbte“ Bayerische Fernsehen beklagten. Belege dafür haben sie nicht.

Die Entfremdung zwischen der CSU und Wilhelm begann freilich schon früher. Bereits 2011 zürnte das CSU-Parteiorgan Bayernkurier über „rot-grüne Einfärbungen“ im BR. Vor allem der Hörfunk wird in der CSU als „links“ wahrgenommen. Bei einer Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz im Herbst 2012 wurde dann offenkundig, dass man so gar nicht auf einer Wellenlänge liegt. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und der damalige CSU-Fraktionschef Georg Schmid hatten Wilhelm darum gebeten, den Abgeordneten das Zukunftsthema Digitalisierung nahezubringen. Die meisten aber wollten, so berichten Teilnehmer, davon nichts hören. Sie konfrontierten den Intendanten mit profanen Fragen nach dem Motto, warum denn das Bayerische Fernsehen nicht über das Jubiläum des Veteranenvereins in Kleinkleckerlesdorf berichtet habe. Kurz gesagt: Man hat sich gründlich missverstanden.

Schmerzhafter dürfte da schon die Kritik sein, die ihm, dem gelernten Journalisten, aus dem Kreis der Redakteure und freien Mitarbeiter des BR entgegenschlägt. Einige nennen ihn „den Minister“, weil er den Sender angeblich von oben herab führt wie ein Ministerium. Sie werfen ihm einen Führungsstil a la Merkel vor: „Absichern, abschotten, abdichten.“ Sie sagen, er herrsche mit einer Camarilla, einem engen Kreis von Vertrauten – „je weiter draußen du in diesem System der Zwiebelringe bist, desto uninteressanter wirst du“. Nur die weit draußen seien eben auch diejenigen, die sich täglich darum bemühen, den Qualitätsjournalismus zu liefern, den Wilhelm stets einfordert.

Ein komplizierter Umbauprozess

Derlei Urteile stehen in deutlichem Gegensatz zur offiziellen Darstellung des komplizierten und langwierigen Umbauprozesses, den Wilhelm dem Sender verordnet hat. Er läuft seit 2012 unter dem Titel „BR hoch drei“. Die „trimediale Reform“, wie das Projekt auch genannt wird, hat zum Ziel, die vielen Fachredaktionen des BR aus den Sparten Fernsehen, Hörfunk und Online unter einem Dach zusammenzuführen. Das Nebeneinander der einzelnen Redaktionen soll ein Ende haben. Der Intendant nimmt für sich in Anspruch 1200 der rund 5000 Mitarbeiter des Senders in diesen Prozess eingebunden zu haben. Die Kritiker bestreiten das nicht. Arbeitskreise, so sagen sie, gebe es mehr als genug. Es gehe nur nichts voran.

Dass es sich um ein ebenso ambitioniertes wie gigantisches Unternehmen handelt, ist allen klar. Schon die Neuorganisation des Senders in all seinen weit verzweigten Gliederungen ist ein Kraftakt. Es gebe dort, so sagen Insider, „unzählige Biotope, Reservate und Nischen“ – zum Teil hoch spezialisiert, aber alles andere als produktiv. Da seien Platzhirsche, die eifersüchtig ihr Revier verteidigen, und Exoten, die um ihr geschütztes Dasein bangen.

Über Jahrzehnte hinweg mussten sie sich keine Sorgen machen. Der BR verfügte über Geld in Hülle und Fülle. Neue Idee, neues Projekt, neues Geld. Im Zweifel wurden die Gebühren erhöht. Seit 2009 aber ist der Etat des Senders bei rund einer Milliarde Euro gedeckelt. Wird an einer Stelle etwas Neues gemacht, muss an anderer Stelle gespart werden. Das sorgt für Unmut. Erschwert werden Veränderungen obendrein durch Arbeitsverträge, die Beschäftigten in den Redaktionen wie in der Technik eine beamtenähnliche Absicherung garantieren. Kündigungen gibt es praktisch nicht; der Intendant und seine Direktoren haben kaum Druckmittel in der Hand. Sie sind auf den guten Willen, die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter angewiesen. Erheblich verschärft werden die Geldsorgen noch dadurch, dass auch die teure Errichtung eines „multimedialen Aktualitätenzentrums“ in München-Freimann aus dem laufenden Haushalt finanziert werden soll.

Erst Skepsis, dann Unterstützung

Die Wiederwahl Wilhelms am Donnerstag also fällt mitten in eine Zeit der Umbrüche. Vor fünf Jahren wollte die CSU einen Mann aus ihren Reihen haben, um den Sender zu reformieren. Nun wird dieser Mann ausgerechnet von jenen Rundfunkräten freudig unterstützt, die wegen seiner Parteizugehörigkeit zunächst skeptisch waren. Ihm seien viele Dinge „ganz großartig gelungen“, heißt es zum Beispiel beim DGB. Gerade im Krach mit der CSU habe er seine parteipolitische Unabhängigkeit bewiesen. Auch bei der SPD wird ihm attestiert, „keine Parteibuchwirtschaft“ zu betreiben. Wilhelm spiele eine durchaus eigenständige Rolle. Nach anfänglicher Skepsis begegne man ihm jetzt „mit Zuneigung bis freundlicher Neutralität“.

Wilhelms Unterstützer führen gegen seine Kritiker vor allem ein Argument ins Feld: Der Reformprozess brauche Zeit. Nach den Grundsatzbeschlüssen aus dem Jahr 2012 müsse der BR sich jetzt „durch die Mühen der Ebene“ kämpfen. Ohne Blut, Schweiß und Tränen sei der erhoffte Erfolg nicht zu haben: ein modern organisierter Sender, der seine Ressourcen effizient nutzt und über alle drei Vertriebskanäle – Hörfunk, Fernsehen und Online – ein qualitativ hochwertiges Angebot macht.

 
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