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Der FC Bayern ist museumsreif
Auch wenn es mit dem Gewinn der Champions-League heuer nicht geklappt hat: Die Geschichte des Fußballrekordmeisters ist legendär. Heute eröffnen die Bayern in München ihr Vereinsmuseum. Der Würzburger Andreas Wittner hat daran mitgewirkt.
Von unserem Redaktionsmitglied Michael Czygan
 |  aktualisiert: 26.05.2012 12:03 Uhr

Ich bin Bayern-Fan seit Kindheitstagen. Dieser Job ist ein Traum.“ Der Würzburger Andreas Wittner (47) gehört zum Team, das in den vergangenen zwei Jahren auf 3000 Quadratmetern in der Allianz Arena die „FC Bayern Erlebniswelt“ aufgebaut hat – ein Museum, das die ruhmreiche Geschichte des deutschen Rekordmeisters und sechsfachen Europokal-Gewinners von der Gründung 1900 bis heute nachzeichnet – und ab diesem Freitag, 25. Mai, den Fans auch präsentiert.

Bilder von den Teams der Gründerjahre, das Trikot, das Franz Beckenbauer 1965 trug, als den Münchnern der Aufstieg in die Bundesliga gelang, die Lederhose von Paul Breitner aus den 80er Jahren: Erinnerungsstücke wie diese präsentiert die Erlebniswelt, unzählige Trophäen ebenso wie historische Dokumente aus der Vereinschronik.

Präsidenten-Tochter Sabine Hoeneß und Hans-Peter Renner, der Chefredakteur des „Bayern Magazins“ und stellvertretender Pressesprecher des Vereins, verantworten das Projekt. Die Umsetzung lag beim renommierten Stuttgarter Designbüro Ranger, bekannt für moderne Ausstellungskonzepte. Versprochen ist ein „Ort der Emotionen“ – mit jeder Menge interaktiven Elementen. Auf dass der FCB endlich auch museumstechnisch nachzieht mit „Barca“ oder Real Madrid, die ihren Fans ähnliche Expositionen bieten.

Da entstand eine „Hall of Fame“ – mit den größten Bayern-Stars aller Zeiten vom 1932er Kapitän Conny Heidkamp über Gerd Müller bis Oli Kahn in Lebensgröße. Da ist das Original-Präsidentenzimmer aus der Säbener Straße zu bestaunen, Ort ungezählter Vertragsverhandlungen, bis es 2008 dem von Jürgen Klinsmann initiierten Umbau zum Opfer fiel. Eine Soundstation bietet sämtliche Songs von und über Bayern-Größen. „Kaiser“ Beckenbauers „Gute Freunde“ (1966) ist ebenso zu hören wie Gerd Müllers legendäres „Dann macht es bumm“ (1969) oder „Rummenigge, what a man“, jener Hit, in dem Alan & Denise 1982 die „sexy knees“ des heutigen Vorstandsvorsitzenden besingen.

Ausschnitte aus Radioreportagen und Fernsehberichten von den legendären Siegen und den spektakulären Niederlagen, Devotionalien wie der Ball, den Franz „Bulle“ Roth 1967 beim ersten Europacup-Sieg gegen die Glasgow Rangers zum entscheidenden 1:0 ins Netz hämmerte, sind das eine, eine akribische, wissenschaftliche Dokumentation das andere.

Andreas Wittner packt seinen Laptop aus. Gerade ist ihm der Vorname des Spielers Rieger entfallen, der in den 50er Jahren 16 Oberliga-Spiele für die Bayern bestritten hat . . . „Da haben wir's. Gerhard Rieger.“ Eine einfache Excel-Tabelle lüftet Geheimnisse wie dieses. Alle 710 Spieler, die seit 1900 mindestens ein Pflichtspiel in der ersten Bayern-Mannschaft bestritten haben, sind hier aufgelistet. Jeder wird im Museum erwähnt, auf einer Ehrentafel mit Name, Foto und der Zahl der Spiele. „Von 85 Prozent haben wir die Bilder“, ist Wittner stolz, dass die aufwendigen Recherchen Früchte getragen haben.

„Toll, was da alles zum Vorschein kommt.“

Andreas Wittner, Museumsmacher

Klar, von den heutigen Bayern-Stars Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Franck Ribéry weiß der Fan alles, die Zahl der Torschüsse, der gewonnenen Zweikämpfe, der Fouls, aber auch Gewicht und Schuhgröße. Nicht so von den Spielern in Vor-Bundesliga- oder gar Vor-Weltkriegszeiten. 1945 sind viele Dokumente der Bayern-Geschichte in der ausgebombten Geschäftsstelle verbrannt. Doch der Verein hat Millionen Fans, allein über 171 000 Mitglieder. Und auf die ist Verlass. „Toll, was da alles zum Vorschein gekommen ist“, schwärmt Wittner. Nach mehreren Aufrufen im „Bayern-Magazin“ meldeten sich Fans, die beim Ausmisten von Opas Keller alte Sportzeitschriften fanden oder Hefte, in denen Spielberichte aufgeklebt und Mannschaftsaufstellungen akribisch aufgeschrieben waren.

Dazu kommen Interviews mit den Spielern selbst. Nicht mit Stefan Effenberg oder Georg „Katsche“ Schwarzenbeck, sondern mit den Namenlosen, die für die Roten kickten, kaum für Geld, aber nicht minder leidenschaftlich. „Nach und nach besuchen wir die Spieler aus der Nachkriegszeit.“ Und die erzählen Anekdoten, vermitteln Kontakte zu ehemaligen Kameraden (oder deren Verwandten), öffnen ihre Fotoalben. „Viele sind unendlich dankbar, dass sie nicht vergessen sind“, so Wittner. Kürzlich hat er Kurt Hauer getroffen, einen Mann von Mitte 80, der 1954/55 „als Aushilfe“ ein Spiel in der ersten Bayern-Elf gemacht hat. „Dem ist das Herz aufgegangen, als ich ihm sagte, dass er im Museum dabei ist.“

Oder erwähnter Gerhard Rieger. Sein Enkel, so hat er den Museumsmachern erzählt, wollte nicht recht glauben, dass der Opa tatsächlich einmal für den ruhmreichen FC Bayern gekickt hat, so wie Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Arjen Robben. Andreas Wittner: „Mit der Präsentation im Museum hat er, so sagt er, nun den Beweis.“

Mitnichten ist die akribische Puzzlearbeit nur Spielerei. Die Historie des FC Bayern spiegelt an vielen Punkten Zeitgeschichte wider. Wittner hat immer wieder mit dazu beigetragen diese aufzuarbeiten – und jetzt im Museum zu präsentieren. 1932 gewannen die Münchner mit einem 2:0-Finalsieg gegen Eintracht Frankfurt erstmals die deutsche Meisterschaft. Zur Feier des Tages fuhr die Mannschaft mit dem „Viktoria“-Pokal im Pferdekutschen-Corso zum Marienplatz.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhinderte – zunächst – weitere Titel. Meistertrainer Richard Dombi war ein Jude, Präsident Kurt Landauer auch. Beide mussten gehen, der FC Bayern wurde als „Judenclub“ diskriminiert, die Machthaber bevorzugten den Lokalrivalen 1860, als es beispielsweise darum ging, in München stationierte Soldaten, die gute Fußballer waren, einem Verein zuzuteilen.

Spannend auch die Gründungsgeschichte von 1900. Als der Münchner Männer-Turnverein seinen Kickern den Beitritt zum süddeutschen Fußballverband verweigerte, verließen elf Männer die Mitgliederversammlung, um noch am gleichen Abend den FC Bayern München aus der Taufe zu heben. Andreas Wittner freut sich, hier eine Verbindung nach Würzburg gefunden zu haben, eine rot-weiße noch dazu. Einer der elf FCB-Gründungsmitglieder war nämlich Albert Zoepffel, Großonkel von Helmut Zoepffel, dem langjährigen Spieler, Trainer und Vorstand der Würzburger Kickers.

FC Bayern Erlebniswelt

Das Vereinsmuseum des FC Bayern ist in der Allianz Arena in München-Fröttmaning gut zu erreichen. Die „FC Bayern Erlebniswelt“ ist sieben Tage die Woche geöffnet, täglich von 10 bis 18 Uhr. Eintrittspreise: Erwachsene: 12 Euro; Mitglieder, Rentner, Studenten, Schüler: 10 Euro; Kinder sechs bis 13 Jahre: 6 Euro; Kinder bis fünf Jahre: frei.

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