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Der Berg ruft nicht mehr
Schul-Skikurse: Immer mehr Schulen verzichten auf die Woche in den Alpen. Skikurse sind aufwendig in Organisation und Betreuung. Vielen Eltern sind sie schlicht zu teuer. Die meisten Mittelschulen in Unterfranken bieten gar keine Skikurse mehr an.
78812538       -  Schulskikurse werden immer seltener. Doch gemeinsame Aktivitäten, Abenteuer und Erlebnisse stärken das Gruppengefühl und die Klassengemeinschaft.
Foto: Thinkstock/DPA | Schulskikurse werden immer seltener. Doch gemeinsame Aktivitäten, Abenteuer und Erlebnisse stärken das Gruppengefühl und die Klassengemeinschaft.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:56 Uhr

Bei den siebten und achten Klassen des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Schweinfurt steht eine Woche Skifahren auf dem Lehrplan: „Seit 50 Jahren fährt unsere Schule nach Saalbach Hinterglemm in die Kitzbühler Alpen“, erzählt Schulleiter Christoph Zänglein. In dieser Woche mache den Schülern Schule so richtig Spaß: Statt Mathe, Latein oder Biologie stünden Schwünge auf der Piste oder Skilanglauf in der Loipe auf dem Programm. Und damit das Gemeinschaftsgefühl auch abends gestärkt wird, müssen die Schüler ihre Handys zu Hause lassen. „Wir wollen, dass unsere Schüler abends zusammenspielen und sich unterhalten“, sagt Zänglein. 350 Euro kostet diese Woche die Eltern – der Skipass und Halbpension sind im Preis inbegriffen.

Doch Schulskikurse wie am Alexander-von-Humboldt Gymnasium sind längst nicht mehr selbstverständlich. Im Gegenteil: Nach Recherchen der Wochenzeitung „Die Zeit“ schicken immer weniger weiterführende Schulen in Deutschland ihre Mittelstufen im Winter zum Skifahren. Da die Kultusministerien zu Schulfahrten keine Statistiken führen, gibt es zum Rückgang kaum Zahlen.

Skikurse sind teuer

Uwe Mitlöhner, Regierungsschuldirektor und zuständig für den Bereich Sport bei der Regierung von Unterfranken, weiß, dass nur noch 17 von 110 Mittelschulen in Unterfranken regelmäßig Skikurse anbieten. Warum das so ist? „Skikurse sind teuer, aufwendig in der Organisation und Betreuung und von den Eltern oft nicht mehr gewollt“, sagt Mitlöhner. Zudem seien für Skikurse ausgebildete und qualifizierte Skilehrkräfte notwendig.

Weniger Skifreizeiten gibt es auch in den Realschulen der Region. Von 47 Realschulen fahren immerhin noch 36 mit ihren Mittelstufen in die Alpen, erklärt Petra Leuner, Mitarbeiterin des Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken. „Elf Realschulen fahren nicht mehr zum Skikurs, unter anderem aus ökologischen Gründen“, sagt Leuner. Kunstschnee und Massentourismus schade den Alpen. „Daher ziehen es viele Schulen vor, bei Klassenfahrten in der Region zu bleiben“, sagt Leuner. Winterfreizeiten in der Rhön oder im Spessart seien zunehmend beliebter. Wenn kein Schnee liege, werde eben gewandert.

Insgesamt geht die Anzahl der Skifahrer seit Jahren zurück. Doch nicht nur ökonomische Gründe sind Schuld an der lahmenden Nachfrage nach dem weißen Sport. Es ist die Demografie, welche derzeit die Anzahl der Skifahrer limitiert. Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Sporthochschule in Köln ist ein Drittel der deutschen Skifahrer über 60 Jahre alt, der typische Skiurlauber ist kinderlos. Skifahren wird immer mehr zum Exotensport. Auch durch die verstärkte Migration könne die demografische Lücke für den Skisport nicht geschlossen werden. Ski-Touristiker gehen davon aus, dass die Mehrzahl der Migranten nur einen verhältnismäßig geringen kulturellen Bezug zum Skifahren hat.

Auch die Gustav-Woehrnitz-Mittelschule in Lohr (Lkr. Main-Spessart) bietet keine Skikurse mehr an, dafür in jeder Jahrgangsstufe Ausflüge oder Landschulheimaufenthalte. „Sicher spielt bei dieser Entscheidung auch der finanzielle Aspekt eine Rolle. Skikurse und die dazugehörige Ausrüstung sind teuer“, sagt die Schulleiterin Susanne Rinno. Es gebe auch andere Möglichkeiten, soziale Kompetenzen zu schulen, wie zum Beispiel im Klettergarten oder bei Team-Building-Spielen. Andere Mittelschulen legten ihren Schwerpunkt beispielsweise auf Mountainbiken zum Beispiel im Schullandheim Rappershausen, erklärt Uwe Mitlöhner von der Regierung von Unterfranken.

Im Hinblick auf die geografische Lage Bayerns und auf die Zielsetzung des Schulfachs Sport, die Schüler zu lebensbegleitendem Sporttreiben zu motivieren, komme dem Skilauf sowie dem Snowboarden laut dem Kultusministerium eine besondere Bedeutung zu. „Die Schüler sammeln dabei sportliche Bewegungserfahrungen im winterlichen Umfeld. Sie lernen, die wichtigsten Verhaltens- und Sicherheitsregeln einzuhalten und die im Unterricht vermittelten Zusammenhänge von Sport, Freizeit, Natur und nachhaltiger Entwicklung zu berücksichtigen“, erklärt Henning Gießen, Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Darüber hinaus bieten der Unterricht in den Skisportarten sowie im Snowboardfahren und die Gestaltung der kursfreien Zeit im Schulskikurs vielfältige Möglichkeiten zur Stärkung personaler und sozialer Kompetenzen, zur Persönlichkeitsentwicklung.

In den bayerischen Fachlehrplänen für Sport ist der Wintersportbereich deshalb fester Bestandteil. Zur Umsetzung verweist der Fachlehrplan Sport darauf, dass die Wintersportarten aus organisatorischen Gründen meist in Schulskikursen oder Projekten wie etwa einem Wintersporttag unterrichtet werden. Schulskikurse sind daher nach wie vor fester Bestandteil des Schullebens an bayerischen Schulen. „Fort- und Weiterbildungen für Sportlehrer in Sachen Skifahren oder Snowboarden sind seit Jahren unverändert stark nachgefragt“, sagt Gießen.

Doch was tun, wenn gar kein Schnee liegt? Viele Skigebiete mussten den Saisonstart 2015 kurz vor Weihnachten angesichts fehlenden Naturschnees und hoher Temperaturen verschieben – wieder einmal. Auch wenn dieser Winter Zahlen des Deutschen Wetterdienstes zufolge mit dem mit Abstand wärmsten Dezember seit Beginn der flächendeckenden Messungen begonnen hat, ist der Schneemangel in den Skigebieten nichts Neues. Pistenbetreiber müssen immer wieder auf Kunstschnee zurückgreifen, um die Pisten befahrbar zu machen. Oft war es aber selbst für die Schneekanonen zu warm.

„Wir leben in einer Zeit des Klimawandels und wir wissen auch, was Skifahren und Massentourismus in den Bergen anrichten kann“, bestätigt auch Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes. „Sanfter Skitourismus kann aber eine gute Alternative sein.“

Jede Schule entscheidet selbst

Das Kultusministerium erhebt keine Statistik über Schülerfahrten im Allgemeinen sowie zu Schul-Skikursen im Besonderen. Eine valide belegte Aussage zur Entwicklung der Anzahl der Schulen, die einen Schulskikurs durchführen, sei daher nicht möglich. Über das Fahrtenprogramm entscheidet jede Schule in eigener Verantwortung.

„Von einem Rückgang an Skifreizeiten kann nicht die Rede sein“, sagt Monika Zeyer-Müller, Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Unterfranken. Allerdings hätten sich die Gymnasien darauf eingestellt, dass nicht alle Schüler Skifahren können oder wollen. „Wer nicht Ski fahren will, muss auch nicht“, sagt die Ministerialbeauftragte. Die Schulen würden Ersatzprogramme wie Schneeschuhwandern oder Schlittschuhlaufen anbieten. „Viele stellen auch eigene Snowboardgruppen zusammen.“

Das Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt will seine Skikurse beibehalten. „Bei uns fahren traditionell alle sechsten Klassen ins Skilager und das soll auch so bleiben“, sagt Schulleiter Max Bauer. Simone Fleischmann gibt nur zu bedenken: „Egal wie die Schule sich entscheidet: Finanziell schwach gestellte Kinder brauchen für ein Skilager kräftige Unterstützung – ohne die geht es gar nicht.“

 
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